Serie „Tierleben“Wenn die Katze auf die Couch muss

Therapiestunde für die Katze Juni bei Tierpsychologin Heike Grotegut. Auch Samtpfoten brauchen mal einen Seelenklempner.
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Köln – Auf leisen Pfoten schleicht Lolli in die Küche, schätzt mit einem kurzen Blick die Situation ein und geht zu ihrem Napf. Vier Menschen sitzen am Küchentisch. Das ist okay. Menschen stören die glücksfarbene Katze nicht. Es ist ihre Artgenossin, Juni, die sie argwöhnisch im Auge behält. Doch Juni beachtet ihre Mitbewohnerin nicht. Zu sehr ist sie damit beschäftigt, dem Federbündel hinterherzujagen, das an einer Katzen-Angel hängt.
Es ist Freitagmorgen, Therapiesitzung in einer Altbauwohnung in Kalk. Es sind die beiden Katzen, um die es heute geht. Katzenpsychologin Heike Grotegut lobt den Fortschritt: „Was wir hier sehen, ist sehr gut. Lolli traut sich sogar, Räume zu betreten, in denen Juni tobt. Sie zeigt keine Panik, keine geduckte Haltung.“
Das war nicht immer so. Dinge, die für andere Katzen selbstverständlich sind, wurden für die vier Jahre alte Lolli zur Tortur. Der Grund: Juni. Knappe acht Wochen war der Wildfang alt, als sie einzog und das ruhige Leben der erwachsenen Katze durcheinander brachte. Juni fiel Lolli an und versuchte, sie mit Gewalt aus der Reserve zu locken. Doch Lolli spielte nicht mit. Im Gegenteil – sie wurde immer ängstlicher, zog sich mehr und mehr zurück. Bis Lolli nur noch unter dem Bett saß, Tag und Nacht. „Da wussten wir, es ist Zeit zu handeln“, sagt Christina Jost, eine der beiden Besitzerinnen.
Catwalk bis unter die Decke
Ihre Freundin Carolin Schorn ergänzt: „Bevor die junge Katze zu uns kam, haben wir uns keine Gedanken darüber gemacht, dass es Schwierigkeiten geben könnte.“ Sie wandten sich an Heike Grotegut, die beiden riet, was sie vielen Kunden rät: Sich vom Bild des Katzenkalenders zu verabschieden: Kuschelnde Katzen, die in Körben aneinander zu kleben scheinen. Sie bauten auf Groteguts Vorschlag einen Catwalk an die Wand, der bis unter die Decke führt. Ganz oben findet Lolli einen Rückzugsort, hier kann sie alles beobachten, wird aber selbst nicht gesehen – Katzen lieben das. Auch wurde der Balkon katzensicher ausgebaut, damit die Tiere gemeinsam ein neues Reich erobern konnten. „Gleichzeitig mussten die Besitzerinnen an Lollis Angst arbeiten“, erklärt die Fachfrau. „In Form von Ignorieren. Füttern unterm Bett und Mitleid sind tabu. Das bestärkt das Tier nur in seiner Angst.“
Doch das ist nicht alles. Es sei ein Irrglaube, dass Wohnungskatzen sich mit sich selbst beschäftigen und der Mensch sich zurücklehnen kann. Bei Katzen, die keinen Freigang bekommen, muss man das reale Leben in der Wohnung nachahmen und die Tiere artgerecht beschäftigen, weiß die Fachfrau. Nur dann kehrt langfristig Frieden ein.
Für Juni und ihre zwei und vierbeinigen Mitbewohner gilt: Dreimal täglich wird wild gespielt, so oft wie möglich werden Denkspiele und Geschicklichkeitsaufgaben in den Alltag eingebaut. „Nur nicht nachlassen“, mahnt Grotegut – und macht sich auf den Weg zur nächsten Kundin. Dort muss sie ihr Auto mit dem Firmenlogo „Tiercouch“ um die Ecke parken. Vielen Kunden ist es peinlich, dass die Mieze auf die Couch muss.