Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Botanik in KölnEingeschleppte Pflanzen breiten sich explosionsartig aus

Lesezeit 4 Minuten

Der giftige Riesenbärenklau überragt Forstbezirksleiter Michael Hundt am Hitdorfer Rheinufer.

Köln – „Wupper-Orchidee“ wird diese Pflanze auch genannt – wegen ihrer aparten Blüten und weil sie sich bevorzugt an Flüssen ausbreitet. Die Bienen mögen sie. Das Bundesamt für Naturschutz dagegen gar nicht. Die eingewanderte Himalaya-Schönheit gilt als Killer. Unter der dichten, bis zu zwei Meter hohen Blütenpracht des wuchernden Drüsigen Springkrauts, wie die „Orchidee“ korrekt heißt, haben einheimische Gewächse keine Chance mehr. Ihnen wird das Licht genommen. Deshalb steht dieses Springkraut beim Bundesamt auf der schwarzen Liste gefährlicher Pflanzenarten.

Freigegeben zur Vernichtung

Jegliches Grün auf dieser Liste ist freigegeben zum Ausgraben, Abmähen, Abflämmen oder Vernichten durch heißen Wasserdampf – was immer am besten zur Bekämpfung wirkt. Alle diese Pflanzen breiten sich sehr schnell aus und verdrängen nicht nur die einheimische Flora, sondern auch Tierarten. Manche können für Menschen geradezu lebensgefährlich werden. Seit Jahren haben die Mitarbeiter der beiden Kölner Forstbezirke ein waches Auge auf diese Immigranten, bei Bedarf rufen sie auch die Kollegen vom Grünflächenamt und vom Landesstraßenbetrieb zum Einsatz auf.

Das Drüsige Springkraut

Im Schutzgebiet der Langeler Rheinaue weist Michael Hundt, Leiter des linksrheinischen Forstbezirks, bei einer Gelände-Rundfahrt nur noch auf gekappte Stengel des Drüsigen Springkrauts. Seine Mitarbeiter waren hier bereits im Einsatz. „Man muss den richtigen Zeitpunkt zum Mähen erwischen.“ Wird die Pflanze zu früh gekürzt, treibt sie wieder aus. Hat sie schon Springsamen gebildet, ist es zu spät. Die Samen können bis zu sieben Meter weit geschleudert werden. Was das bedeutet, könne am Porzer Rheinufer besichtigt werden, so Hundt. Das sei an etlichen Stellen bereits dicht vom Springkraut in Besitz genommen worden. „Da machen wir jetzt nichts und warten einfach ab, bis die Pappeln dem Gewächs das Sonnenlicht nehmen. Im Schatten wächst es nicht.“

Der Japan-Knöterich

Bis zu drei Meter hoch wird ein weiterer Lichträuber erster Klasse: der Japan-Knöterich. 1825 war er als Viehfutterpflanze nach Europa gebracht worden. Am Senfweg in Worringen steht ein undurchdringlicher Mini-Dschungel. „Der ist garantiert aus privaten Gartenabfällen entstanden, die hier unerlaubt abgekippt worden sind“, meint Hundt. Noch ließe man den Knöterich auf seinem kleinen Sonnenflecken in Ruhe, doch sobald er es schaffe, auf die andere Seite des Weges an den Waldrand zu kommen, sei mähen oder ausgraben der metertiefen Wurzeln angesagt. So habe man auch andere Bestände am Weißer Bogen im Griff. „Völlig ausrotten kann man den Knöterich nicht mehr. Man muss eben lernen, damit zu leben.“

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Was es mit dem Riesen-Bärenklau, Götterbäumen und der Goldrute auf sich hat.

Im Zaum gehalten wird auch der Riesen-Bärenklau. Imposant sieht er aus mit seinen weißen Blütendolden in drei bis vier Metern Höhe. Von Menschen ist er aber nur im kompletten Schutzanzug und mit Gesichtsmaske zu überwältigen. Sobald der Pflanzensaft mit der Haut in Berührung kommt, können sich Verbrennungen bis dritten Grades, also Blasen, bilden. „Der Saft wird jedoch erst gefährlich in Verbindung mit Licht“, sagt Hundt und rät, bei Kontakt die Hautstellen schnellstens dunkel abzudecken. Auf Kölner Gebiet im Worringer Bruch seien die kaukasischen Einwanderer bereits Anfang Juni kurz über dem Boden gekappt worden. Am rechtsrheinischen Ufer in Hitdorf stehen die Riesen dagegen noch in voller Pracht.

Götterbäume und Goldrute

Mittelstreifen von Autobahnen, Straßenränder und Straßenbaugelände werden noch von anderen, ausbreitungswütigen Kandidaten der schwarzen Liste heimgesucht, weiß Gerhard Schmidt von Landesbetrieb Straßenbau NRW. Götterbäume erobern Straßenränder, die Goldrute Baustellen und der Sommerflieder Bahngleis-Ränder. Sie würden nur durch Mähen kurzgehalten. Wenn aber das Schmalblättrige Greiskraut auf Parkplätzen zwischen Steinen aufblüht, käme auch der Gasbrenner zum Einsatz. Dieses gelbe Kraut und das ebenfalls vorkommende Jakobskreuzkraut gelten als hochgiftig bis tödlich. Pferdebesitzer suchen deshalb Weiden gezielt nach diesen Arten ab.

Die Ambrosia

Von einer Pflanze, die inzwischen in Deutschland Schrecken verbreitet, ist Köln, so Schmidts Kenntnis, noch verschont: die Ambrosia. Bereits vier bis zehn der aggressiven Pollen in einem Kubikmeter Luft können Asthma-Anfälle und verschiedene Allergien auslösen. Eine Pflanze verteilt Millionen von Pollenkörnern. Das Bundesumweltamt hat inzwischen zu einer ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen und den 27. Juni zum jährlichen Ambrosia-Tag erklärt. An diesem Tag sollen Pflanzen gemeldet oder nur mit Handschuhen selbst ausgerissen werden – bevor sie blühen. Ambrosia-Samen schafften den Sprung von Nordamerika nach Europa als Vogelfutter. Seit einer genetischen Mutation im Jahre 2000 ist der Samen frostresistent.

Immer in den Hausmüll

Verstärkung im Kampf gegen die grünen Eroberer wünscht sich Michael Hundt insbesondere von Privatleuten. Sie sollten diese Pflanzen stets zur Verbrennung in den Hausmüll geben und keine Grünabfälle in der Umwelt abladen. „Wir sprechen mit Gartenbesitzern und machen sie auf die Folgen aufmerksam.“ Ansonsten habe man die botanische Vermehrungswelle in Köln gut im Griff: „Vor ein paar Jahren haben wir noch eine ganze Woche zur Bekämpfung benötigt. Heute reichen ein bis zwei Tage.“