Kölner KellerEine Zeitreise in die Geschichte der Kölner Neustadt

Der Keller der Familie Josuweck: Die Verglasung der Erinnerungsstätte entstand aus Resten der Fenster von St. Aposteln.
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Köln – „Wir waren immer eine kunst- und geschichtsliebende Kölner Sammlerfamilie“, sagt Michael Josuweck (85). Das wird nirgendwo deutlicher als im Keller des Hauses Palmstraße 36, in dem der ehemalige Verwaltungsleiter des Amtes für Stadtentwässerung eine Erinnerungsstätte geschaffen hat, in der sich die Stadtgeschichte mit der Familiengeschichte und seiner eigenen Sichtweise zu einer Einheit verbinden.
Basaltgestein aus der mittelalterlichen Stadtmauer, gründerzeitliche Architektur, viele Erinnerungsstücke von Kölner Kirchen und Josuwecks Erzählungen faszinieren bei den gelegentlichen Führungen die Besucher.
Bausubstanz aus der alten Stadtmauer
Für den rührigen Beamten war das Haus in der Kölner Neustadt immer das Haus seiner Familie. Tatsächlich wurde es aber schon 1883 von dem Kölner Bauunternehmer Heinrich Bodenheim errichtet.
Zwei Jahre zuvor hatte man die mittelalterliche Stadtmauer niedergelegt und den alten Wallgraben verfüllt, um Bauland zu gewinnen. Mitten auf diesem Graben wurde das neue Haus gebaut, wobei man sich der großen Basaltquader aus der alten Stadtbefestigung bediente, um einen soliden Keller zu errichten. So erhielt der damals hochmodern wirkende Neubau mit Kutschendurchfahrt und einer Remise im Hinterhof einen fast „mittelalterlichen“ Keller.
1902 zogen Josuwecks Großeltern mit ihren Kindern, darunter Michaels Vater Wilhelm, in das Haus ein. Der Großvater war Dekorateur- und Polsterermeister, richtete eine Werkstatt im Hof ein und stattete das repräsentative Haus mit vielen Möbeln und Kunstgegenständen aus, die er zum Teil in Zahlung für seine Arbeit nahm. In dieser Umgebung bürgerlichen Wohlstands wuchs Enkel Michael auf.
Den gekälkten Keller mit den Fenstern zur Straße nahm er damals als ganz normalen Vorratsraum wahr. „Was war da drin?“, fragt er rhetorisch und antwortet selbst: „Klütten, Kartoffeln und ein großer Keramiktopf mit eingelegten Bohnen, abgedeckt mit einem Handtuch, einem Brett darüber und einem Stein darauf.“ Die Grundausstattung einer Kölner Familie in den dreißiger Jahren.
Bunker im Zweiten Weltkrieg
Als er 15 war, bot der Keller dem späteren Pfarrjugendführer von St. Aposteln Zuflucht vor den Bomben der Alliierten. Die flachen Ziegelstein-Tonnengewölbe des Kellers wurden verstärkt und eine Stahltüre eingebaut – fertig war der Bunker. Während der Luftangriffe versammelten sich bis zu zwölf Personen auf engstem Raum und lauschten auf das Inferno der oben explodierenden Bomben. „Das hat gerappelt, dass der Putz von der Decke fiel“, erinnert sich Josuweck.
Als eines der wenigen Wohngebäude der Innenstadt blieb das Haus in der Palmstraße fast unbeschädigt. Immer wieder gelang es, die englischen Sechskant-Stabbrandbomben, die auf dem Speicher einschlugen, mit Sand zu löschen. Nur die obere Ecke des Hauses wurde stärker beschädigt. Dieses Glück hatte man im Nachbarhaus nicht. Es wurde voll getroffen. „Die Bewohner krochen zu uns rüber durch das Loch“ – einen Mauerdurchbruch, wie er damals die Keller der Häuser untereinander verband, damit es im Notfall ein Entkommen aus dem brennenden oder eingestürzten Gebäude gab.
Mit Bedauern beobachtete die Familie nach dem Krieg, wie beim Wiederaufbau viele nur leicht beschädigte Gebäude der Innenstadt der Abrissbirne zum Opfer fielen. Während die Josuwecks ihrem eigenen Haus wieder Glanz verliehen, wurden repräsentative Bauten wie die alte Oper am Rudolfplatz oder das Hohenstaufenbad abgerissen, obwohl dies ihrer Meinung nach nicht notwendig gewesen wäre.
Fenster aus Scheiben von St. Aposteln
1978 machte sich Michael Josuweck daran, die Erinnerungsstücke seiner Familie im Keller zu versammeln. Dazu gehörten viele steinerne Zeugnisse wie Bestandteile der Zwerggalerie an St. Aposteln und Basen von St. Maria im Kapitol – architektonische Bruchstücke, die in den Nachkriegsjahren von Josuweck sichergestellt oder ihm von den Pfarrern der Kirchen überlassen worden waren.
In zweijähriger Arbeit wurde der Keller von seinen Verschlägen befreit und die Ziegelmauern des 19. Jahrhunderts freigelegt. Dabei wurde jeder Stein einzeln gereinigt und die Gewölbesteine mit Farbe nachgemalt. Die Kellerfenster erhielten erstmals eine Verglasung, die aus den Scherben der böhmischen Fenster von St. Aposteln entstand.
Allmählich kamen immer mehr Sammlerstücke hinzu – hier eine Fiale, die der Dombaumeister zur Verfügung stellte, dort ein Fragment, das die Stadtkonservatorin der Familie überließ – bis der Keller zu jener Erinnerungsstätte wurde, die er heute darstellt. Hier zelebriert Josuweck heute mit liebenswürdigem Charme eine Zeitreise in die Geschichte der Kölner Neustadt aus der Sicht einer mit dem Ort verwachsenen Handwerkerfamilie.
Auch dafür, dass dies Wissen nicht verloren geht, hat er gesorgt. Enkelin Leonie, gerade 16 Jahre alt, hat von ihrem Großvater gelernt und wird bald als Führerin durch den Keller in die Fußstapfen ihres Großvaters treten, genau wie zwei Söhne: Die fünfte Generation tritt das Familienerbe an.