Heinz-Günther Hunold spricht im Interview über seine Nachfolge bei den Roten Funken, die Zukunft des Karnevals und Kommunalpolitik in Köln.
Rote-Funken-Präsident Hunold„Wir als Stadtgesellschaft müssen endlich lernen, Verantwortung zu übernehmen“
Herr Hunold, Sie sind seit 23 Jahren ehrenamtlich Präsident der Roten Funken, seit 36 Jahren im Vorstand. Jetzt ist Ihre letzte Session als oberster Funk. Sie werden bei der nächsten Hauptversammlung im September 2024 nicht mehr kandidieren. Wie sind die Roten Funken aufgestellt?
Hervorragend. Wir sind in den letzten Jahren damit beschäftigt gewesen, eine Vereinsstruktur zu gebären, die nicht nur auf dem Vorstand beruht, sondern die Arbeit auf viele Schultern verteilt. Rund 180 unserer etwa 550 Mitglieder stehen jedes Jahr auf einer Helferliste, und dafür sind wir sehr dankbar. Ohne diesen ehrenamtlichen Einsatz geht es nicht. Schließlich wollen und müssen wir den Anforderungen an unsere Gesellschaft gerecht werden.
Das Durchschnittsalter der mehr als 500 Roten Funken liegt bei knapp über 60 Jahren. Sind die Stadtsoldaten zu alt?
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Jugend ist ein Vorteil, der täglich abnimmt, und das merkt man leider auch an sich selbst. Ja, die Roten Funken sind zu alt. Ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft eben. Die Frage ist: Wie erreiche ich trotz dieser Bevölkerungsstruktur die jungen Menschen? Mit welchen Themen? Es gibt einige Meinungsführer unter unseren Babyboomern, die das nicht so sehen, was mich sorgt. Denn wir müssen jetzt an die Zukunft denken.
Wenn Sie aufhören, soll es einen Generationswechsel im Vorstand geben, mehr als die Hälfte der elf Vorstandsmitglieder will aufhören. Die Mitgliederstruktur zu verjüngen wird eine Aufgabe der Neuen, und das ist nicht so einfach ...
Wenn du jedes Jahr nur zehn bis 15 neue Mitglieder aufnimmst, ist das ein langer Weg. Es dauert schon zehn Jahre, ehe die Statistik sich nach unten bewegt. Aber sie muss sich eben nach unten bewegen. Die Generationen Y und Z sind mit dem Handy groß geworden und brauchen viel schnellere Impulse. Und es ist ja nicht nur unser Problem.
Wie wird der Karneval insgesamt die Aufgabe meistern, sich zu erneuern?
Wir dürfen nicht in dieser gesellschaftlichen Selbstzufriedenheit versinken. Wir müssen uns mit der Jugend auseinandersetzen. So haben die Blauen Funken tolle neue Formate geschaffen wie „Blue/White“, einer Party unter dem Motto „Karneval meets Clubbing“ im Bootshaus. Da experimentiert man und geht ganz bewusst auf junge Leute zu. Wir tun das auch, aber da haben die Blauen die Nase vorn.
Drei mögliche Nachfolger für Spitze der Roten Funken
Was sollten Kandidaten für den neuen Vorstand mitbringen?
Erstmal eine große Lust, Dinge zu gestalten. Dann müssen sie Spaß haben und den vermitteln. Unsere Aufgabe ist, den Leuten Freude zu bereiten. Sie müssen Teamplayer sein und in der Lage, innerhalb ihrer Gruppe loyal und bei Bedarf verschwiegen zu sein. Neugierig müssen sie sein und offen für Neues. Gerade in einem Verein, der die Tradition bewahren will, muss man sich ständig die Frage stellen, wie man das in der jeweiligen Zeit „übersetzen“ kann.
Gibt es schon Bewerber für Ihre Nachfolge?
Wir können froh sein, dass es Bewerber gibt. Und nicht nur einen. Wir haben drei Namen, die genannt werden: Boris Müller, Prinz Boris I. in der vergangenen Session und Knubbelführer des III. Knubbels, Korpsadjutant Dirk Wissmann und Uli Schlüter, Vize-Präsident und Burgvogt. Die drei sind ein tolles Angebot, weil sie zusammen in der Lage sind, alle bei den Funken zu erreichen. Einer alleine wird das nicht schaffen. Das ist das Geheimnis. Das war bei uns damals nicht anders.
Du brauchst politische Allianzen, du brauchst Menschen um dich herum, die mit dir gemeinsam dieses Schiff steuern. Ohne Willi Stollenwerk und Jens Egg hätte das damals auch nicht funktioniert. Deshalb ist die Frage weniger, wer mein Nachfolger wird, sondern ob ein Team steht, das diese besondere Verantwortung übernimmt. Einer von denen wird dann Präsident. Möglicherweise wird es dann auch zwei Vize-Präsidenten geben, was ich für sehr sinnvoll hielte, um die vielfältigen Aufgaben zu schultern.
