Auftakt zur FreibadsaisonSchwimmmeister in Köln händeringend gesucht

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Sollte immer den vollen Überblick haben: der Bademeister. (Symbolbild)

  • Die Sonne scheint und die Temperaturen steigen – Abkühlung suchen viele im Schwimmbad.
  • Es ist die erste Freibad-Saison, in der viele Corona-Regeln entfallen, doch dadurch gibt es ein Problem: Es fehlt nach der Pause schlicht an Personal.
  • Etwa in Essen bleiben zwei von vier Bädern geschlossen – so ist die Situation in Köln und Region.

Köln/Siegburg – Der Auftakt der ersten Freibadsaison seit 2019 ohne Corona-Einschränkungen beginnt für viele Städte in Nordrhein-Westfalen mit einer bösen Überraschung. Es fehlt schlicht an Personal, um bei den sommerlichen Temperaturen einen normalen Betrieb garantieren zu können.

Von vier Freibädern in Essen bleiben derzeit deshalb zwei geschlossen. Personalprobleme gibt es auch in Münster und Bonn. In Köln hat am Mittwoch im Lentpark und im Ossendorfbad zwar die Freibadsaison wie geplant begonnen, doch auch Achim Fischer, Marketingleiter der Köln-Bäder, spricht von einer angespannten Lage.

48 Stellen in Kölner Freibädern offen

„Das ist kein Köln-spezifisches Problem, sondern ein Branchenthema, das sich durch die Pandemie noch verschärft hat“, sagt er. Damit alle Freibäder im Sommerbetrieb uneingeschränkt öffnen können, seien 60 ausgebildete Kräfte vonnöten. „Zwölf haben wir bisher. Das reicht natürlich nicht, aber die Saison hat ja gerade erst begonnen.“

Im Oktopus-Freibad in Siegburg beginnt das Badevergnügen unter freiem Himmel am kommenden Montag. Ab dann ist das Freibad täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Betriebsleiter Rene Kienow rechnet an Hitzetagen mit 3000 bis 5000 Besuchern. Dann könnte es personell eng werden. „Der Arbeitsmarkt ist wie leergefegt“, sagt er. Vor allem gebe es zu wenig potenzielle Schwimmmeister mit dem erforderlichen Rettungsschein, weil die Ausbildung durch die DLRG wegen Corona ausgefallen sei.

Folge von Kurzarbeit und Entlassungen während Corona-Pandemie

Das Siegburger Beispiel zeigt: Die Ursachen für den Personalmangel sind vielfältig. Während der Pandemie hätten viele Schwimmbäder ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, einige seien sogar zu Entlassungen gezwungen worden.

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Das Naturfreibad im Lentpark

„Ein Teil hat sich beruflich umorientiert und kann so schnell nicht reaktiviert werden“, so Achim Fischer von den Köln-Bädern. Auch die Hochschulen als potenzieller Angebotsmarkt für Rettungsschwimmer stünden längst nicht mehr in dem Maß zur Verfügung, wie das früher der Fall war. Durch die Bachelor-Studiengänge sei der Universität sehr verschult worden. Klassisch lange Semesterferien im Sommer habe da kaum noch jemand.

Speed-Dating für Rettungskräfte in den Köln-Bädern

Die Köln-Bäder haben sich etwas Besonderes einfallen lassen, um dem Personalmangel etwas entgegenzusetzen – ein Speed-Dating mit mehreren Terminen. Nicht auf der 50-Meter-Bahn im Müngersdorfer Stadionbad, sondern in der Personalabteilung. „Wir machen jungen Menschen, die noch keinen Rettungsschein haben, aber gut schwimmen können, das Angebot einer internen Ausbildung mit einer anschließenden Prüfung, die ihnen die Rettungsfähigkeit bescheinigt“, sagt Fischer.

26 Interessenten hätten an diesem Speed-Dating teilgenommen. „Wenn nur zwei Drittel davon die Prüfung bestehen, hätten wir schon die Hälfte der 60 Jobs besetzt.“

Hoffnung auf Bademeister nach Ausbildungssaison

Noch müsse man nicht in Panik verfallen. Ende Mai gehe die Ausbildungssaison zu Ende. Er habe durchaus Hoffnung, dass sich dann auf dem Arbeitsmarkt ein paar junge Fachangestellte für den Bäderbetrieb finden ließen, die früher schlicht Bademeister hießen. Dass es immer schwieriger wird, in einer Millionenstadt wie Köln sechs Ausbildungsplätze für den Beruf des Schwimmmeisters zu besetzen, räumt Fischer ein. „In diesem Jahr haben wir bisher vier.“

Alle diese Bemühungen können die Folgen des Personalmangels vielleicht abmildern, sind aber keine Lösung für die strukturellen Probleme der Branche, in der bundesweit rund 4500 Fachkräfte fehlen. Für Karl Nowak (69), Vorsitzender des Landesverbands NRW deutscher Schwimmmeister, kommt das nicht unerwartet.

