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Reichstag von 1512„Manche führten sich auf wie die Raubritter“

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Vom Kaiser ernannt: der neue Typ des Notars (Gemälde, aus dem 16. Jahrhundert)

Der Reichstag nahm ein abruptes Ende: Seit Ostern hatten die Vertreter der Reichsstände in Trier getagt, doch Mitte Juli verdichteten sich Anzeichen, dass die Pest in der Stadt ausgebrochen sei. Kaiser Maximilian – der die Tagung schon vorher verlassen hatte, um der Statthalterin der Niederlande gegen die Franzosen beizustehen – forderte die Versammlung daraufhin auf, in die Reichsstadt Köln auszuweichen. Viele Gesandte ließen sich das nicht zweimal sagen, waren doch aus Delegationskreisen schon mehrfach Klagen über „unstandesgemäße“ Unterbringung und das schlechte Essen in der Moselmetropole geäußert worden. So tagten die Delegierten bis Ende August 1512 in Köln – und so wurde auch die erste Reichsnotariatsordnung vor genau 500 Jahren in Köln verabschiedet.

Maximilian I., der bereits 1486 zum „König der Römer“ gekrönt worden war, hatte 1493 das Zepter von seinem Vater, Kaiser Friedrich III., übernommen. Da es ihm aus verschiedenen Gründen nicht gelungen war, sich in Rom zum Kaiser krönen zu lassen, nahm er 1508 kurzerhand den Titel „Erwählter Römischer Kaiser“ an. Der im Volke überaus beliebte Habsburger, genannt „der letzte Ritter“, hat sich vor allem als Initiator einer Reichs- und Justizreform verdient gemacht – auch wenn vieles von dem, was er seit 1495 auf einer kaum überschaubaren Abfolge von Reichsversammlungen durchzusetzen versuchte, am Widerstand der Reichsstände scheiterte; die Reichsstände – das waren alle weltlichen und geistlichen Territorialherren sowie die Reichsstädte, die Sitz und Stimme auf Reichstagen hatten.

Flickenteppich von 300 Territorien

Das Heilige Römische Reich (das seit Maximilian mit dem Zusatz „deutscher Nation“ bezeichnet wurde) wurde damals aus einem Flickenteppich von annähernd 300 Territorien gebildet. Maximilian gelang es immerhin, dieses Konglomerat von Herrschaftsbereichen in Reichskreise einzuteilen, die Reichsstadt Köln gehörte fortan zum Niederrheinisch-Westfälischen Kreis – endgültig verkündet wurde diese Reform durch den „Großen Reichsabschied“ Ende 1512 in Köln. Zudem mühte sich der Kaiser, das völlig unzulängliche Finanzwesen des Reichs umzukrempeln und – angesichts der Türkengefahr – eine neue Reichskriegsordnung zu erlassen; die Umsetzung der neuen Regelungen stieß aber oft auf vielfache Widerstände.

Auf dem Gebiet des Gerichtswesens erzielte der Kaiser hingegen einen dauerhaften Erfolg – bereits 1495 war die Errichtung des Reichskammergerichts als oberster juristischer Instanz des Reichs beschlossen worden. In diesem Zusammenhang ist auch der Erlass der Reichsnotariatsordnung (RNO) zu sehen, der ersten einheitlichen Rechtsgrundlage für das Notariat im deutschen Reich. Notaren kam damals in Zeiten, in denen die große Mehrheit der Bevölkerung nicht schreiben konnte, eine weitaus größere Bedeutung zu als heute. Da praktisch alle Rechtsgeschäfte schon in schriftlicher Form dokumentiert werden mussten, waren Notare (den Berufsstand gab es in Deutschland seit Ende des 13. Jahrhunderts) vielgefragte Leute, die Rechtsakte protokollierten, Dokumente beglaubigten, aber auch als Schreiber und Gerichtsboten tätig waren. „Die Amtsausübung der Notare führte sehr oft zu Problemen, weil viele Notare auftraten, die ungeeignet für ihr Amt waren“, schreibt der Rechtshistoriker Mathias Schmoeckel; „manche Notare führten sich auf wie Raubritter.“

Betrug gehörte zum Alltag

Betrug an unwissenden Bauern und Bürgern gehörte offensichtlich zum Alltag – was die Ritter mit dem Schwert an Unrecht tun, erreichen die Schreiber mit ihrer Feder, so liest man sinngemäß in Sebastian Brandts „Narrenschiff“. Der Kölner Erzbischof Walram hatte schon 1338 eine Prüfungs- und Approbationsordnung erlassen, um diesen Missständen entgegenzutreten. „Wir wissen, dass einige von ihnen der Grammatik wie der Verträge unkundig, zudem übel beleumdet, meineidig und treulos sind“, heißt es im Erlass.

Der 28. Deutsche Notartag findet vom 29. August bis 1. September in Köln statt, Veranstalter sind die Bundesnotarkammer und die Rheinische Notarkammer. Notare aus dem gesamten Bundesgebiet diskutieren mit in- und ausländischen Gästen aus Politik, Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft über aktuelle rechtspolitische Themen. Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters empfängt die Gäste am 30. August in der Piazzetta des Historischen Rathauses.

Die Auswahl des Tagungsorts fiel bewusst auf Köln. „Hier wurde die erste Reichsnotariatsordnung von Kaiser Maximilian erlassen“, betonen die Veranstalter.

Maximilian hatte bei seiner RNO ähnliche Intentionen, ihm ging es auch darum, seine Gesetzgebungsmacht zu demonstrieren. Die Regelungen zur Amtsführung der Notare, deren Einzelheiten hier nicht widergegeben werden müssen, sollten bis zum Ende des Alten Reiches gültig sein, der Kaiser, so Schmoeckel, konnte vor allem sein Recht auf Ernennung der Notare durchsetzen.

Für Maximilian war Köln also ein gutes Pflaster, er weilte oft und gern am Rhein, schon seine Krönungsfeierlichkeiten hatten im Gürzenich stattgefunden. 1505, beim ersten Reichstag in Köln, hatte er sich vor einem Regenschauer in ein Gasthaus auf der Schildergasse gerettet – und war dann fürchterlich versackt. 1512 ging es etwas ernster zu – zumal es in der Stadt bereits bedrohlich gärte. Der Rat, so wurde von unzufriedenen Zunftgenossen verbreitet, missbrauche seine Macht, „um sich aus dem öffentlichen Gut zu bereichern“, und bringe den fleißigen Bürger um die Früchte seiner Arbeit.

Wenige Monate nach der Abreise des Kaisers kam es zu Aufläufen und Gewaltakten, zwei Bürgermeister wurden auf dem Heumarkt enthauptet – dem Platz, wo Maximilian gern Turniere ritt.