Die Organisation Senior Expert Service (SES) mit Sitz in Bonn vermittelt Ruheständler in mehr als 170 Länder. Drei Beispiele aus dem Kölner Süden.
EntwicklungshelferVersierte Kölner Rentner im Einsatz – SES vermittelt Ruheständler als Experten weltweit

Ulrike Hartmann half beim Aufbau einer Schule im „Tal der Glücklichen“ in Marokko.
Copyright: Privat /Hartmann. Repro: Inge Swolek
Seit 1983 haben rund 14.000 Fachkräfte aus Handwerk, Industrie, Bildung und Verwaltung ihr Know-how weitergegeben – in Unternehmen, Schulen oder Entwicklungsprojekten. Honorare gibt es nicht – Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung werden übernommen. Für viele Rentnerinnen und Rentner ist ein Auslandseinsatz die perfekte Möglichkeit, aktiv zu bleiben, ihr praxisnahes Wissen weiterzugeben, Strukturen zu stärken und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

Barthel Schmitz half eine Behindertenwerkstatt barrierefrei umzubauen.
Copyright: Privat /Schmitz. Repro: Inge Swolek
Berthold Schmitz (82), Inhaber des Familienunternehmens „Zimmerei und Holzbau“ in Rodenkirchen und ehemaliger Vorsitzender des Zimmerer- und Holzbau-Verbandes Nordrhein.
„2008 verkaufte ich meine Zimmerei – aber meine ‚Festplatte‘ hatte noch Kapazitäten, die Akkus waren voll. Als ein befreundeter Architekt vom SES den Auftrag für den Bau eines Frauenhauses in Vientiane (Laos) bekam, holte er mich dazu: Alle Gebäude sollten aus Holz sein. Gemeinsam planten und bauten wir Haupthaus, Werkstätten, Schul- und Wohnpavillons für 60 Frauen – mit ungelernten lokalen Kräften, aber mit viel Herzblut und echtem Teamgeist.
Mein zweiter Einsatz führte mich nach Phnom Penh (Kambodscha), wo ich eine große Behindertenwerkstatt barrierefrei umbauen sollte. Gemeinsam mit Ortskräften schufen wir rollstuhlgerechte Zugänge, bauten Rampen, installierten Beleuchtung und Steckdosen an jedem Arbeitsplatz und statteten die Holzwerkstatt mit einer Abgasanlage gegen Holzstaub aus.
In Mandalay (Myanmar) war ich mehrere Wochen an einer buddhistischen Klosterschule mit 7000 Schülern. Dort gab es – durch deutsche Spenden errichtet – eine Schlosserei und eine Holzwerkstatt. Der visionäre Abt wollte, wie in Deutschland, eine duale Ausbildung einführen. Ich wurde hier zum Berufsschullehrer. Mit den Schülern baute ich Tische, Stühle, Regale, Holzspielzeug sowie Modelle für einfache Dach- und Hauskonstruktionen.
Bei allen meinen Einsätzen standen die Vermittlung von handwerklichem Wissen, Techniken und Projektplanung im Mittelpunkt. Nach Abschluss der Projekte reiste ich oft noch durchs Land – es war eine reiche, erfüllende Zeit.
Heute bin ich 82. Ich höre auf – das Klima in Südostasien ist inzwischen zu fordernd. Aber ich blicke dankbar zurück. Das Gefühl, Wissen weiterzugeben, war unbezahlbar, die Offenheit der Menschen berührend – ich kann es jedem nur empfehlen.“
Kölnerin berät NGOs weltweit
Manuela Kikillus (69) aus Rodenkirchen hat 14 Jahre bei UNICEF Deutschland gearbeitet. Danach war sie Geschäftsführerin mehrerer Hilfsorganisationen. Ihre Expertise liegt in Organisationsentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising.
„Als ich vor drei Jahren in Rente ging, habe ich mich beim SES registrieren lassen, um meine 30-jährige Erfahrung weiterzugeben.
Mein erster Einsatz führte mich nach Agadir (Marokko) zu einer Organisation, die sich für Frauen, ihre Rechte, Bildung und Gleichstellung engagiert. Der Verein war regional bekannt, aber der große Durchbruch und vor allem Geld für Programme und Arbeitskräfte fehlten.
Gemeinsam mit der Vorsitzenden entwickelten wir eine Strategie sowie einen Maßnahmen- und Zeitplan für die nächsten zwei Jahre. Dabei kam der Überarbeitung der Webseite besondere Bedeutung zu. Prominente sollten als Botschafter gewonnen, eine PR-Fachkraft rekrutiert werden. Das ist kein Hexenwerk, man muss nichts erfinden – aber häufig braucht es den Blick von außen, um Möglichkeiten aufzuzeigen und Vorhandenes zu optimieren.
Beeindruckt hat mich, wie offen und vertrauensvoll mir diese Menschen begegnet sind. Ich habe erlebt, dass man wirksam helfen kann, wenn man sich auf die Kultur des Gastlandes einlässt – ohne Besserwisserei.
Nicht jede SES-Anfrage passt: Einen weiteren Einsatz habe ich aus logistischen Gründen abgelehnt – zehn Stunden Flug, das ist mir einfach zu lange.“
Vielleicht geht es für Manuela Kikillus bald nach Alexandria (Ägypten) – dort wartet ein spannendes Fundraising-Projekt für eine Organisation, die sich um ältere Menschen kümmert.

