„Ein sicheres Nest“Eltern auf Zeit für Kölner Kinder in großer Not gesucht

In einer Bereitschaftspflegefamilie finden Kinder Zuwendung und und können zur Ruhe kommen.
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Köln – Die erste Nacht in seiner neuen Pflegefamilie hatte den Vierjährigen tief beeindruckt. „Ich habe in einem Bett mit Bettwäsche geschlafen“, berichtete er mit ehrfürchtigem Staunen der Betreuerin, die ihn und die Bereitschaftspflegefamilie besuchte. „Und ich hatte einen Schlafanzug an!“ Was für die meisten Kinder eine Selbstverständlichkeit ist – ein sicheres Zuhause mit verlässlichen Eltern, einem behütenden Umfeld und geordneten Strukturen – bleibt manchen kleinen Mädchen und Jungen verwehrt. Sie sind in akuter Not, weil ihre Herkunftsfamilie ihnen all das nicht geben kann, eine Trennung kann die traurige Konsequenz sein.
Zum ersten Mal umsorgt
Die Freude des kleinen Jungen über das schlichte Umsorgtwerden in der Pflegefamilie ist Heidi Scheuermann vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) deutlich in Erinnerung. In seiner Herkunftsfamilie, mit einer in Onlinespielsucht gefangenen Mutter und ohne verlässliche Versorgung und Tagesstruktur, hatte der Vierjährige so etwas nicht gekannt.
Für solche Kinder, die eine viel zu schwere Last tragen, sucht der SkF in Porz und darüber hinaus weitere Pflegeeltern, Menschen, die im Notfall als Bereitschaftspflegeeltern einspringen. Es geht dabei keineswegs nur um Kinder aus sozialen Brennpunkten wie Finkenberg. Auch in gut situierten Wohnorten wie Marienburg oder Lindenthal kann es nötig werden, Kinder aus ihrer Familie zu nehmen und sie – mitunter ohne lange Vorbereitungszeit – in andere Obhut zu geben.
Zur Ruhe kommen und Kraft schöpfen
„Das ist für die Eltern auf Zeit eine herausfordernde Aufgabe“, sagt Heidi Scheuermann, Leiterin des Pflegekinderdienstes, den der SkF gerade für Köln aufbaut. Die Familien, Paare oder Einzelpersonen können den Kindern in Not aber sehr gut dabei helfen, außerhalb der belasteten Situation in der Herkunftsfamilie erst einmal zur Ruhe zu kommen und Kraft zu schöpfen.
Wenn die Behörden Kinder aus leiblichen Familien nehmen müssen, steht das Kindeswohl stets an oberster Stelle. Wo akute Not herrscht, weil die Kleinen Gewalt oder schlimme Vernachlässigung ertragen müssen, die leiblichen Eltern mit den Anforderungen eines Familienlebens nicht zurechtkommen, krank sind, Suchtprobleme haben oder sich aus anderen Gründen nicht angemessen kümmern können, werden Kinder vom Säuglings- bis zum Grundschulalter kurzzeitig in Pflegestellen vermittelt. Bis sich die Situation geklärt hat, sind die ganz Kleinen in Bereitschaftspflegefamilien meist besser aufgehoben als in Heimen, wo sie mit wechselnden Mitarbeitern in Schichtdiensten zurechtkommen müssten.
Mädchen und Jungen kennen keinen geregelten Tagesablauf
„In der Bereitschaftspflegefamilie finden die Kinder ein sicheres Nest, Halt, Zuwendung und die Nähe, die sie brauchen“, sagt Scheuermann. Während ein Kind, das von seinen Eltern getrennt werden musste, in der Familie auf Zeit lebt, wird geklärt, wie es weitergeht. In manchen Fällen können die Kleinen zu den leiblichen Eltern zurück, wenn sich dort die Situation verbessert hat. In anderen Fällen wird eine Dauerpflegestelle gesucht. Dieser Prozess kann einige Tage, Wochen aber auch mehrere Monate dauern.

