ModellbauvereinDie Segler vom Decksteiner Weiher

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Am Decksteiner Weiher lassen die Modellbauer des 25 Jahre alten Clubs ihre Yachten nach echten Segel-Regeln zur Regatta starten.

Am Decksteiner Weiher lassen die Modellbauer des 25 Jahre alten Clubs ihre Yachten nach echten Segel-Regeln zur Regatta starten.

Rodenkirchen – Während Werner Egert seine kleine Modellsegelyacht per Fernsteuerung um die Bojen auf dem Decksteiner Weiher kreisen lässt, denkt er an seinen ersten Segeltörn in Holland, wo ihm auf einem echten Boot der Wind um die Ohren blies. Einssein mit der Natur, das hat den Mülheimer begeistert: „Beim Segeln ist man nur vom Wind abhängig. Das fasziniert mich viel mehr als schnelle und laute Motoren“, sagt der 52-Jährige, der seit vier Jahren den Modellbauverein Rodenkirchen (MBR) leitet.

Nach dem Hollandurlaub vor acht Jahren kaufte er sich zum ersten Mal einen Bausatz für ein Modellsegelboot, damit er sich am Küchentisch mit seiner neu entdeckten Leidenschaft beschäftigen konnte. Zwei Wochen lang bastelte er Abend für Abend. Als er dann am Decksteiner Weiher die Männer vom MBR kennenlernte, stieg er auf die sogenannten Radiocontrol-Segelyachten (RC-Segelyachten) um, die man sich schon fertig zusammengebaut im Internet bestellen kann.

Für die gebrauchte International One Meter (IOM), mit der er heute hier ist, blätterte er 300 Euro hin, man kann aber locker auch ein paar Tausend Euro investieren. Inzwischen hat er zu seiner türkisfarbenen „241“ eine Beziehung aufgebaut, erzählt er: „Sie ist luvgierig und schießt schneller in den Wind als andere“. Er könne gut verstehen, warum man echten Segelbooten Frauennamen gibt, denn „sie sind weiblich und schön“.

Als ihm nach einer Weile ein kleines Mädchen auffällt, das sich ganz alleine zu den Männern verirrt hat, fragt er es nach seiner Mutter und bringt es in sicheren Abstand vom Ufer. Spaziergängern, die neugierig stehen bleiben um sich die leuchtend bunten Boote genauer anzuschauen, drückt er Infobroschüren über seinen Verein in die Hände, die er extra dafür entworfen hat.

Die Männer, die ihre Boote vom Ufer aus durch das olympische Dreieck lenken, sind zwischen 40 und 80 Jahre alt. „Man fängt meistens erst in den Vierzigern an, die Natur und die Ruhe zu schätzen“, sagt Egert. Die RC-Segelyachten machen keinen Lärm: Sie sind nur mit zwei kleinen Elektromotoren, Servos, ausgestattet. Diese treiben den Mast und das Ruder an. das sich auf diesem Gewässer schnell mit Wasserpflanzen vollsetzt.

Die zehn Clubmitglieder, die heute da sind, machen sich für die Regatten des Deutschen Segelvereins (DSR) fit, die in der Saison wöchentlich stattfinden. Hier treten sie in den drei Klassen IOM (ein Meter Rumpflänge), Marblehead (bis zu 1,30 m Rumpflänge) und Ten Rater (bis zu 1,70 m Rumpflänge) an.

Immer wieder lässt Herbert Midy über Lautsprecher das Startkommando ablaufen und erinnert an Regeln aus dem wahren Segelleben, die auch hier gelten. „Lee vor luv“etwa: Das Boot, dessen Segel vom Wind abgewandt sind, hat Vorfahrt vor demjenigen, dessen Segel dem Wind zugewandt sind. Schneidet einer dem anderen die Vorfahrt oder nimmt eine falsche Kurve, ärgert man sich grummelnd, sonst herrscht konzentriertes Schweigen.

Während der Saison sammeln die Hobbysegler auf den Regatten Punkte, mit denen sie sich für die deutsche und die europäische Meisterschaft qualifizieren können. Klaus-Peter Schmidt zum Beispiel, der schon mit 14 sein erstes Modellsegelboot bastelte, ist gerade auf Platz 1 der deutschen Rangliste und wird im Herbst bei der Weltmeisterschaft in Frankreich antreten.

Der IT-Systemkaufmann und Metzgermeister baut all seine Boote selbst. Dafür stellt er anhand von Spantenrissen (Konstruktionszeichnungen, die es auch für echte Boote gibt) Negativformen aus Holz her. Die Formen belegt er mit Glasfasermatten und bestreicht die Schichten mit Harz. Das rührt er in einem Vakuumrührgerät aus der Dentaltechnik an. Später klebt er die Glasfaserteile zu einem Boot zusammen. „Ich liebe einfach das Wasser. Jeder Wettkampf ist die Krönung für mich“, meint Schmidt.

Auch Herbert Midy fährt jedes Wochenende zu einer Regatta. Er ist Junggeselle aus Überzeugung – weil sich keine Frau finden würde, die sein zeitaufwendiges Hobby mitmachen würde. Allein ist er trotzdem nicht. Bei den Regatten trifft er immer wieder alte Bekannte unter den 160 im Deutschen Segelverein registrierten RC-Seglern. Sie nutzen gern die Gelegenheit, sich über das Segeln und Bootsbauen auszutauschen.

„Ich weiß, ein Außenstehender muss sich in die Technik erstmal reinfuchsen. Das ist eine ganz eigene Welt“, sagt Egert. „Doch wenn einen dieses Hobby einmal gepackt hat, kommt man so schnell nicht wieder davon los.“

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