Schüsse in Köln-LongerichAngriff auf Zirkusfamilie war geplant

Ein Streifenwagen sichert die Zirkuswagen in Longerich.
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Longerich – Sie wollten nur Rast machen am Sonntag, ihren Kamelen, Lamas und Ziegen Auslauf auf der Grünfläche an der Kreuzung Neusser Straße/Militärring gönnen. Danach sollte es für den Zirkus Belmondo, einen kleinen Familienbetrieb aus Bayern, nach Hannover weitergehen. Doch gegen 22 Uhr brach plötzlich das Chaos aus: Mehrere Luxuskarossen hielten an, darin gut 30 muskulöse und teilweise bewaffnete Männer, die auf die Zirkusfamilie losstürmten. „Die sahen aus wie Leute aus dem Türsteher- und Zuhältermilieu und waren extrem aggressiv“, berichtet der Chef des Zirkus, der aus Angst seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Beleidigungen fliegen hin und her, plötzlich fallen Schüsse. Ob aus scharfen Waffen, ist noch unklar.
Es kommt zu einer wüsten Schlägerei, in deren Verlauf einer der Angreifer (54) von einem Angehörigen der Zirkusfamilie (23) mit einer Eisenstange gegen den Kopf geschlagen worden sein soll. Der Mann kommt schwer verletzt ins Krankenhaus. Wie zu erfahren war, steht er ebenso wie seine beiden Söhne (29, 30) der Rockergruppierung Hells Angels nahe.
Als kurze Zeit später die Polizei eintrifft, ist der Spuk vorbei. Die zwei Söhne des 54-Jährigen werden wegen schweren Landfriedensbruchs festgenommen, andere Schläger machen sich aus dem Staub, bevor die Beamten sie erwischen können. Einer droht der überfallenen Familie angeblich noch auf dem Rückzug: „Das wird ein Nachspiel haben.“ Die Kinder der Schaustellerfamilie, zwischen sieben und 16 Jahre alt, werden Zeugen der Auseinandersetzung. Sie erleiden einen Schock.Am Montagmorgen parken zahlreiche Sattelschlepper mit Kennzeichen aus ganz Deutschland auf der Wiese, in kleinen Gruppen stehen Männer zusammen und sprechen über den Überfall. Sie gehören zur weit verzweigten Schaustellerfamilie, sind in der Nacht aus ganz Deutschland nach Köln gekommen, zur Unterstützung. Ein Streifenwagen sichert die Szenerie. In ein paar Metern Entfernung findet eine Verkehrskontrolle statt. Die Polizeipräsenz soll die Angreifer möglicherweise davon abschrecken, nochmals wiederzukommen.
Drohanrufe vor dem Angriff
An einer der Zugmaschinen auf der Grünfläche lehnen drei Männer. Sie tragen Jogginghosen und bequeme Oberteile. „Wir sind alle schon seit Jahrzehnten als Schausteller unterwegs, aber so etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagt André, der Bruder des Belmondo-Zirkuschefs. Alle hier sind fassungslos, denn der angebliche Hintergrund des Überfalls klingt wie ein Drehbuch eines drittklassigen Mafiastreifens.
Kurz nach der Ankunft soll das Telefon des Zirkuschefs geklingelt haben. In der Leitung: Der Betreiber eines mobilen Freizeitparks aus Köln. Die angebliche Ansage: „Ihr seid bis 22 Uhr aus der Stadt verschwunden, sonst gibt es Stress.“ Der Anrufer ist in der Szene kein Unbekannter. Er führte einst selbst einen Zirkus und erschoss 1995 in Hackenbroich einen Jugendlichen. Dafür wurde er nach einem langjährigen und komplizierten Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.Der Schausteller bestreitet, etwas mit dem Überfall am Sonntagabend zu tun zu haben. Aus Ermittlerkreisen erfuhr der „Kölner Stadt-Anzeiger“ jedoch, dass er den Drohanruf vermutlich doch getätigt hat. Der Polizei stehen jetzt schwierige Ermittlungen bevor. Von mehr als drei Dutzend Personen wurden die Personalien aufgenommen. Den Tatverdächtigen muss jetzt eine Beteiligung an dem Überfall nachgewiesen werden. Auch die Frage, ob und wie die Attacke geplant wurde, gilt es nun aufzuklären.
Die betroffene Familie ist entsetzt über den Angriff: „Es kann doch nicht sein, dass sich hier einer aufführt wie der Pate von Köln“, sagt der Zirkuschef. Aus Angst will er in Zukunft trotzdem einen großen Bogen um die Stadt machen. „Das ist wirklich schade“, sagt er, „denn eigentlich haben wir hier immer gern gastiert.“