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Sexueller MissbrauchErzbistum Köln zahlt Betroffener freiwillig 360.000 Euro

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Als Serientäter wurde der ehemalige Priester Hans Bernd Ue. (Mitte) 2022 vom Landgericht Köln zu 12 Jahren Haft verurteilt. Ue.s Pflegetochter Melanie F., eines seiner Opfer, hat jetzt vom Erzbistum eine freiwillige Leistung von 360.000 Euro in Anerkennung ihres Leids erhalten.

Als Serientäter wurde der ehemalige Priester Hans Bernd Ue. (Mitte) 2022 vom Landgericht Köln zu 12 Jahren Haft verurteilt. Ue.s Pflegetochter Melanie F., eines seiner Opfer, hat jetzt vom Erzbistum eine freiwillige Leistung von 360.000 Euro in Anerkennung ihres Leids erhalten. 

Die freiwillige Leistung von 360.000 Euro an ein Kölner Missbrauchsopfer ist die zweithöchste Summe, die im Bereich der fünf NRW-Bistümer gezahlt wurde. 

Ein Missbrauchsopfer hat vom Erzbistum Köln einen Rekordbetrag von 360.000 Euro als freiwillige Anerkennungsleistung erhalten. Nach Recherchen von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und WDR handelt es sich um die zweithöchste Summe, die im Bereich der fünf nordrhein-westfälischen Bistümer je gezahlt wurde. Nur in Münster wurde einem Opfer ein noch höherer Betrag zugesprochen.

Bei der Kölner Betroffenen handelt es um die 59 Jahre alte Melanie F., die Pflegetochter des 2022 als Serientäter zu zwölf Jahren Haft verurteilten Hans Ue. Der frühere Priester hatte F. und einen zwei Jahre älteren Jungen mit Genehmigung des damaligen Kölner Erzbischofs, Kardinal Joseph Höffner, in seine Obhut genommen hat. Vom Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre missbrauchte er die Minderjährige regelmäßig aufs Schwerste. Zweimal wurde F. von ihm schwanger.

Orientierung an Gerichtsurteilen zu Schmerzensgeld

Wie das Erzbistum und F. dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und dem WDR bestätigten, wurde ein Betrag von 290.000 Euro vor zwei Wochen an F. ausgezahlt. Weitere 70.000 Euro hatte sie bereits vor zwei Jahren in einem ersten Verfahren erhalten. Zuständig ist die „Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen“ (UKA). Diese Institution wurde 2021 von den deutschen Bischöfen eingerichtet. Sie legt auf Antrag der Betroffenen und nach einer eigenen, nicht durch die strengen Maßstäbe des staatlichen Zivilrechts normierten „Plausibilitätsprüfung“   fallbezogene freiwillige Leistungen „in Anerkennung des Leids“ fest. Nach den Vorgaben der Bischofskonferenz soll sich die UKA bei ihren freiwilligen Leistungen an den Schmerzensgeld-Urteilen deutscher Gerichte orientieren – und zwar „am oberen Rand“. Das Geld wird von dann von den jeweiligen Bistümern gezahlt.

Nachdem das Landgericht Köln dem ehemaligen Messdiener Georg Menne im Rahmen eines Zivilprozesses 2023 ein Schmerzensgeld von 300.000 Euro zuerkannt hatte, eine in dieser Höhe bis dahin nie erreichte Summe, eröffnete die UKA die Möglichkeit, bereits entschiedene Fälle im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens erneut vorzulegen. Der Fall Menne führte dazu, dass die UKA-Leistungen bundesweit nach oben gingen. Hatte bis 2023 noch kein einziger Bescheid bei über 250.000 Euro gelegen, waren es in diesem Jahr bereits vier und 2024 dann 27 Fälle mit einem Volumen von 8,6 Millionen Euro.

Bisher 76,65 Millionen an Missbrauchsopfer gezahlt

Die UKA gab auf Anfrage mit Hinweis auf Daten- und Persönlichkeitsschutz keine Auskunft über die höchsten von ihr vergebenen Summen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll es mindestens einmal einen Betrag von 500.000 Euro gegeben haben. Nachfragen von „Kölner Stadt-Anzeiger“ und WDR in den fünf NRW-Bistümern ergaben: In Münster wurden einmal 370.000 Euro gezahlt, einmal 300.000 Euro. In Essen waren es einmal 320.000 Euro, einmal 300.000 Euro. Aachen und Paderborn nannten jeweils eine Zahlung von 300.000 Euro. Das Erzbistum Köln machte über den Fall F. hinaus keine Angaben.

Die UKA weist in ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 2024 insgesamt  2531 Entscheidungen aus. Die Summe der ausgezahlten Beträge lag bei 76,65 Millionen Euro. Ohne die 31 Spitzenbeträge von mehr als 250.000 Euro und weitere 61 Leistungen von mehr als 100.000 Euro (Gesamtbetrag: 8,82 Millionen) ergibt sich im Durchschnitt ein Auszahlungsbetrag von knapp 24.000 Euro. 1482 Betroffene erhielten weniger als 20.000 Euro. Begonnen hatten die Bischöfe in den 2010er Jahren – lange vor der Einrichtung der UKA – mit einer pauschalen „Anerkennungsleistung“ von 5000 Euro.

Eine Besonderheit des Falls von Melanie F. liegt in einem parallelen Zivilprozess. In dem von ihr angestrengten Verfahren geht es um die Amtshaftung des Erzbistums Köln für die Verbrechen des 2023 aus dem Klerikerstand entlassenen Ex-Priesters Ue. Das Erzbistum Köln verneint einen Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld und hat damit vor dem Landgericht Köln Recht bekommen. Derzeit läuft vor dem Oberlandesgericht Köln die Berufungsklage.

Im Gespräch mit „Kölner Stadt-Anzeiger“ und WDR betonte F., ihr gehe es nicht um das Geld, sondern um Gerechtigkeit. „Ich halte das Urteil des Landgerichts Köln für falsch. Daran ändert die Zahlung der UKA nichts. Da die Gerichte in Deutschland die Frage der Amtshaftung unterschiedlich beurteilt haben, finde ich eine weitere Klärung wichtig.“ Schmerzensgelder sollten auch den Sinn haben, „dass sie schmerzhaft für die Institution Kirche sind“. Höhere Summen seien aber vor allem gut für die Opfer. „Bei jedem einzelnen hinterlässt der sexuelle Missbrauch tiefe Spuren fürs ganze Leben. Das müssen alle wissen, die hinter den Tätern stehen – nicht nur in der Kirche. Das betrifft auch Vereine und Privatpersonen.“