Heidi Scheuermann
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„Die Bereitschaftspflegeeltern müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie ein verunsichertes, belastetes Kind aufnehmen“, sagt die Pflegekinderdienstleiterin. Da gibt es Mädchen und Jungen, die keinen geregelten Tagesablauf kennen, die höchst einseitig und ungesund ernährt worden sind, die mit Körperpflege nicht vertraut sind oder für die ein familiäres Miteinander eine neue Erfahrung darstellt. „Wir hören von Kindern, die sich gleich glücklich über das Umsorgtsein zeigen und alles Neue voller Freude mitmachen,“ berichtet Scheuermann. Doch kennt sie auch Berichte von Pflegeeltern, die viel Geduld aufbringen müssen.
Einschluss in Trauer oder Aggression
Der Einfallsreichtum flexibler Erwachsener, Beharrlichkeit und Ruhe sind gefragt, um den Kindern alltäglich erscheinende Verhaltensweisen nahezubringen. Hürden können etwa die strikte Weigerung der Kleinen sein, sich die Zähne zu putzen, zu duschen oder etwas anderes als zuckrigen Eistee zu trinken. Es kann bei den Kindern aber auch einen solchen Einschluss in Trauer oder Aggression geben, dass therapeutische Hilfe nötig wird.
Eine große Zahl engagierter Vollzeitpflegeeltern gibt es in Porz seit langem. Sie begleiten die Kinder bis ins Erwachsenenalter, stehen auf Wunsch im gegenseitigem Austausch und werden von der Stadt und weiteren Diensten bei ihren Aufgaben begleitet und unterstützt. Den Bereitschaftspflegedienst für Notfälle baut der SkF derzeit auf. Aus ihrer Erfahrung weiß Heidi Scheuermann, dass Kinder, die aus ihren Familien herausgenommen werden, stets mit einer Hypothek leben müssen. „Sie lieben ihre Eltern oder alleinerziehenden Elternteile, vertrauen ihnen und müssen sich auf sie verlassen können. Die Trennung aus dem gewohnten Umfeld und von den geliebten Menschen ist für jedes Kind erst einmal ein Schock, selbst wenn die Lebensumstände in der eigenen Familie nicht gut sind.“
Pflegefamilien werden umfangreich unterstützt
Schon deshalb sei es wichtig, dass sich Menschen, die diesen Kindern ein Zuhause auf Zeit geben wollen, dieser Situation sehr bewusst sind. Nicht zuletzt müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass eine Kurzzeitpflege früher oder später endet. Bis sich ein verunsichertes Kind durch gutes Vorleben eingewöhnt und sich sicher in der Pflegestelle auf Zeit fühlt, kann es dauern. Die Eltern müssen sich flexibel auf die unterschiedlichsten Anforderungen einlassen. Sie sollen unter Umständen Umgangskontakte zu den leiblichen Eltern fördern oder erforderliche Therapien für die Kinder in die Wege leiten.
Ihre Beobachtung und Erfahrung ist gefragt, wenn die dauerhafte Perspektivplanung für das Kurzzeitpflegekind ansteht. Möglich ist ein Übergang zur unbefristeten Vollzeitpflege bei einer anderen Familie oder in einem Heim, die Adoption oder die Rückkehr zu den leiblichen Eltern. An dieser Zukunftsplanung sind üblicherweise außer dem Jugendamt und weiteren Diensten auch die leiblichen Eltern beteiligt.
Familien, Paare und Alleinstehende werden gut vorbereitet
Familien, Paare und Alleinstehende aus Porz und anderen Stadtteilen, die einem Kind ein Zuhause auf Zeit geben wollen, werden gut vorbereitet und finden beim SkF auch während der Betreuung jederzeit fachliche Unterstützung. Der SkF ist Träger des „Hauses der frühen Hilfen“ in Porz, wo Beratung und tätige Unterstützung für alle Fragen rund um Familie geboten werden. In Porz und auch in den Veedeln auf beiden Rheinseiten stehen pädagogisch versierte Fachkräfte den Menschen bei, die sich mit ganzer Kraft als Eltern um Kinder kümmern.
„Wichtig ist der Wunsch, einem belasteten und verängstigten Kind Schutz und Sicherheit zu geben, damit es wieder Vertrauen in sein Leben und die Welt findet“, bekräftigt Scheuermann. Für Interessierte aus Köln und dem Umland gibt es keine Ausschlusskriterien außer dem Alter: Bereitschaftspflegeeltern sollten das Rentenalter noch nicht erreicht haben.
Interessierte erreichen den SkF-Pflegekinderdienst per Mail oder telefonisch unter der Nummer 0221/12695 1767.