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Wenn der Zeh den Daumen ersetzt

Lesezeit 4 Minuten

Alfons Erdmann hat die junge Patientin wegen schwerer entzündlicher Arthrose am Handgelenk operiert.

Die Jüngsten sind gerade mal aus dem Kindergartenalter raus und werden von den Eltern zu ihm gebracht, damit ihre abstehenden Ohren korrigiert werden. Der bisher älteste Patient ist 97 Jahre alt. Hautkrebs hat seine komplette Kopfhaut befallen und den Schädelknochen freigelegt. Dr. Alfons Erdmann transplantierte dem Senior mikrochirurgisch einen neuen Haut-Weichteilmantel, „und der betagte Patient hat das prima überstanden“.

51 Jahre alt ist Erdmann, Chefarzt der „Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie“ im Eduardus-Krankenhaus in Köln-Deutz, wo er seit 2011 praktiziert. Er hat zudem eine gesonderte Ausbildung als Handchirurg. Sein Patienten-Einzugsbereich umfasst das gesamte Rheinland.

Ja, er ist auch auf dem Gebiet der ästhetischen Chirurgie tätig – mit Leidenschaft – doch häufig auch anders als reine Schönheitschirurgen. Den Unterschied erklärt Erdmann so: „Es ist das Ziel der plastischen Chirurgie, die nicht mehr intakte Oberfläche des Menschen wiederherzustellen. In der rein ästhetischen Chirurgie wird eine intakte Oberfläche behandelt, um ein bestimmtes Schönheitsideal zu erreichen.“

Zu ihm kommen auch jene, die von einer Schönheitsoperation, die sie anderweitig haben machen lassen, nicht gerade profitieren. So zum Beispiel der Patient, dem ein Höcker auf der Nase wegoperiert wurde, und der danach kaum bis gar keine Luft mehr bekam. „Eine schöne Nase, die nicht atmen kann, ist schrecklich.“ Man könne eben nicht nur den Höcker auf der Nase entfernen, sondern müsse abklären, ob der Höcker nicht Hinweis darauf ist, dass auch im Naseninnern etwas deformiert ist. „Wenn ich in so einem Fall nur den Höcker entferne, mache ich das Problem noch größer.“ Erdmann korrigierte und der Patient konnte endlich durchatmen. Von „Schönheitsproblemen“ dieser Art können jene Patienten nur träumen, die aufgrund eines Gesichtstumors entstellt sind. Hier kann durch körpereigenes Gewebe eine Rekonstruktion erzielt werden, die den Betroffenen ein normales und würdevolles Leben ermöglicht.

Auch jenem Patienten, der sich mit der Kreissäge die Finger einer Hand abgetrennt hat. Übrig blieb nur der Daumen. „Damit war die Hand nicht mehr zu gebrauchen, weil der Mann nichts greifen konnte. Dazu braucht man nun mal mindestens zwei Finger. Das Greifen macht das Besondere einer Hand aus.“

Der plastische Chirurg und Handexperte transplantierte einen Zeh des Patienten samt Sehnen und Nerven dorthin, wo einst der Mittelfinger war. Mit dem Daumen und dem „Ersatzfinger“ hatte der Patient eine Hand, die ihre Funktion erfüllen kann – fernab von jedem Schönheitsideal.

Operationen an der Hand sind kompliziert, weil die Hand kompliziert ist. Folglich sind die langen Zusatzausbildungen zum Handchirurgen durchaus sinnvoll. „Die Hand hat ein komplexes Bewegungsmuster. Wenn das durch Verschleiß oder Verletzung geschädigt ist, dann bedarf es anspruchsvoller Techniken, die man beherrschen muss.“

So auch bei dem Patienten mit einer traumatischen Nervenschädigung. Die Hand war nur noch bedingt zu bewegen, sie zu strecken unmöglich. Erdmann konnte den Schaden durch eine freie Nerventransplantation beheben.

Bei solchen und anderen Eingriffen muss er auf den Körper des Patienten als „Ersatzteillager“ zurückgreifen. Für Erdmann und Kollegen bedeutet das, immer an zwei Stellen gleichzeitig zu operieren: Dort, wo Gewebe entnommen, und dort, wo Gewebe eingesetzt wird. Das sind häufig anstrengende und komplizierte Eingriffe, die unter dem Operations-Mikroskop oder mit speziellen Lupenbrillen gemacht werden müssen.

Menschen, die erfolgreich ihr Übergewicht bekämpft, die ihre Kilos von 150 auf 80 reduziert haben, verlieren sich danach in ihrer überschüssigen Haut, die ihnen plastische Chirurgen wie Erdmann entfernen können. Das höre sich einfach an, sei es aber nicht.

Ein fettsüchtiger Patient sei ein kranker Patient, der nach Gewichtsverlust nicht nur die gesamte Körperkontur verloren habe. Ihn quälen riesige Hautlappen, die sich oftmals entzünden. Zudem sei die Haut nicht mehr elastisch und in ihrer Struktur völlig kaputt. „Wir müssen diverse Schnitte machen, manche Stellen unterfüttern und wir versuchen, soweit es geht, zu modellieren.“

Dennoch machen die Ergebnisse auch den Plastischen Chirurgen nicht immer glücklich. Letztlich gehen durch den enormen Gewichtsverlust die ursprünglich formenden Fettreserven verloren und die lassen sich kaum wiederherstellen.

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