Tod von Kölner Kurt BraunAngeklagter wird stark überwacht – „Kann nichts garantieren“

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Clemens K. Kölner Gericht

Der 60-jährige Angeklagte Clemens K. sitzt neben seiner Verteidigerin Harriet Krüger im Landgericht auf der Anklagebank

  • Im Dezember vergangenen Jahres wollte Kurt Braun, Angestellter der Stadtkämmerei, eine offene Geldforderung bei einem Mieter an der Straße Auf der Schildwache eintreiben.
  • Kaum hatten er und seine Kollegin geklingelt, wurde die Wohnungstür aufgerissen und der 47-Jährige mit einem Messer angegriffen. Er wurde schwer verletzt, starb noch am Unfallort.
  • Am siebten Verhandlungstag hat ein LVR-Mitarbeiter den großen Aufwand beschrieben, mit dem Clemens K. in der Klinik untergebracht wird.

Köln – Selbst hinter verschlossenen Türen hält Clemens K. die Behörden auf Trab. Der Mann, der im Dezember 2019 den städtischen Mitarbeiter Kurt Braun erstach, ist seitdem in der Essener LVR-Klink untergebracht – und gilt dort als hochgefährlich. Für die Klinik ist er ein so herausragendes Risiko, dass die Ärzte zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen angeordnet haben. Die Zustimmung für die verschärften Maßnahmen muss bei der vorgesetzten Behörde jede Woche aufs Neue eingeholt werden, so ist es gesetzlich vorgeschrieben.

„Ein Novum“, beschrieb ein LVR-Mitarbeiter im Zeugenstand am siebten Verhandlungstag vor Gericht den Fall des Patienten K.: „Dass ein Patient derart überwacht und kontrolliert werden muss, ist bei uns in neun Jahren nicht ein einziges Mal vorgekommen“.

Den Grund für die Überwachung machten die Ärzte bei Clemens K. nicht nur an seiner Vorgeschichte, sondern auch an Patientengesprächen fest. K. habe stets erklärt, sich bei möglichen Lockerungen nicht im Griff zu haben. „Ich kann für nichts garantieren“, signalisierte er mögliche weitere Gewaltattacken. In der Klinik lebt K. „vollkommen isoliert“, hat lediglich einmal am Tag für eine Stunde Hofgang: „Nur mit Fuß- und Handfesseln, in Begleitung von drei Pflegern“, berichtete der Rechtspsychologe, denn: „es werden sonst weitere Übergriffe befürchtet. Das Risiko, ihn in die Gemeinschaft zu integrieren, ist einfach zu groß“.

Betreuer wollte nicht mehr für Clemens K. verantwortlich sein

Dass Clemens K. eine Gefahr für seine Mitmenschen bedeutet, hatte einer seiner früheren Betreuer bereits 2003 an das Betreuungsgericht schriftlich formuliert: Nachdem der Sozialarbeiter von K. mit Steinen beworfen wurde und einen Faustschlag ins Gesicht erhielt, bat er um seine Entpflichtung aus dem Betreuungsverhältnis, nannte K. „betreuungsunfähig“, bezeichnete ihn als gefährliches Risiko für jeden Betreuer, der um Leib und Leben fürchten muss“.

Hier lesen Sie mehr: Angeklagter Clemens K. widerspricht Kölner Rechtsmediziner

Das Betreuungsgericht hatte daraufhin einen Nachfolger benannt und in den vergangenen zwanzig Jahren dreimal einen psychiatrischen Gutachter lediglich mit der Frage beauftragt, inwieweit eine Betreuung weiterhin erforderlich sei. Die Frage nach der Gefährlichkeit war dabei kein Thema. Es ging dabei lediglich darum, inwieweit K. in der Lage sei, seine Finanzen, seine behördlichen Dinge und seinen Lebensunterhalt alleine geregelt zu bekommen.

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Der Kölner Facharzt für Psychiatrie und Psychologie, Herbert Holzschneider (72), hatte Clemens K. 1999 erstmals im Auftrag des Gesundheitsamtes untersucht und eine „blande (harmlose) Psychose“ diagnostiziert, die Erkrankung sei damals „weniger akut“ gewesen. K. habe „halluziniert, verwahrlost gewirkt und schmutzige Kleidung getragen“, notierte Holzschneider bei der polizeilichen Vorführung und ordnete erstmals eine gesetzliche Betreuung an. In den folgenden zwanzig Jahren hatte der Gutachter seinen Patienten noch zweimal auf gerichtliche Anordnung exploriert. „Sein Wahnsystem hatte sich verfestigt, das aggressive Verhalten nahm zu.“ Ausdrücklich vermerkte der Sachverständige in seiner Expertise die Notwendigkeit „eines sehr erfahrenen Berufsbetreuers“.

Gesundheitsamt-Mitarbeitern schützt sich mit Mappe vor Clemens K.

Als Clemens K. im März 2019 im Beisein des Gutachters auf die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes eingestochen hatte und die Frau nur dank ihrer Geistesgegenwart ihr Leben verdankt, als sie ihre Mappe vors Gesicht hielt, hatte Holzschneider ihn aufgrund akuter Fremdgefährdung zwangsweise in die Klinik eingewiesen. Knapp zwei Wochen später hatte K. noch in der Klinik einen weiteren, ebenfalls lebensbedrohlichen Angriff auf eine Krankenschwester verübt – nur weil er mit einem stumpfen und keinem spitzen Messer zustach, hatte die Frau weniger schwere Verletzungen davon getragen. Trotzdem war K. Anfang April in Freiheit entlassen worden: als „krankheits- und behandlungsunseinsichtig“. Er weigerte sich nach einer kurzzeitigen Zwangsmedikation weiter Medikamente zu nehmen.

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Sechs Monate später hatte er nach dem gleichen Modus operandi und mit der selben Begründung, sich „bedroht und verfolgt zu fühlen“, Kurt Braun erstochen – „aus Notwehr“, wie er auch im Gerichtssaal nicht müde wird, zu wiederholen. Nach Einschätzung der erfahrenen Gerichtsgutachterin Konstanze Jankowski erfolgte die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit. K. lebe seit Jahrzehnten nach dem Motto „Alle wollen mir was“, fühle sich „bedroht,verfolgt, belästigt, verkannt, in Gefahr“.

Der Sachverständigen gegenüber habe er sich als „gründlichen Menschen, der Spaß am Leben hat“ vorgestellt. K. sei ein „außerordentlich vitaler Mann mit präzisem, wachem Denkvermögen“, der an „wahnhafter Fehlinterpretation der Realität leide und dabei unberechenbar sei“. Die Sachverständige ist sich sicher: „Es besteht außerordentlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass K. auch in Zukunft fremdagressiv auf Menschen zugeht und gravierende Gewalttaten begeht“. Eine Aussicht auf Besserung, selbst mit Medikation, schließt sie aus: „Der wahnhafte Prozess hat sich so verfestigt, dass Medikamente keinen Fortschritt mehr bringen.“ Am Dienstag sind die Schlussvorträge von Staatsanwalt und Verteidigung vorgesehen.

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