Sammlung in Schloss WahnRudolf Schock, der Schwarm von Fräulein Roelen

Lesezeit 4 Minuten
Die Stimme der Sehnsucht: Der Nachlass von Rudolf Schock in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung wurde aus mehreren Konvoluten zusammengefügt.

Die Stimme der Sehnsucht: Der Nachlass von Rudolf Schock in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung wurde aus mehreren Konvoluten zusammengefügt.

Wahn – Rudolf Schock war mehr als nur ein hoch gelobter Tenor. Der am 4. September 1915 in Duisburg-Wanheimerort geborene Sänger – das vierte von fünf Kindern eines Eisenhüttenarbeiters und einer Aufwarte- und Garderobenfrau – war ein Star der Bühne, der Schallplatte, des Films und des Fernsehens. Und jeder Star hat Fans. „Schock hatte sehr viele Fankreise, viele Verehrer, wie er zu sagen pflegte, nicht nur in Deutschland, sondern überall in der Welt“, so Gerald Köhler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Theaterwissenschaftlichen Sammlung in Schloss Wahn. In der Sammlung befindet sich ein Nachlass von Schock, bestehend aus Autogrammkarten, Werbefotos, Schallplatten, Programmheften, Kritiken und einer Vielzahl an Fotoalben, die Einblicke geben in sein Privatleben – und wie seine Verehrer mit ihm interagierten. „Der Nachlass stammt aus unterschiedlichen Herkünften, er wurde aus mehreren Konvoluten zusammengefügt“, schildert Köhler.

Einzigartige Originalfotos

Alles habe damit angefangen, dass die Sammlung fünf Fotoalben von einem weiblichen Fan, einem Fräulein Roelen, von einem Sammler bekommen habe. „Die Alben sind bestückt mit einzigartigen, zumeist aus den Fünfzigern stammenden Originalfotos von Rudolf Schock bei Auftritten, vor allem aber von seinem Tournee-Leben und seinen Urlauben, da ist Roelen wohl auch mitgefahren.“ Roelen, deren Vorname nicht bekannt ist, habe Schock sehr verehrt und sich immer in seinem Dunstkreis aufgehalten, „was er zuerst auch gestattet hat“, schildert Köhler. „In den Sechzigern muss sie ihm lästig geworden sein, denn dann bricht die Quellenlage Fräulein Roelen ab.“

Roelen sei wohl eine unverheiratete Fabrikantentochter aus Krefeld gewesen, „die ihn verfolgt hat, die geknipst hat, was die Kamera hergab, und die sich auch ein bisschen als Sekretärin aufgespielt hat“. Dass Fräulein Roelen die Urheberin der Fotoalben ist, konnte bestimmt werden anhand einer Widmung auf der Rückseite einer Postkarte von 1955. Sie lautet: „Frl. Roelen zur Erinnerung an den netten Abend im Atelier in Köln, herzlichst, Gisela Schock.“

Medial interessant an den Alben sei, dass man eine Wirkungsdimension erfahre, so Köhler. „Man sieht eben nicht Rudolf Schock auf der Bühne, in einer Rolle, sondern die Gegenseite.“ Fräulein Roelen hatte die Fans eingefangen, etwa bei Autogrammstunden. „Die Fotos zeigen, wie die unglaubliche Popularität Schocks in die Öffentlichkeit hineinwirkt, wie jemand zum Star wird und welche Kreise sich um ihn bilden, welche Verehrerclubs.“

Anlässlich Rudolf Schocks 90. Geburtstags am 4. September 2005 machte die Theaterwissenschaftliche Sammlung mit den Fotografien von Fräulein Roelen ihm zu Ehren eine Ausstellung. Köhler: „Sie war die Initialzündung dafür, dass lauter Fans und Verehrer aus aller Herren Länder zu uns nach Wahn kamen, um uns weiteres Schock-Material anzubieten.“

Darunter rund 60 Alben, die aus dem Familienbesitz von Rudolf Schock stammen, „mit Fotos, die ihn im Kreise seiner Lieben zeigen, Fotos von seinen Ski- und Wandertouren“, so Köhler. „Mal sieht man Schock ganz schick in Jeans, dann hoch zu Ross, meistens sind Weingläser im Spiel, man ist immer in geselliger Runde, bevor man dann weiterwandert. Es sind Familienalben mit Privatbildern, aber immerhin Fotos von einem der berühmtesten deutschen Tenöre des 20. Jahrhunderts.“

Vielseitiger Künstler

Im Nachlass befindet sich auch ein Album mit vom Fernseher abfotografierten Bildern: „Das macht eindeutig eine mediale Aussage“, befindet Köhler. „Es zeigt die Hilflosigkeit, den Star festhalten zu wollen. Videorekorder gab es ja noch keine.“

Das Album ist auch ein Hinweis auf Rudolf Schocks mediale Vielseitigkeit: „Schock war auch deshalb eine interessante Figur, weil er sich mehrere Karrierelinien aufgebaut hat, weil er ein Medienwanderer war“, sagt Köhler. „Zunächst wurde er großer Plattenstar, er wurde Schallplatten-Millionär und war dazu, in den Fünfzigern, noch ein Filmstar: in Heimatfilmen, in Musikfilmen. In den Sechzigern wurde er dann zunehmend zum Fernsehstar, ich kenne Schock aus Fernsehshows wie »Der blaue Bock«.“ Später habe er dann umgesattelt auf das leichte Fach, „auf Operette, Volks- und Wanderlieder. Aber in seinem Fall war es nicht schlecht, Volkes Stimme zu sein, weil er das immer in einer hohen Qualität gemacht hat – es ist eine Veredelung dessen, was man unter Unterhaltungskunst versteht.“

Gelebt hat Schock am Starnberger See, „da konnte er sich von seinen Tantiemen eine Villa kaufen“, so Köhler. Anfang der 1980er zog er nach Düren, weil seine Tochter Isolde an Krebs erkrankt war. „Er wollte am Ende bei ihr sein“, so Köhler. „Es war tragisch, dass die Tochter vor ihm gehen musste.“ Seinen Lebensabend verbrachte das Ehepaar Schock in Düren. Am 13. November 1986 starb Rudolf Schock an den Folgen eines Herzinfarkts – vier Tage nach seinem letzten Konzert. In diesem Jahr jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal. Köhler: „Da werden im September die Verehrer wieder zusammenkommen.“

KStA abonnieren