Krisengipfel in PorzKölner Veedel muss lebendiger werden – Neubauten reichen nicht

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Leerstände und verkommene Fassaden verleiden Besuchern den Aufenthalt in der Fußgängerzone. 

  • Drei Neubauten samt großem Rewe-Markt dürften keine Wunder bewirken. Um die „Neue Mitte Porz“ zu einem Anziehungspunkt für Kunden und Flaneure zu machen braucht es mehr.
  • Da sind sich Politiker, Bürger und Einzelhändler einig. Aber viele der Akteure haben nicht genügend miteinander geredet.
  • Bei einem ersten Dialogforum im Porzer Rathaus tauschten sie Ideen mit Experten aus. Ob es wohl bald eine „Chill-Zone“ am Rheinufer gibt?

Porz  – Allein drei Neubauten samt großem Rewe-Markt anstelle des abgebrochenen Hertie-Hauses dürften keine Wunder bewirken. Um die „Neue Mitte Porz“ zu einem Anziehungspunkt für Kunden und Flaneure zu machen, um weitere Gewerbetreibende mit einem bunten, attraktiven Angebot zur Ansiedlung zu locken und die Porzer Innenstadt mit Leben zu füllen – dazu braucht es mehr. Mehr als vier Wettbüros, fünf Spielhallen und neun Dönerläden.

Diese Einsicht ist bei Politik und Verwaltung, bei Einzelhändlern, so manchem Immobilienbesitzer und nicht zuletzt bei den Porzer Bürgern längst angekommen. Weil viele der Akteure bisher aber offenbar nicht genügend miteinander geredet haben, lud die Projektkommunikation für die Bauvorhaben in Kooperation mit dem Kölner Amt für Stadtentwicklung und Statistik jetzt zu einem Austausch mit wissenschaftlicher Vertiefung.

Ideen für eine lebendige Porzer Mitte

Bei der ersten Veranstaltung zum Thema „Eine lebendige neue Mitte Porz“ hatten Akteure aus der Politik, den Bürgervereinen. Planungsgremien, und Einzelhandel Gelegenheit, aus unterschiedlichen Perspektiven einen Blick in die Zukunft zu werfen. Dem Blick müssen jedoch gut koordinierte Taten folgen, wie sich die Referenten einig waren.

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Leerstände und verkommene Fassaden verleiden Besuchern den Aufenthalt in der Fußgängerzone. 

Bezirksbürgermeister Henk van Benthem und Bezirksamtsleiter Karl-Heinz Merfeld sprachen vom Wunsch nach praktischen Ansätzen und nach Ideen, die Porz-Mitte eher weiterbringen als „vier Wettbüros, fünf Spielhallen und neun Dönerläden“, wie Merfeld sagte. Tatsächlich hat eine Befragung von Akteuren in Porz-Mitte konkrete Wünsche für die Neugestaltung ergeben, die nicht unbedingt nur mit neuen Geschäften zu tun haben.

Porzer wünschen sich Wochenmärkte und Flohmärkte

Wochenmarkt, Spielgelegenheit für Kinder, ein Angebot an Nahrungs- und Genussmitteln, Flohmärkte, Unterhaltung gehören zu den besonders oft geäußerten Wünschen. Melanie Laukemann vom Büro der Projektkommunikation, das im Auftrag des Bauträgers „Moderne Stadt“ tätig ist, erläuterte die gesammelten Wünsche von City-Nutzern und -Akteuren. Andreas Röhrig, Geschäftsführer der „Modernen Stadt“, und Brigitte Scholz, die Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, versprachen dauerhafte Begleitung im Prozess, der Porz zu neuer Blüte führen soll.

Sie machten aber ebenso wie Referent Marc Höhmann vom Amt für Stadtentwicklung deutlich, dass Verbesserungen nur im engen Miteinander gelingen. Höhmann analysierte das Porzer Einzelhandelsangebot, dessen Verkaufsflächen zwischen 2008 und 2017 von 20 100 auf knapp 12 000 Quadratmeter zurückgegangen sind, unter anderem durch die Hertie-Schließung. Ein „herber Funktionsverlust“ sei dies, so Höhmann. Demgegenüber stünden etwa 20 leere Ladenlokale in den Einkaufsstraßen – kein einladendes Bild.