Die Kommunen seien lange Zeit auf Sparkurs gewesen und hätten die Ausbildung schleifen lassen. Zudem sei der Beruf bei jungen Menschen wegen der Schichtdienste und der Wochenendarbeit völlig unattraktiv. „Junge Menschen sind immer weniger bereit, in der Freibadsaison zu arbeiten, während andere Party machen“, sagt Nowak.

Berufsverband klagt über schlechte Bezahlung

Das größte Problem jedoch sei die schlechte Bezahlung. Bei einem Bruttoverdienst zwischen 2400 und 2600 Euro für einen Fachangestellten im Bäderbetrieb sei nahezu jeder andere Job zumindest konkurrenzfähig, wenn nicht besser bezahlt. Immer mehr Auszubildende wanderten deshalb gleich nach der Prüfung ab. „Zum Beispiel zur Feuerwehr. Da sind Rettungsschwimmer gern gesehen“, weiß Nowak.

Dabei biete der Beruf auch viel, sei sehr vielseitig. „Sie müssen nicht nur aufpassen und schwimmen können, sondern auch die Wasserqualität und die Pumpen überprüfen, unter Umständen mal eine Fliese erneuern oder ein Rohr schweißen. Das gehört alles dazu. Und natürlich auch Schwimmkurse geben. Manche Leute, die sich für den Beruf interessieren, haben einfach völlig falsche Vorstellungen. Fachangestellter für Bäderbetriebe? Die denken, das ist ein Schreibtischjob und sind nach dem Bewerbungsgespräch ganz schnell durch die Türe“, sagt Nowak. Dabei sei der Job durchaus anspruchsvoll. „Wir müssen jedes Jahr unsere Rettungsfähigkeit nachweisen, unsere Erste Hilfe-Kenntnisse auffrischen und uns im Umgang mit Chlor unterweisen lassen.“

Verdienst für Aushilfen liegt über dem Mindestlohn

Über das Thema Geld möchte man bei den Köln-Bädern nicht so gerne reden. Die Bezahlung der Saisonkräfte würde deutlich über dem Mindestlohn liegen, sagt Marketingleiter Fischer. „Und zwar über dem, der ab Oktober gelten soll.“ Derzeit liegt der Mindestlohn bei 9,82 Euro, ab Oktober soll er 12 Euro betragen.

Abwertung des Berufsstands befürchtet

Dass es bei diesen Summen schwierig ist, Fachkräfte zu bekommen, könne wohl jeder nachvollziehen, sagt Peter Harzheim. Dem Präsidenten des Bundesverbands der Schwimmmeister platzt der Kragen, wenn er sich den Abstieg seines Berufsstands vor Augen führt. Dass der Arbeitgeber, die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen, wegen des Personalmangels vor allem in der Freibadsaison seit kurzem „Personen für die Wasseraufsicht ausbildet, die nur eine kombinierte Rettungsübung absolvieren müssen und dann für die Sicherheit sorgen soll, ist eine Abwertung des gesamten Berufsstands. Wenn das Schule macht, brauchen wir gar keine Fachangestellten mehr.“

Harzheim, der nach 45 Berufsjahren zwar längst in Rente ist, aber immer noch aushilft, wenn die Not groß ist, hat dazu eine klare Meinung. „Ich habe drei Enkelkinder. Wenn das die Zukunft ist, werde ich mit denen bestimmt nicht mehr ins Schwimmbad gehen. Weil ich dann nicht sicher sein kann, dass sie da heil wieder rauskommen.“

Präsident fordert eine Ausbildungsoffensive für Deutschland

Deutschland brauche dringend eine Ausbildungsoffensive. Die kommunalen Betriebe müssten mehr Plätze anbieten, Arbeitszeiten und Bezahlung verbessern. „Jetzt gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente.“

Denn Schwimmmeister und eine funktionierende Bäder-Infrastruktur sei gerade nach der Corona-Pandemie wichtiger denn je. Zwei Jahre lang konnten nahezu keine Schwimmkurse für Kinder stattfinden. Damit Deutschland kein Land der Nichtschwimmer werde, gelte es einiges aufzuholen.

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