Zirkuspremiere in KölnFlic-Flac mahnt Anti-Clown nach „Nazi“-Beleidigung ab

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Artist Hubertus Wawra, der „Master of Hellfire“ bei der Flic-Flac-Premiere in Köln.

Artist Hubertus Wawra, der „Master of Hellfire“ bei der Flic-Flac-Premiere in Köln.

Köln – Zum Finale jubelte, kreischte und johlte das Premierenpublikum im schwarz-gelben Zirkuszelt fast wie bei einem Rockkonzert. Davor hatte ein Dutzend Motorradfahrer für den Höhepunkt des aktuellen „Höchststrafe“-Show zum 25-jährigen Bestehen des Zirkus Flic-Flac gesorgt.

Zunächst düsten bis zu acht Fahren gleichzeitig auf ihren dröhnenden und knatternden Maschinen mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern kreuz und quer durch den „Globe of Speed“ (Durchmesser: 6,50 Meter) und boten waghalsige Loopings und riskante Stunts.

Dann ließen sich vier Motocross Freestyle-Fahrer von einer Rampe am Zuschauereingang aus über die stählerne Kugel katapultieren und sorgten mit spektakulären Sprüngen - mal freihändig, mal mit Handstand auf Sitz oder Lenker, mal mit einem Rückwärts-Salto - für Aufschreie und Begeisterung bei den 1200 Zuschauern. Dafür war man zum Flic-Flac gekommen; das gibt es so in keinem anderen Zirkus zu sehen.

Gratwanderung Richtung Geschmacklosigkeit

Doch bei der Gratwanderung hin zum Spektakel rutscht die Show auch in Richtung Geschmacklosigkeit ab.

Darüber, ob der Alltag im Klingelpütz als Kulisse für eine Unterhaltungsshow in einer Gefängnis-Atmosphäre herhalten soll, mit Häftlingen in grauer Sträflings-Kleidung über weißen Feinripp-Unterhemden und einer vergitterten Zellen-Konstruktion für die Zirkus-Rockband, mag man geteilter Meinung sein.

Doch für den absoluten Tiefpunkt sorgt Artist Hubertus Wawra (40) - als „Master of Hellfire“ und eine Art Anti-Clown angekündigt – mit schlüpfrigen und sexistischen, beleidigenden und diskriminierenden Sprüchen auf unterstem Ballermann-Niveau und einer wüsten Beschimpfung des Publikums, die er mal als „Nazi-Pack“, mal als „Putin-Versteher“ bezeichnet. Mit seinem Thüringer Dialekt sollte das lustig sein, war aber völlig daneben.

Auch Aussagen wie „Wenn ich jetzt auf den Knopf meines Sprengstoffgürtels drücke, haben wir hier gleich den Dschihad“ und „Ich wollte schon immer mal einen Katholiken erschießen“ sorgten für Kopfschütteln, Ablehnung und Entsetzen bei vielen Zuschauern.

„Wawra provoziert und polarisiert. Entweder man liebt ihn, oder man hasst ihn“, versuchte Zirkussprecher Rudi Bauer die Reaktionen zu beschwichtigen. „Wir bekommen für keine unserer Künstler so viele Beschwerden wie über ihn, aber er erhält auch mit Abstand die meiste Fanpost.“

„Wird nicht mehr vorkommen“

Doch auf solche Zirkusstars kann man in Köln verzichten. Auch schon beim Flic-Flac-Gastspiel vor zwei Jahren wurde ein Pausen-Clown nach dem Reinfall bei der Premiere nach Hause geschickt und ersetzt. Auch Flic-Flac hat inzwischen reagiert und Wawra am Freitag eine Abmahnung erteilt. Bauer: „So eine Entgleisung wird nicht mehr vorkommen.“

Und wenn Wawra ankündigt, falls er bei Flic-Flac seinen Job verlieren sollte, zu Roncalli zu gehen, kann das nur ironisch gemeint sein. In einem Programm von Bernhard Paul wäre für solch einen Clown kein Platz. Beim Circus Roncalli liegt die Qualitätsmesslatte einfach viel höher.

Spektakuläre Akrobatik

Dabei bietet das rund 40-köpfige Ensemble der schrillen und lauten „Höchststrafe“-Show durchaus eine ganze Reihe artistischer Höhepunkte und Höchstleistungen – garniert mit einem bunten Licht- und Laserspektakel sowie reichlich Pyrotechnik mit Nebelschwaden und Qualm, sprühende Funken und lodernde Flammen.

Für die eher filigranen Darbietungen, die anstelle der Hau-Ruck-Akrobatik vergangen Jahre getreten sind, gab immer wieder tosenden Beifall und Szeneapplaus. Zu Recht. So für die Akrobaten der Expendables und ihrem Seilchenspringen mit einem menschlichen Seil, für Luftring-Artistin Laura Miller, die zwischenzeitlich in ein Wasserbecken eintaucht, auf dem ein Ölfilm brennt, für die rasanten Übungen eines Rollschuh-Duos und für die romantische Liebesgeschichte an den Strapaten mit Julia Galenchyk und Dmytro Turkeiev, die über Roncalli und den Cirque du Soleil zu Flic Flac gekommen sind.

Erheblich verbessert im Vergleich zum letzten Kölner Gastspiel präsentierte sich Nicolai Kuntz (23), der sowohl mit den Diabolos, als auch mit gekonnten Drehungen und Wendungen am Schwungtrapez überzeugte. „Die Übung habe ich in den vergangenen Monaten in Kanada verfeinert und trainiert.“ Und gelacht werden durfte dann auch noch. Über den gebürtigen Ungar Steve Eleky, der mal im Schottenrock, mal in Häftlingskluft gespielt unbeholfen und dilettant jonglierte und zauberte. „Mit der Nummer bin ich vor drei Jahren nach Amerika gegangen. Ich hatte mir geschworen, wenn ich es da schaffe, komme ich nie mehr zurück. Ich bin wieder da.“

Zu seinem Silberjubiläum gastiert der Zirkus Flic-Flac mit dem Programm „Höchststrafe - 25 Jahre“ noch bis zum 28. Juni auf auf dem Barmer Platz in Deutz – zwischen Eisenbahntrasse und Messegelände. Eintrittskarten kosten zwischen 19 Euro und 49 Euro.

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