„Robolab“ im OdonienWie ein Festival dauerhaft inklusive Kunst in Köln ansiedeln will

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Vor der barrierefreien Großskulptur im Odonien: Lisette Reuter, Odo Rumpf und Nils Rottgardt.

Köln – Ein deutschlandweit einzigartiges Labor für inklusive Kultur – das will das Robolab im Odonien sein. Bereits im zweiten Jahr zeigen Projektleiter Nils Rottgardt und Künstler Odo Rumpf seit Donnerstag auf dem Gelände des Odonien Performances, Musik, Literatur, Filme und bildende Kunst von Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderung.

Wobei das Robolab nicht als Projekt verstanden werden will, wie Rottgardt erklärt: „Ein Projekt hat immer ein Anfang und ein Ende. Das hier soll vielmehr der Auftakt für etwas Langfristiges sein.“ Nach der ersten Ausgabe des Robolabs im vergangenen Jahr, bei dem es eine neue Skulptur und eine Ausstellung zu sehen gab, ist das Event in diesem Jahr als Festival angelegt. „Mal sehen, was wir danach machen – es gibt keine feste Struktur“, so Rottgardt.

Odonien soll langfristig inklusiver Ort werden

Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie durch die Stadt Köln und durch die praktischen Arbeiten wolle man erproben, wie man das Odonien in den kommenden Jahren als Ort für inklusive Kultur nutzen kann. „Wir erschließen uns gemeinsam diesen Raum, um eine offene Gesellschaft zu simulieren – denn die braucht solche Orte“, sagt Rottgardt.

Infos zum Festival

Das Robolab hat seinen Auftakt am Donnerstag, den 19. August um 21 Uhr mit einer Reihe von Kurzfilmen, die sich mit der Diversität in der Filmbranche beschäftigen und diskutieren, was Barrierefreiheit für den Film bedeutet. Am Freitag um 20.30 Uhr feiert die Performance „We don’t kehr“ ihre Premiere, der Termin ist bereits ausverkauft. Es gibt noch Tickets für die Aufführung am Montag.

Auch am Samstag wird das Stück gezeigt, außerdem findet an diesem Tag der interdisziplinäre Kulturtag statt, an dem alle anderen Aspekte des Festivals wie die Musik und Ausstellungen präsentiert werden. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. www.robolab.online

Das passe auch zur Philosophie von Künstler Odo Rumpf, der mit dem Odonien einen Platz geschaffen habe, an dem sich viele wohlfühlen und der ein diverses Publikum anspricht. „In einem Theater hätten wir das so nicht machen können, denn allein der Raum und die Institution sorgen für eine Art der Hemmschwelle“, so Produzentin Lisette Reuter von der Performing Arts Company „Un-Label“ aus Köln. Die Kompanie arbeitet mit „mixed abled“ Künstlerinnen und Künstlern – also Menschen mit und ohne Einschränkungen.

Performance über Umgang mit Menschen mit Behinderung

Gemeinsam mit dem Duo „Jane Blonde and that Stevil Kniewel“ hat Reuter die Performance „We don’t kehr“ erarbeitet, die im Rahmen des Festivals mehrmals gezeigt wird. Steven Solbrig und Jana Zöll setzen sich darin mit verschiedenen Perspektiven auf das Thema Sorgearbeit auseinander. „In Deutschland herrscht eine Art Wohlfahrtsmodell und Hilfegestus in Bezug auf Menschen mit Behinderung, anstatt Barrieren für sie abzubauen und sie wirklich am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilhaben zu lassen“, erklärt Reuter.

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Szene aus der Un-Label Performance „We don't kehr“ mit Jana Zöll und Steven Solbrig.

Jana Zöll, eine der wenigen professionell ausgebildeten Schauspielerinnen mit Behinderung in Deutschland, habe zu ihr gesagt, „dass es das erste Stück sei, das wirklich zu ihr passt. Weil sie darin nicht versuchen muss, einem normativen Körper gerecht zu werden – den sie nun mal nicht hat.“

Mittel zur Barrierefreiheit künstlerisch nutzen

Sowohl bei der Performance als auch in anderen Teilen des Festivals setze man auf eine „aesthetic of access“, sagen Reuter und Rottgardt. „Dabei geht es darum, die Mittel der Barrierefreiheit nicht nur zusätzlich zu einer Darstellung hinzuzufügen, wie zum Beispiel eine Übersetzung in Gebärdensprache oder leichte Sprache, sondern sie selbst als künstlerisches Element einzusetzen“, sagt Reuter.

In diversen Workshop-Serien haben die Teilnehmenden dazu vorher verschiedene Arbeiten entwickelt. „Eine Gruppe hat zum Beispiel einen Putzroboter gehackt, der nun über das Gelände des Odonien fährt und Höhenunterschiede markiert, die mit dem Rollstuhl nicht bewerkstelligt werden können“, berichtet Rottgardt.

Rumpf baute behindertengerechte Großskulptur

Rumpf hat bereits im vergangenen Jahr eine Skulptur rund um ein altes Schiff geschaffen, die für die Künstlerinnen und Künstler mit Einschränkung barrierefrei nutzbar ist. „Mir ist natürlich die Ästhetik wichtig, die Skulptur muss stimmig sein. Ich arbeite ausschließlich mit Fundstücken und gebrauchten Dingen, das läuft intuitiv“, so Rumpf.

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Die inklusive Skulptur rund um ein altes Schiff im Odonien bei Nacht.

„Ich habe aber darauf geachtet, dass ein bespielbarer Raum mit Bühne entsteht, der von Menschen mit Behinderung genutzt werden kann. Es gibt einen Aufzug, und der Raum ist für sie vorteilhafter gestaltet als für uns. Wir müssen uns bücken, um durch das Schiff zu gehen, mit dem Rollstuhl ist die Höhe perfekt. Außerdem gehen die Fenster bis zum Boden, für die Sicht.“ Insgesamt sei seine Art Raumstation oder Rakete entstanden, die den Aufbruch in eine neue Welt symbolisieren soll.

„Das Odonien ist der ideale Ort für uns, denn es hat natürlich auch Strahlkraft in ganz Köln“, sagt Nils Rottgardt. Bereits im letzten Jahr habe man viele Besucherinnen und Besucher angezogen, „das war ein Riesen-Erfolg“. „Wir freuen uns aber auch, wenn möglichst viele Leute kommen, die vom inklusiven Angebot profitieren.“

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