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Vom Porzer Rheinufer sollte es eine attraktive Anbindung an die Innenstadt geben, damit Radfahrer nicht vorbei, sondern in die City fahren.

Doch sei es mit der Anwerbung neuer Geschäfte nicht getan. Er ermutigte die Akteure dazu, mehr angebotene Instrumente zur Beratung, Begleitung und Finanzierung besonderer Angebote zu nutzen. Höhmann verwies auf städtische Förderungstöpfe und Landesmittel für Werbekonzepte oder Veranstaltungen.

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Digitalen und Einzelhandel stärker verknüpfen

Boris Hedde, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung mit Sitz in Köln, stellte in seiner Analyse als „Markt- und Kundenversteher“ unter anderem die Notwendigkeit heraus, digitalen und stationären Handel stärker zu verknüpfen. Einen „Beratungsklau“ von Kunden, die sich in Fachgeschäften informierten, dann aber online kauften, gebe es derzeit weit weniger als noch vor Jahren.

Hedde empfahl dem Handel, mit Events und lokalen Loyalitätsprogrammen zu punkten, wie es sie in anderen Einkaufszonen schon gibt. Vor Aktionismus warnte Hedde allerdings – ehe Maßnahmen ins Blaue hinein gedacht und umgesetzt würden, müsse der Bedarf eingehend ermittelt werden.

Handel soll Jugend in den Blick nehmen

Den Wandel im Handel einer neuen Kunden-Generation anzupassen und Einkaufszonen zu auch von Gästen gestaltbaren Erlebniswelten zu machen war das Credo der Stadtplanerin Professor Silke Weidner von der TU Cottbus-Senftenberg. Nicht direkt zum Kopieren, aber als Ermutigung zu anderem Denken brachte sie City-Belebungsmodelle aus ganz Europa mit. In Siegen hat die Stadt ihr Flussufer als Erholungszone an die City angedockt und dabei die künftigen Nutzer aktiv in Planung und Gestaltung einbezogen sowie eine Sauberkeitskampagne ins Leben gerufen.

Roter Teppich vom Rhein in die Porzer City

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 Im Rathaussaal diskutierten  Wirtschaftsfachleute zur Porzer Zukunft.

Ähnliches wäre in Porz denkbar, sagte Weidner und regte eine Art „roten Teppich“ an, der Radfahrer vom Rheinufer in die Innenstadt führen könnte. Attraktive und multifunktionale Plätze nannte sie besonders wichtig und zeigte Beispiele aus Kopenhagen, wo Flächen in einem sozial problematischen Raum durch von Bewohnern erdachten Neuerungen zu Wohlfühlorten geworden seien.

Der Handel dürfe nicht der einzige Frequenzbringer für eine lebendige Innenstadt sein. Oft seien es Kleinigkeiten, die einen Ort attraktiver machten, sagte die Professorin und brachte witzige Beispiele für Sitzgelegenheiten im Freien mit WiFi- und Handyladezonen ins Spiel. Wie schon ihre Vorredner merkte Weidner an: „Es scheint hier ein Problem zu sein, dass die Akteure nicht zusammen wirken“. Das Miteinander sei aber entscheidend für den Erfolg.

„Ein bisschen Gesicht könnte Porz gut tun“, machte sie Mut dazu, an der Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Raums zu arbeiten. Barrierefreiheit, Sicherheit, ein ideenreiches Leerstandsmanagement, die Aufwertung von Fassaden und Freiflächen vor Geschäften nannte sie als Anhaltspunkte. Dass künftig ein Innenstadtmanagement eingesetzt werden soll, sei gut. Doch müssten alle an Verbesserungen interessierten Akteure sich als Kümmerer fühlen, die miteinander agieren. Weidner sagte: „Die Jungen sind die Nutzer der Innenstadt von morgen. Sie sind diejenigen, die Porz braucht – als Ideengeber und als Multiplikatoren für einen Wandel“.

Der zweite Abend des Dialogforums soll Mitte November Gelegenheit bieten, aus den Expertenanregungen und der Porzer Binnensicht praktische Handlungsansätze für Veränderungen zu entwickeln.

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