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Zehn Jahre TH Köln„KI macht es überflüssig, Wissen abzufragen“

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04.04.2019, Köln: Das zentrale Hauptgebäude der Fachhochschule Köln am Campus Deutz. Foto: Matthias Heinekamp - Gebäude, Hochschule, Technische Hochschule, TH Köln

Ausschnitt aus dem Video zum Song „Viva TH Köln“, anlässlich zum 50-jährigen Jubiläum der TH Köln im Jahr 2021. Unterstützt und komponiert wurde der Song von Henning Krautmacher und Freddie Lubitz von den „Höhnern“.

Vor zehn Jahren wurde die TH Köln umbenannt. Bei Gründung im Jahr 1971 hieß sie noch Fachhochschule. Warum das nicht mehr zeitgemäß war.

Wie kann man Leerstände in der Kölner Innenstadt sinnvoll nutzen? Können Kunst und Kultur die zentralen Einkaufsstraßen wieder attraktiver machen? Wie ist es, nicht nur über die Wegwerfgesellschaft zu reden, sondern sich auf der Mülldeponie die Berge der Verschwendung vor Augen zu führen? Wie können Regionen wie das Rheinische Revier demnächst klimaresilienter werden? An der TH Köln stellen sich Forschende und Studierende Fragen, die die Probleme der Zeit lösen sollen, praxisnah und um anwendbare Lösungen bemüht.

11.06.2024, TH-Köln-Präsidentin Prof. Sylvia Heuchemer.
 
Foto: Michael Bause

TH-Präsidentin Prof. Dr. Sylvia Heuchemer am Campus in der Südstadt

„Mit unserer anwendungsorientierten Forschung möchten wir Wissen für die Gesellschaft wirksam machen – und das nicht allein, sondern gemeinsam mit der Gesellschaft“, sagt TH-Präsidentin Sylvia Heuchemer im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ob mit Unternehmen, NGOs oder anderen Akteuren: TH-Mitglieder arbeiten häufig in Kooperationen, seit vielen Jahren immer internationaler und interdisziplinärer, also fächerübergreifend. Da passte der alte Name „Fachhochschule“ nicht mehr so gut. Dieser suggeriere die „Zuspitzung“ auf ein Fach, aber die realen Probleme erforderten laut Heuchemer Lösungsvorschläge aus verschiedenen Perspektiven.

TH Köln heißt seit zehn Jahren so

Das löste einen Prozess aus, der vor zehn Jahren, im September 2015, in der Umbenennung der Fachhochschule in Technische Hochschule (TH) Köln mündete. In der Außendarstellung versteht man sich als „University of Technology, Arts and Sciences“. Über die Namensänderung wurde ein paar Jahre lang hochschulweit debattiert. Kritische Stimmen, vor allem aus den kultur- und sozialwissenschaftlichen Fachbereichen blieben nicht aus. Ein Anlass, um zurückzublicken.

20190327, Gummersbach

Erstsemesterbegrueßung der TH Koeln, Campus Gummersbach in der Schwalbe-Arena

Seit der Umbenennung der Fachhochschule in TH Köln wird im Logo die Fächervielfalt „Technology, Arts, Sciences“ sichtbar gemacht.

„Es gab durchaus intensive und wichtige Diskussionen. In dem Ringen um den Namen haben wir uns in der Hochschulgemeinschaft die Frage gestellt, was wir mit diesem ‚Technischen‘ meinen. Wir haben dann das gemeinsame Verständnis entwickelt, dass es im Sinne von Kunstfertigkeit und Methoden, also wie man arbeitet, zu verstehen ist“, sagt Heuchemer. Soziale Innovation entstehe eben nicht nur durch neue Technologien. „Wir müssen auch unsere Denk- und Handlungsmuster verändern.“ Meilensteine gab es seit der Namensänderung einige.

Meilensteine und Herausforderungen in den letzten Jahren

Die TH Köln hat sich vergrößert, 2022 wurde etwa der Campus in Leverkusen eröffnet: Hier werden vor allem chemienahe Naturwissenschaften gelehrt. Auch die Gründung des Promotionskollegs NRW im Dezember 2020 sei ein „wirklich entscheidender Meilenstein“ gewesen, so Heuchemer. Die erste abgeschlossene Promotion kam von der TH Köln, weitere folgten. Dies macht die TH, die über kein uneingeschränktes Promotionsrecht verfügt, ein Stück weit unabhängiger von den Universitäten: Wer hier eine Doktorarbeit schreibt, braucht zusätzlich zum Doktorvater oder -mutter einen Betreuer an einer Universität. Das geht am Kolleg aber auch ohne. So können sich die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in der Forschung stärker profilieren.

Leeres Ladenlokal, darauf das Programm der TH Köln und KölnBusiness

Die TH Köln kooperierte mit der Köln-Business Wirtschaftsförderung: Wie kann man Leerstände mit Kunst beleben, und was brauchen die Einkaufsstraßen, um attraktiv zu bleiben? Das Bild zeigt ein leeres Ladenlokal in der Kölner City.

