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SEK-EinsatzStaatsanwaltschaft fordert Bewährung nach Großmarkt-Schießerei

Lesezeit 3 Minuten

Die Windschutzscheibe des Wagens des Händlers wurde bei der Festnahme siebt.

  1. Im Prozess im die Schießerei auf dem Kölner Großmarkt soll am Dienstag (2. August) das Urteil fallen.
  2. Die Staatsanwaltschaft ist vom versuchten Tötungsvorwurf abgerückt, die Verteidiger wollen einen Strafverzicht erreichen.

Köln – Fünf Jahre nach der Schießerei auf dem Großmarkt nähert sich der Prozess seinem Ende. Am Dienstag (2. August) spricht der Vorsitzende der 21. Großen Strafkammer am Landgericht das Urteil.

Geht es nach der Staatsanwaltschaft, erhält der angeklagte Karim P. ein Jahr Gefängnis auf Bewährung. Die Verteidigung regte dagegen an, darüber nachzudenken, ob das Gericht ganz von einer Strafe absehen könnte.

Eines scheint jetzt schon festzustehen: Wegen versuchten Totschlags – darauf lautet bis heute die Anklage – wird der 56-jährige Kaufmann wohl nicht verurteilt. Das hatte bereits der Richter vor einer Weile durchblicken lassen.

Unerlaubter Waffenbesitz und versuchte Nötigung

Am Montag erkannte auch die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer keine Anhaltspunkte dafür. Sie forderte die Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes und versuchter Nötigung – P. soll einen Tag vor dem SEK-Einsatz eine ehemalige Angestellte mit einem Revolver bedroht haben in der Überzeugung, sie wisse, wo das Geld sei, das seine Ehefrau angeblich aus der Firmenkasse unterschlagen hätte.

P. war vorgeworfen worden, am 19. Juni 2011 das Feuer auf ein Spezialeinsatzkommando eröffnet zu haben, das ihn in seinem Audi R8 festnehmen wollte.

Längst steht allerdings fest, dass es nicht P. war, sondern ein SEK-Beamter, der zuerst schoss.

Glaubwürdigkeit des Beamten fraglich

Entgegen der Anklage ist inzwischen auch die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass der 56-Jährige die Polizisten nicht als solche erkennen konnte, weil sie Freizeitkleidung trugen. Er habe davon ausgehen müssen, dass er überfallen werde. Dass er in dem Moment auch geschossen hat, steht dagegen für die Anklagebehörde außer Frage – für die Verteidigung nicht.

Rechtsanwalt Gottfried Reims

Denn an der Glaubwürdigkeit des SEK-Beamten mit der Kennziffer 140, der als einziger eine Waffe in P.s Hand gesehen haben will, als der am Steuer saß, ließ Rechtsanwalt Gottfried Reims kein gutes Haar. „Man muss sich mal überlegen, wo Herr P. die letzten fünf Jahre gesessen hätte, wenn man den Aussagen von 140 geglaubt hätte – im Knast“, sagte Reims und zählte gleich mehrere Widersprüche auf, die der Elitebeamte wenige Stunden nach den Schüssen bei der Polizei zu Protokoll gegeben hatte.

Ein Videofilm des Einsatzes belegt, dass 140 falsche Aussagen gemacht hat – ob aus Absicht oder aus mangelndem Erinnerungsvermögen, das bleibt offen. Zum Zeitpunkt, als 140 seine Aussage machte, wusste er noch nicht, dass es eine Videoaufzeichnung gibt. „Den muss ja der Schlag getroffen haben, als die Verfilmung ein paar Tage später aufgetaucht ist“, sagte Reims.

„Konzeptlos, nicht koordiniert“

Der Strafverteidiger sparte nicht mit Kritik am Einsatzverlauf („Konzeptlos, nicht koordiniert“), als auch an den späteren Ermittlungen der Polizei. Auch die Staatsanwältin räumte ein, dass die Kripo zum Beispiel dringend die Glassplitter der durch Schüsse zerborstenen Autoscheibe nach Schmauchspuren hätte untersuchen müssen statt sie einfach zu entsorgen.

Außerdem habe man ihm Beweismittel – etwa das Überwachungsvideo in voller Länge – nicht zum Auswerten überlassen, kritisierte Reims das Verhalten der Staatsanwaltschaft.

Sein Anwaltskollege Markus Bündgens führte aus, wie sehr P. bis heute körperlich, seelisch und finanziell unter den Folgen des Einsatzes leide. Er regte an, daher auf eine Strafe zu verzichten. Das sieht das Strafgesetzbuch im Ausnahmefall vor.