Manuela Kikillius ist Rentnerin und Expertin für PR und Fundraising.
Copyright: Inge Swolek
18 Einsätze für Bildung
Ulrike Hartmann (80), Sozialpädagogin aus Bayenthal, war 18-mal für den SES im Einsatz – in Marokko, Tadschikistan, Tansania, Usbekistan und der Republik Moldau. Immer ging es darum, Vorschulen oder Schulen zu gründen, zu retten oder weiterzuentwickeln.
„Als Rentnerin reiste ich durch Indien – zurück in Köln fragte ich mich: ‚Was jetzt?‘ 2012 kam die Antwort: Der SES suchte eine pädagogische Fachkraft für Moldavien. In einem Dorf, in dem nur Großeltern mit ihren Enkeln lebten, sollte die Schule geschlossen und das Lehrpersonal entlassen werden. Ein Schulbus sollte die Kinder in die nächste Stadt bringen. Aus meiner Sicht eine gute Lösung, aber für die Lehrer ging es um die Existenz. Ich musste umdenken, mich in die Situation der bald Arbeitslosen versetzen. Gemeinsam saßen wir in dem maroden, kalten Schulgebäude. Zum Aufwärmen tranken wir einen oder auch zwei Wodka. Irgendwann kam uns die Idee, die Schule in ein Internat umzuwandeln. Es war für mich einer der spannendsten Einsätze.
In Marokko, im ‚Tal der Glücklichen‘ im Hohen Atlas half ich 2013 beim Aufbau einer Schule. Aus der Presse hatte ich erfahren, dass eine Deutsche auf 1800 Meter Höhe eine Schule für ihre und die einheimischen Kinder gründen wollte und Hilfe suchte. Die Idee, aus dem Nichts etwas aufzubauen, hat mich gereizt. Der SES stieg ein. Wir entwickelten didaktische Konzepte und Unterrichtsmaterialien. Es war schön zu sehen, wie aus einer Minischule mit zehn Kindern bald ein kleiner Campus wurde. Dieses Tal ist ein magischer Ort, die Landschaft, die Menschen, solche Erlebnisse erden mich.
2024 war ich in einer Vorschule in Usbekistan, die nach neuen Impulsen suchte. Dort führte ich das Thema Umwelt und Natur spielerisch in den Unterricht ein: Wir machten Waldspaziergänge, sammelten Müll, sprachen über Bäume und Tiere. Die Kinder waren begeistert. Jetzt ist Schluss, ich bin 80, habe zwei Söhne, eine Enkelin. Man muss wissen, wann es genug ist – aber die Neugier auf die Welt bleibt.“
Aufgezeichnet von Inge Swolek