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Tag der Architektur 2015 in KölnKölner öffnen ihre Türen für Architekturfans

Lesezeit 4 Minuten

Eine alte Printenbäckerei in Neuehrenfeld/Försterstraße nach dem Umbau mit dem Architekten Jochen Reetz .

Köln – Nichtsahnend tritt der Besucher durch die wuchtige Eingangstür eines Altbaus in Neu-Ehrenfeld – und findet sich in einem der vielleicht schicksten privaten Hinterhöfe der Stadt wieder. Mitten im engen Hof steht ein dunkelgrauer Loft, der wie ein Tetris-Element aus dem alten Computerspiel gerade so zwischen die alten Backsteinhäuser des Viertels eingesetzt scheint. Doch was aussieht wie aus einer Design-Zeitschrift entsprungen, ist in Wahrheit gar nicht neu. „Das Gebäude ist eine alte Printen-Bäckerei, die zum Wohnraum umgestaltet wurde“, erklärt Eigentümerin Yvonne Scheumar ihren zahlreichen, interessierten Gästen am Samstagvormittag. „Mit den alten Backsteinen haben wir den Hinterhof und die Mauern neu gepflastert.“ Dutzende fremde Menschen schlendern bewundernd durch ihr Heim.

Es ist Tag der Architektur. In ganz Nordrhein-Westfalen sind rund 375 neue und modernisierte architektonische Bauwerke zu besichtigen. Darunter sind nicht nur Privathäuser, sondern auch städtische Plätze und Gebäude, Praxisräume, Gaststätten und Wohnungsbauprojekte. Sämtliche Besichtigungen sind kostenlos, der Rahmen ist betont locker. Offen stehende Türen sollen für Architektur begeistern und modernen Städtebau verständlich machen, so die Idee der Architektenkammer NRW, die mit dem Tag der Architektur in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen feiert.

Von Hinterhof-Loft bis zum Pfarrzentrum

Caro Wysocki und ihr Mann Manfred Gruner nehmen dieses Angebot schon seit Jahren war und bestaunen den puristisch ausgebauten Hinterhof-Loft in Neuehrenfeld. „Für uns ist dieser Tag wie Urlaub“, sagt Architektur-Fan Wysocki. „Es ist so inspirierend durch außergewöhnliche Räume zu gehen - regelrecht erholsam. Wir kommen immer extra aus dem Ruhrgebiet nach Köln, denn hier in der Großstadt finden wir die Projekte am interessantesten.“ Das Paar baut in der Freizeit selbst Möbel und bewohnt in Recklinghausen das einzige Bauhaus der Stadt.

Weniger exklusiv und durchgestylt geht es einige Kilometer weiter im Norden, in Bickendorf zu. Architekt Kaspar Kraemer stellt höchstpersönlich das neue Pfarrzentrum St. Rochus vor. Der Neubau ist groß, aber nicht mächtig, er wirkt einladend und freundlich, die Türen stehen weit offen. „Genau so soll es sein“, erklärt Architekt Kraemer bei einer Führung den wenigen Besuchern. „Bescheidenheit und der unprätentiöse und einladende Charakter sind bei einem Gebäude, das Menschen als Treffpunkt in der Gemeinde dient viel wichtiger als Schnörkel und Tam-Tam.“

U-Bahn Haltestelle am Bonner Wall gut besucht

Die Besucher, die das neue Pfarrzentrum gegenüber der Rochuskirche besichtigen wollen, sind weniger Architekturbegeisterte, als vielmehr Anwohner, die neugierig sind, wie das Pfarrzentrum denn nun geworden ist. Der große Platz davor wird von der Veedels-Bevölkerung schon mal angenommen, weiß Edmund Schiefer zu berichten: „Bei schönem Wetter sitzen viele Leute auf den Stufen zum Pfarrhaus, auch nach der Messe bleiben die Menschen hier stehen und unterhalten sich noch“, erzählt er. Seine Frau Helga ist in Ossendorf geboren und im Norden verwurzelt. „Im alten Pfarrzentrum haben wir unseren Polterabend gefeiert. Ich verbinde viel mit diesem Ort und natürlich möchte ich jetzt wissen, wie er aussieht, so brandneu“, sagt sie. Und die Besucher erhalten einen exklusiven Einblick in die Mietwohnungen, die ziemlich experimentell als Obergeschoss auf den Kindergarten draufgesetzt wurden. „Ziemlich hochpreisig“, murmeln sich die Nachbarn hinter vorgehaltener Hand zu, wandern aber doch durch die hellen Räume und wollen alles ganz genau wissen.

Mietpreise sind bei einem anderen Objekt im Süden der Stadt heute keine Thema. Die neue U-Bahn Haltestelle am Bonner Wall ist am Nachmittag gut besucht. Erstmals wird sie vor der Inbetriebnahme der Öffentlichkeit präsentiert. Auch hier ist die Architektin selbst vor Ort und steht Rede und Antwort. „2002 habe ich das Projekt Bonner Wall übernommen“, erzählt Architektin Sabina Hauers. „13 Jahre später ist es fertig. Das hat seine Gründe. Die Liste derer, die am Bau mitgewirkt haben, war 25 Seiten lang. Mit jedem einzelnen habe ich jede Idee abgestimmt und durchgesprochen.“ Sie erzählt, wie sie die Böden der Haltestelle auf die Probe gestellt hat: Mit zertretenem Lippenstift, heißem Kaffee und scharfkantigen Gegenständen hat sie ihn malträtiert, bevor sie sich nach langem Hin und Her entschieden hat. Wie viel Arbeit im Endergebnis zu ihren Füßen steckt, nehmen die Besucher vielleicht gar nicht wahr. Aber bestaunt wird die großzügige Gestaltung der Halle und die Technik, die im Obergeschoss durch ellipsenförmige Streckmetall-Gitter sichtbar ist. Schöneres Warten in der U-Bahn eben.