Rote-Funken-Präsident kritisiert Festkomitee
Nach dem 11.11. sprachen Anwohner des Zülpicher Viertels von „apokalyptischen Verhältnissen“, Uringestank und Müllberge zogen sich bis zum Aachener Weiher. In der bundesweiten Wahrnehmung ist das Karneval. Die Stadt als Ordnungsbehörde meint, mehr als Abdeckplatten über Rasenflächen und Absperrgitter seien nicht leistbar. „Der Karneval“ müsse Verantwortung übernehmen. Wie sehen Sie das?
Man kann das nicht trennen, wir sind Karneval. Diese Differenzierung zwischen einerseits dem ehrenamtlichen Karneval unter dem Dach des Festkomitees und dem, was sich etwa auf der Zülpicher Straße abspielt, ist in meinen Augen völliger Blödsinn. Wir verursachen eine solche Anziehungskraft, dass Menschen aus der ganzen Republik und sogar darüber hinaus nach Köln kommen. Wir erleben, dass junge Leute große Festivals wie Parookaville feiern. Und so kommen die auch nach Köln.
Wir als Stadtgesellschaft müssen endlich lernen, Verantwortung zu übernehmen, die ehrenamtlichen Karnevalisten genauso wie die hauptamtlichen Geldverdiener wie Arena oder andere Saalbetreiber. Ich habe schon mehrfach Vorschläge gemacht, um die Stadt zu unterstützen. Ob eine karnevalistische Loveparade oder Bühnen auf der Uniwiese, kostenlose Auftritte der Kölner Bands, wir müssen die jungen Leute mitnehmen. Ich kann nur hoffen, dass wir diesen blinden Fleck, bei dem jeder sagt: „Damit habe ich aber nichts zu tun“, überwinden und konzeptionell gemeinsam das Thema lösen. Wir als Rote Funken wären dabei.
Heißt das, dass der Runde Tisch Karneval gescheitert ist?
Ich war da noch nie eingeladen. Keine Ahnung, warum man die Traditionskorps, die ja mit Mensch und Masse etwas bewegen könnten, nicht einbezieht. Die Haltung des Festkomitees, da eigentlich nichts mit zu tun haben zu wollen, kann ich auch nicht verstehen. Und der Stadt fehlen die Macher. Aber wenn man bei all diesen Problemen auch noch über Landesverordnungen nachdenken muss, die das Betreten der Uniwiesen regeln, dann muss ich mich schon fragen, ob die noch alle Tassen im Schrank haben.
Hier geht es um das Ansehen der Stadt, und das ist nachhaltig gefährdet durch diese Saufaktionen. Dass etwa Büdchenbesitzer die Alkopops bis unter die Decke stapeln und Minderjährige so quasi zum Saufen verführen, kann auch nicht sein. Also: Konzepte müssen her.
Hunold lässt Frage nach OB-Kandidatur offen
Als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters hätten Sie die Möglichkeit, diese Dinge direkt zu beeinflussen. Folgt jetzt eine Polit-Karriere, wie Gerüchte in der Stadt es immer wieder beschwören?
Fast alle Gespräche, die man in Köln führt, egal in welchem Umfeld, landen bei der Frage der Unregierbarkeit dieser Stadt. Häufig wird Schelte geübt. Aber vielleicht müssen wir mal runter von unseren Zuschauerplätzen und Verantwortung übernehmen, weil sonst diese Stadt und auch das Land vor die Wand fahren. Das ist meine Motivation, über das Mitgestalten nachzudenken. Aber auch mein Konflikt. Schaun mer mal.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Festkomitee?
Zum Thema Festkomitee habe ich zwei Aspekte. Alle im Festkomitee zusammengeschlossenen Gesellschaften müssen verstehen, dass „der Feind“ nicht innerhalb der eigenen Reihen zu suchen ist. Wir dürfen nicht den Fehler machen, kleine und große Gesellschaften gegeneinander auszuspielen, denn draußen gibt es immer mehr kommerzielle Anbieter, die versuchen, das Karnevalsgeschäft zu übernehmen und so den ehrenamtlichen Karneval bedrohen.
Statt internem Kleinklein sollte unser Dachverband, der ja in erster Linie den Rosenmontagszug und das Dreigestirn organisiert, Angebote schaffen, die den Mitgliedsgesellschaften helfen. Zentrale Dienste zu Themen wie Bühnendekorationen in Sälen oder EDV-Angebote zum Ticketing vermisse ich.
Welche Rolle werden die Frauen spielen?
Eine immer wichtigere, emanzipierte Rolle. Die reinen Frauenvereine werden immer zahlreicher im Festkomitee, und auch manche Familiengesellschaft erlebt eine Renaissance. Da wird teilweise den Männervereinen gezeigt, wie man es macht. Der Karneval braucht die Frauen, er braucht sie auch im Dreigestirn. Das werden wir hoffentlich bald schon erleben. Das würde zeigen, was in dieser Stadt längst normal ist.
Der Text ist eine gekürzte Version, das komplette Interview mit Heinz-Günther Hunold ist im aktuellen Sessionsmagazin der Roten Funken „Stippeföttche“ erschienen.