Spurensuche in KölnAls in Köln-Lindenthal heiße Öfen gebaut wurden

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Die Maschinenhalle der Metallwerke im Jahr 1930.

Die Maschinenhalle der Metallwerke im Jahr 1930.

Köln – Die Dezember-Sonne taucht Lindenthal in mildes Licht, während Horst Nordmann an einer Backsteinmauer nahe der Mommsenstraße eine düstere Geschichte erzählt.

Zur Zeit der Nationalsozialisten seien hier mehrere Zwangsarbeiter umgebracht worden. Ob sie erschossen wurden oder erhängt, sei nicht überliefert, doch verantwortlich dafür soll ein Unternehmer namens Friedrich Rolf gewesen sein. „Ein übler Zeitgenosse“, sagt Horst Nordmann.

Nordmann beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Geschichte der „Köln-Lindenthaler Metallwerke“, die einst Fahrräder und Motorräder produzierten und ein ebenso glänzender wie finsterer Teil der Kölner Wirtschaftsgeschichte sind.

Nordmann hat ein Buch über die Kölner Zweiradgeschichte geschrieben, mehrere historische Motorräder aus Kölner Fabrikation gehören zur Sammlung des 55-Jährigen.

Komentenhafter Aufstieg

Übrig geblieben sind vom einst größten Arbeitgeber des westlichen Köln nur Mauerreste, die heute vor allem auf dem Gelände der Heliosschule und der Grundschule Mommsenstraße stehen. Außerdem gibt es noch das alte Verwaltungsgebäude an der Neuenhöfer Allee. Der Rest: in den 1960er und 1970er Jahren abgebrochen und vergessen.

Der kometenhafte Aufstieg der Metallwerke begann Ende des 19. Jahrhunderts. 1893 hatte der „Hochrad-Rekordfahrer“ Georg Sorge den zweiten Platz beim Langstreckenrennen Wien–Berlin belegt. Es war ein Triumph für ihn und das neumodische Fahrrad, dessen Hauptkonkurrent als Fortbewegungsmittel damals das Pferd war.

Nach seinem großen Erfolg konnte sich Sorge, der an der Freiligrathstraße unter dem Namen Allright Fahrräder herstellte, vor Aufträgen kaum retten. Die Kölner waren radsportverrückt, an jedem Wochenende strömten sie zu den Rennen in Riehl oder im Stadtwald.

Im Januar 1899 zog Sorge an die Neuenhöfer Allee um, wo in seinen „Köln-Lindenthaler Metallwerken“ zeitweilig mehr als 700 Mitarbeiter beschäftigt waren. Dass die „KLM“ immer größer wurden, war auch der Karriere des Motorrads zu verdanken.

„Es war eine Pionierfirma in Sachen Motorradbau“, sagt Nordmann. Ab 1909 kam aus Lindenthal sogar das schnellste Serien-Motorrad der Welt – mit immerhin sieben PS. Um seine Expansion zu finanzieren, holte sich Sorge den ebenfalls radsportbegeisterten Düsseldorfer Bankier Adolf Hanau ins Boot.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Als in der Fabrik ein düsteres Kapitel kölner Wirtschaftsgeschichte geschrieben wurde.

Umbr

Mit der Nazi-Diktatur begann das düstere Kapitel der Lindenthaler Werke. Hanau war Jude und wurde 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Den Werksangehörigen wurde mitgeteilt, dass die Asche des an „Herzversagen“ verstorbenen Hanau aus „rassehygienischen Gründen“ nicht überführt werden könne.

Zwangsarbeiter ermordet

Das Sagen an der Neuenhöfer Allee hatte mittlerweile der einstige Maschinenmeister Conrad Brüsselbach, aber vor allem dessen Schwiegersohn Friedrich Rolf, der laut Nordmann einen „nationalsozialistischen Musterbetrieb“ führte. Georg Sorge hatte sich bereits Jahre zuvor zurückgezogen, er war nur noch stiller Teilhaber.

Unter Rolfs Regime wurde das Bankhaus Hanau, dem die Immobilien gehörten, enteignet. Zum Ende des Krieges ließ Rolf die Zwangsarbeiter umbringen – offenbar, weil sie nicht richtig gearbeitet hatten. Einige Mitarbeiter bewiesen trotz dieser Schreckensherrschaft Mut: Sie versteckten die jüngste Tochter von Adolf Hanau vor den Nazis und verhalfen ihr zur Flucht nach Südamerika.

Nach dem Krieg erstritt sich Hanaus Tochter die Immobilien zurück, Friedrich Rolf unterdessen gab die Lindenthaler Produktion auf und zog nach Hürth um, wo er noch bis in die 1960er Jahre Allright-Räder baute.

Das einzig erhalten gebliebene Werksgebäude ist die alte Verwaltung an der Neuenhöfer Allee 92. Lange Zeit prangte an der Fassade der Schriftzug der Klettenberger Cito-Fahrradwerke, die in den 1920er Jahren von den Lindenthalern übernommen worden waren.

Seit 2002 ist Hans-Jörg Hellwig Eigentümer des Gebäudes aus der Jahrhundertwende. Dass es zu den Metallwerken gehörte, war dem Architekten bereits bekannt. Dass es das Verwaltungsgebäude war, hat er aber erst vor wenigen Tagen von Horst Nordmann erfahren.

„Es ist schön, wenn man in einem Haus wohnt, in dem Geschichte spürbar wird“, sagt Hellwig. Mit Horst Nordmann will der 53-Jährige weiter im Gespräch bleiben. Auch, um die dunklen Seiten der Werksgeschichte besser nachvollziehen zu können.

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