Daneben kamen Herausforderungen im letzten Jahrzehnt nicht zu kurz. Zu den größten dürfte die Corona-Pandemie gehören, die das Hochschulleben komplett umgekrempelt hat. Lernen und Prüfen auf Distanz, das Arbeiten im Home-Office. Das hat der Digitalisierung aus der Not heraus Auftrieb verschafft. „Die Pandemie war ein Katalysator für die hybride Lehre. Da konnten wir sehen, was gut und was weniger gut funktioniert. Für uns war die Frage wichtig, wie man Interaktionen zwischen den Studierenden untereinander sowie mit den Lehrenden schafft. Und wie kann man auch online prüfen und was bedeutet das für den Datenschutz? Wir haben in dieser Zeit viel gelernt. Durch KI-Tools wurde dieser Prozess weitergetrieben oder teilweise wieder auf den Kopf gestellt“, so Heuchemer.

Christian Wolf, 2018 als Professor für Automatisierungstechnik an den Campus Gummersbach berufen, ist seit dem 1. September Vizepräsident für Digitalität und Nachhaltigkeit. 

TH Köln: Umgang mit KI in der Lehre

Die Wucht, mit der KI-Tools wie Chat GPT auf die Gesellschaft eingeprasselt sind, hat Wolf positiv für seine Lehre genutzt. „Künstliche Intelligenz hat es eigentlich komplett überflüssig gemacht, online Wissen abzufragen, zum Beispiel in Form von Multiple Choice. Es geht mehr darum, selbst Lösungen zu erarbeiten und selbst nachzudenken“, so Wolf. „Daher habe ich meine Prüfungsformate umgestellt, sodass es vor allem darum geht, ob die Studierenden das Gelernte anwenden können. Künstliche Intelligenz darf und muss aber in der Lehre eine Rolle spielen. In der Vorlesung reflektieren wir zum Beispiel die Qualität von Lösungen, die eine KI vorgeschlagen hat“, so Wolf. Auch deren Grenzen werden aufgezeigt. 

Hochschulwahlversammlung der TH Köln zur Wahl des/der Vizepräsident*innen in der Bildungswerkstatt der ZH Köln. 
Im Bild Christian Wolf.

Köln
02.04.2025

Copyright: Michael Bause

Prof. Dr. Christian Wolf ist seit dem 1. September 2025 Vizepräsident für Nachhaltigkeit und Digitalität an der TH Köln.

Die hybride Lehre wird wohl bleiben. Nach der Pandemie hatte die TH Mühe, die Studierenden wieder in die Seminarräume zu locken. „Wir haben auch immer noch nicht die Präsenz an der Hochschule, die wir vor Corona hatten. Das zeigt uns Lehrenden, dass wir stärker darauf achten müssen, was den Campus wertvoll macht. Wie müssen wir die Lehre gestalten? Wie können wir den Studierenden zeigen, dass der Diskurs und das physische Miteinander wirklich etwas bringen?“, so Heuchemer. Gespräche in der Mensa und Cafeteria, die soziale Eingebundenheit: Studium sei eben mehr „als die Summe der Lehrveranstaltungen“.

Mentale Gesundheit der Studierenden spielt größere Rolle

Dafür spricht auch, dass nach der Pandemie mentale Gesundheit ein immer wichtigeres Thema geworden ist. „Wenn man sich Befragungen anschaut – und das gilt allgemein und nicht nur für die TH Köln – dann gibt es einen signifikanten Prozentsatz, der sich nicht aufgehoben und einsam fühlt und einen zunehmenden Anteil an Studierenden, der an psychischen Erkrankungen leidet.“ Die TH Köln habe darauf mit Serviceleistungen reagiert. „Wir haben unsere Beratungsstrukturen angepasst, und bieten eine wesentlich individuellere Beratung an. Studierende können sich zudem zu Mental-Health-Beauftragten ausbilden lassen. Es gibt auch Angebote im Bereich Achtsamkeit und Resilienz.“ Das werde gut nachgefragt.

Die TH könne hier vor allem auch mit ihrem projektbasierten Arbeiten punkten, so Wolf. „Wir haben festgestellt: Wenn Studierende in Projekten vor sinnstiftende Aufgaben gestellt werden, wenn sie etwas selbst gestalten und Gemeinschaft erleben können, wenn sie in Teams arbeiten, dann entwickelt sich ein unglaublicher Motivationsschub und längere Fahrten oder Schwierigkeiten mit der Präsenz spielen gar keine Rollen mehr.“


An der TH Köln sind zurzeit rund 22.000 Studierende in über 90 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die Bandbreite der Fächer ist groß: von Architektur, Design, Elektrotechnik, Maschinenbau, BWL bis hin zu Bibliothekswissenschaft, Online-Redaktion, Erneuerbare Energien, Informatik, Film und Wirtschaftsrecht. Sie ist die zweitgrößte Hochschule in Köln und die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Deutschland. 1971 wurde sie aus neun Vorgängereinrichtungen wie die Kölner Werkschulen und Höhere Wirtschaftsschule gegründet. (gam)