RS-Virus, Grippe, PersonalnotKölner Kinderkliniken und Arztpraxen sind überlastet

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Eine Kinderärztin untersucht ein einjähriges Mädchen mit einem Stethoskop.

Auch in Köln infizieren sich aktuell viele Kinder mit dem RS-Virus. Arztpraxen und Kinderkliniken sind voll.

Sehr viele Kinder sind mit dem RS-Virus infiziert. Kölner Arztpraxen und Kinderkliniken sind im Ausnahmezustand, Krankenhäuser müssen Patienten abweisen. Die Lage ist dramatisch, wie mehrere Mediziner schildern.

Freie Betten in Kinderkliniken sind Mangelware, Notaufnahmen überlastet, Kinderarztpraxen überfüllt. „Die Situation in Kinderkliniken ist extrem angespannt. Das gilt für Köln, aber auch für das gesamte Rheinland. Alle Kliniken im Land können phasenweise keine Kinder mehr aufnehmen“, sagt Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik der Kölner Uniklinik und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Aktuell muss eine extrem hohe Zahl von Kindern mit Atemwegserkrankungen behandelt werden. Neben Corona- und Grippefällen führt vor allem das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zu schweren Erkrankungen und Krankenhauseinweisungen, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Bei RSV kann es sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe sind möglich. Zu Risikopatienten zählen Neu- und Frühgeborene sowie vorerkrankte Kinder.

Köln: Kinderklinik verschiebt geplante Operationen und Untersuchungen

Im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße etwa ist die Zahl der Patienten mit RSV „sehr hoch“, wie Kliniksprecherin Monika Funken mitteilt. „Immer wieder müssen Säuglinge und Kleinkinder auf der Intensivstation behandelt werden oder benötigen eine intensive Behandlung durch Atemunterstützung auf der Normalstation.“ Die Genesung dauere länger als in anderen Jahren.

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Das gesamte Klinik-Team unternehme alles, damit die Patienten-Versorgung gewährleistet werden kann – und „geht dabei an die absolute Belastungsgrenze“, so Funken. Dazu gehöre auch, dass die Personaluntergrenzen unterschritten werden, also mehr kranke Kinder aufgenommen werden als vorgesehen. „Geplante, nicht zwingend sofort notwendige Untersuchungen und Operationen werden abgesagt und umgeplant.“

Kölner Kinder müssen mitunter in andere Bundesländer verlegt werden

„Die Situation ist insgesamt schwierig, da die Kinderkliniken zum einen mit vielen Patienten und zum anderen mit dem allgemein bekannten Pflegekräftemangel konfrontiert sind“, erklärt Lars Welzing, Chefarzt der Kinderklinik Porz. „Teilweise wird bis zum Dürener Raum vergeblich nach einem Patientenbett gefragt.“ Immer wieder müssen Kinder weit entfernt von ihrem Wohnort verlegt werden, teilweise sogar über Bundeslandgrenzen hinweg. Für alle Beteiligten bedeutet das einen riesigen Aufwand. Kliniken müssen abtelefoniert, die Verlegung organisiert werden.

„Die Lage ändert sich täglich. Man versucht, Kinder so kurz wie möglich stationär zu behandeln. Dadurch müssen wir aber auch jeden Tag jede Klinik wieder anrufen, um ein freies Bett abzufragen“, sagt Dötsch. Es komme durchaus vor, dass für einen kleinen Patienten mehr als 20 Kliniken angefragt werden, bis ein freies Bett gefunden ist. Eltern werden auf eine harte Geduldsprobe gestellt, neben der Sorge um ihr krankes Kind müssen sie sich mitunter auf Wartezeiten von bis zu sechs oder sieben Stunden einstellen und dann weite Wege in Kauf nehmen, um ihr Kind zu besuchen.

Auch die niedergelassenen Kinderärzte stoßen aktuell an ihre Grenzen. „Die aktuelle Belastung ist enorm und heftiger als im Vorjahr“, sagt der Kölner Kinder- und Jugendarzt Marc Neukirch. Montags ist immer der am stärksten besuchte Tag in der Praxis. Rund 60 Patienten kämen durchschnittlich in die offene Infektsprechstunde. In dieser Woche waren es 125. Die meisten Notfälle macht das RS-Virus aus, gefolgt von Corona und der Grippe. Um den Ansturm zu bewältigen, verschiebt die Praxis Vorsorgen und nicht dringend nötige Impfungen. „Alle machen Überstunden. Und der Winter beginnt erst, so schnell wird es sich nicht entspannen.“

Die hohen Infektionszahlen begründen Mediziner zum einen mit der Jahreszeit und zum anderen mit Nachholeffekten der Pandemie. Das Grundproblem sei aber ein anderes: Jahrelang seien in den Kinderkliniken Betten abgebaut worden, erklärt Dötsch. Zu viele Patienten treffen also auf viel zu wenig Betten. Die können nicht belegt werden, weil schlicht das Pflegepersonal fehlt. Das mache sich dann im Winter besonders bemerkbar, wenn der Bedarf umso größer ist. „Wir müssen mehr Personal vorhalten, auch wenn es im Sommer nicht gebraucht wird, damit es einsatzbereit ist, wenn der Bedarf da ist. Das ist wie bei der Feuerwehr, die muss auch immer einsatzbereit sein.“

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