Tagung in PorzGemeinsam statt einsam

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Henning Ruff, Peter Scharfe, Yvonne Oertel, Elfi Scho-Antwerpes und Johannes Nießen beim Selbsthilfetag „Vielfältig & stark“

Ensen-Westhoven – Es war ein enorm tröstliches Gefühl für Daniela W., als sie endlich einmal Menschen traf, denen sie ihr Leid nicht erklären musste. Die selbst verspürt hatten, wie es sich anfühlt, wenn man glaubt, verrückt zu werden. Die sich ebenso wie sie selbst ausgegrenzt, verachtet, bemitleidet und wertlos fühlten, als eine psychische Erkrankung ihrem bisherigen, „normalen“ Alltag abrupt ein Ende setzte.

„Meine Selbsthilfegruppe hat mir so sehr dabei geholfen, wieder zurück in mein Leben zu finden“, sagt die einstige Psychiatrie-Patientin heute voller Dankbarkeit. Mit den ähnlich Betroffenen habe sie traurig sein dürfen – aber auch wieder zu lachen gelernt und nachhaltig erfahren, dass Gemeinsamkeit stark macht. Daniela W. sagt: „Die anderen Betroffenen haben mir gezeigt, an welchen Stellen ich mein altes Leben unbedingt ändern sollte, um nicht noch einmal in ein so tiefes Loch zu fallen“.

Alexianer Selbsthilfetag

Selbsthilfegruppen aus dem psychiatrischen Spektrum wie diejenige, die der jungen Frau im Zusammenwirken mit ärztlicher Hilfe den Weg aus der Krankheit gezeigt haben, hatten beim 1. Alexianer Selbsthilfetag „Vielfältig und stark“ ein Forum. Auf Initiative von Kathrin Volk, Mitarbeiterin der Alexianer Köln-Gesellschaft, war das Treffen in den Räumen des Dominikus-Brock-Hauses zustande gekommen. Die Selbsthilfe-Kontaktstelle im „Paritätischen Köln“ unterstützte mit ihrer großen Erfahrung den Begegnungstag, der Betroffenen und Angehörigen eine Möglichkeit zu Information und Austausch bot.

1000 Selbsthilfegruppen in Köln

„Die Kontaktstelle des Paritätischen kann Menschen mit den unterschiedlichsten gesundheitlichen Problemen oder Einschränkungen aus einer großen Vielfalt von Selbsthilfegruppen oft das richtige Angebot vermitteln“, sagt Yvonne Oertel, Leiterin der Kontaktstelle. In Köln gebe es etwa 1000 Selbsthilfegruppen. Allein 230 unterschiedliche Themen führt das Handbuch der Selbsthilfegruppen auf, das der Paritätische herausgibt. Das geht von Cluster-Kopfschmerz bis zu Hilfen für Kinder Alkoholkranker, von Glücksspielsucht bis zu Trauergruppen für Suizidhinterbliebene. In den einzelnen Stadtteilen sind Hilfen für Menschen mit relativ verbreiteten Erkrankungen oder Belastungen gut zu finden. Es gibt aber auch Unterstützungsangebote bei weniger häufigen Leiden und Nöten. In jedem Fall werden die Gruppenleiter und -mitglieder durch eigene Betroffenheit zu guten Ratgebern.

„Eine Erkrankung kommt oft sehr plötzlich. Da ist es wichtig, Patienten in den vielen Stufen des Behandlungsprozesses gute Begleitung zu bieten“, sagt Yvonne Oertel. Die Selbsthilfe-Kontaktstelle, vor mehr als 20 Jahren vom Paritätischen Wohlfahrtsverband eingerichtet, unterstützt Gruppen bei ihrer Arbeit und hilft auch dabei, Neugründungen in die Wege zu leiten.

Bedarf bei Migranten

Beim Alexianer-Selbsthilfetag machte Elfi Scho-Antwerpes, die Kreisgruppenvorsitzende des Paritätischen Köln, den hohen Wert der Selbsthilfe deutlich. „Gerade bei psychischen Erkrankungen wie Burnout oder Depression können die Gruppen Betroffene und Angehörige auffangen. Wenn diese Arbeit in den Veedeln geleistet wird, erleichtert das den Zugang“, sagte sie und lobte die stets ehrenamtliche Organisation. Einen besonderen Bedarf sieht Scho-Antwerpes für Gruppen, in denen sich auch Menschen mit Migrationshintergrund gut aufgehoben und beraten fühlen. Dabei seien nicht nur Sprachbarrieren, sondern oft genug auch kulturelle Unterschiede im Umgang mit Krankheit zu überwinden. Zum Glück wüssten Ärzte und Krankenhäuser inzwischen die Selbsthilfe-Unterstützung sehr zu schätzen, sagte die Kreisgruppenvorsitzende. „Für Ärzte und Gruppen stehen die Patienten und ihre Angehörigen im Mittelpunkt“, bestätigt Henning Ruff, designierter Chefarzt des Alexianer Krankenhauses. „Die Experten aus Erfahrung leisten eine sehr gute Arbeit“, sagte Ruff. Ein guter Austausch zwischen ärztlicher und Gruppen-Hilfe sei wünschenswert. Alexianer-Geschäftsführer Peter Scharfe zeigte sich froh, mit dem Selbsthilfetag neue Kontakte zu den Beratungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Wichtiger Pfeiler des Gesundheitswesens

Das städtische Gesundheitsamt, vertreten durch seinen neuen Leiter Johannes Nießen, sieht in der Selbsthilfe „einen der wichtigsten Pfeiler des Gesundheitswesens“. Nicht nur räumlich arbeite das Gesundheitsamt Tür an Tür mit der Selbsthilfe-Organisation. Wie die Kontaktstelle Gruppen dabei unterstütze, seriöse Hilfe zu bieten und dabei den Kontakt zur professionellen Hilfe zu stärken, sei einfach hervorragend. Die ideelle und auch finanzielle Förderung des Selbsthilfegedankens– auch durch Krankenkassen –betrachtet Nießen als „das richtige Zeichen für die Region“.

An Informationsständen konnten sich die Gäste des Selbsthilfetages austauschen und Angebote beispielsweise für essgestörte Menschen, Suchtbetroffene, junge Psychiatrieerfahrene oder von Depression Betroffene kennenlernen. Bei Präsentationen im Saal stellten sich Gruppen vor und machten deutlich, dass Selbsthilfe viele Facetten hat. Wie aus den Gruppen heraus kreative Angebote entstehen, wie Betroffene miteinander Kunst schaffen, singen oder trommeln, machte Mut.

Die Selbsthilfe-Kontaktstelle, Marsilstein 4-6, ist telefonisch montags und donnerstags von 9 bis 12 Uhr, mittwochs von 14 bis 17.30 Uhr unter Tel. 0221/ 95154216 zu erreichen. Türkischsprachige Beratung gibt es unter 0221/ 95154256. Auch online wird Menschen auf der Suche nach der passenden Selbsthilfegruppe geholfen.

www.selbsthilfekoeln.de

mailto:selbsthilfe-koeln@paritart-nrw.org

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