Abo

Torsten Burmester im Interview„Dass ich ein Macher bin, muss ich noch beweisen“

7 min
Kölns Oberbürgermeister Torsten Burmester im Gespräch beim „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Kölns Oberbürgermeister Torsten Burmester im Gespräch beim „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Kölns Oberbürgermeister spricht über die ersten vier Wochen im Amt, mögliche Konstellationen im Stadtrat, die schwierige Haushaltslage und seine Wünsche für die nächsten Jahre.

Herr Burmester, Sie sind jetzt seit knapp 30 Tagen im Amt. Ist der Job so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben, oder gibt es Dinge, von denen Sie überrascht sind?

Am 6. November, am Tag meiner Vereidigung, mit dem Schlagen der Friedensglocke, da kam eine ganz besondere Schwere in dieses Amt. Da habe ich nochmal gemerkt, dass ich eine große Verantwortung übernommen habe. Das ist anders als bei meinen bisherigen beruflichen Stationen. Da ging die Arbeit einfach los.

Sie hatten angekündigt, viel mit dem Bus aus Bayenthal zum Rathaus fahren zu wollen. Klappt das?

Am Ende meines ersten Tages haben die Kollegen mir auf dem Weg nach Hause so einen riesigen Aktenkoffer mitgegeben. Da hatten die alles reingepackt an Akten, was ich abends noch lesen sollte. Ich habe gedacht: Damit kannst du doch nicht Bus fahren. Das mit dem Koffer habe ich jetzt abgestellt. Wir nehmen jetzt eine Jute-Tasche und da kommt nicht mehr so viel rein.

Also fahren Sie Bus?

Ja, mein Ziel ist mindestens einmal pro Woche mit dem Bus zu fahren. Ich möchte Köln ein Oberbürgermeister sein, der ein Stück weit zum Anfassen ist.

Sie haben sich im Wahlkampf als Macher mit Herz beschrieben…

… Herz haben Sie ja gesehen jetzt, Macher muss ich noch beweisen.

Aber wie viel Macher können Sie sein, bei so schwierigen Verhältnissen, wie sie im Stadtrat gerade herrschen?

Ein Macher zu sein, hat ja etwas mit der Grundeinstellung zu tun. Sie wollen etwas verändern, und das hängt natürlich auch immer von den Rahmenbedingungen ab. Deswegen wird die Erwartung, die manche vielleicht haben, dass hier der Deus ex machina kommt und dann sind alle Probleme gelöst, nicht erfüllt werden. Sie müssen an den Problemen dranbleiben, Sie müssen sie aussprechen. Das ist das, was ich im Wahlkampf gemacht habe. Dann müssen Sie zeigen, dass Sie sich engagiert kümmern. Und das werde ich in den nächsten Wochen tun.

Zum Beispiel wie?

Beim Thema Sauberkeit und Sicherheit etwa durch gezielte Aktionen an einem bestimmten Tag. Wie beim Blitzermarathon. Ich habe noch keinen Namen dafür, aber ich möchte mit dem kommunalen Ordnungsdienst einen Tag gestalten, an dem wir zum Beispiel die Menschen ansprechen, die achtlos ihre Kippe wegwerfen. Wir müssen die Menschen sensibilisieren und klarstellen, dass so etwas verboten ist und laut Stadtordnung eine Strafe fällig wird.

Sie sind auch angetreten, um diesen Riesenbetrieb Stadtverwaltung auf Vordermann zu bringen. Wie kann das gelingen?

Ich möchte die 24.000 Menschen, die in dieser Stadtverwaltung arbeiten ermutigen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen, dass sie von ihrem Ermessenspielraum im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Gebrauch machen. Ich werde in die Ämter gehen und über die Situation vor Ort sprechen, es soll sich herumsprechen, dass der Oberbürgermeister sich kümmert.

Wird es eine Art Gremium geben, das sich mit möglichen Änderungen beschäftigt?

Ich habe ja von vornherein gesagt, dass ich keine groß angelegte Verwaltungsreform machen werde. Wenn sie erstmal jeden Stein wieder umdrehen und Organigramme wälzen, legen sie den Laden für zwei Jahre lahm. Da ist es besser, einige Stellschrauben zu drehen und zu gucken, wo Zuständigkeiten zusammengeführt werden können. Im Bereich Bauen etwa haben wir fünf Dezernate, die zuständig sind und sich ständig abstimmen müssen. Das führt dazu, dass sehr viel an Elan, sehr viel an Zeit liegen bleibt.

Im nächsten Jahr enden die Amtszeiten von Baudezernent Markus Greitemann und Stadtdirektorin Andrea Blome. Tut sich da eine Möglichkeit zum Zusammenlegen auf? Man könnte das Baudezernat wieder mit dem Stadtentwicklungsdezernat zusammenlegen, oder?

Ziel muss sein, ein Dezernat einsparen zu können. Aber: Ich kann Zuständigkeiten verlagern und habe gewisse organisatorische Möglichkeiten, so steht es in der Gemeindeordnung. Im Fall einer Zusammenlegung von Dezernaten brauche ich jedoch eine Zustimmung des Stadtrates, der die Dezernenten wählt.

Ihr eigenes Team haben Sie relativ geräuschlos und schnell zusammengestellt. Aber die Spitzenpositionen sind nur mit Männern besetzt, gibt es keine Frauen…

… natürlich gibt es Frauen. Im Dezernat OB sind 67 Prozent Frauen tätig.

Aber die Top-Positionen in ihrem direkten Umfeld sind nicht mit Frauen besetzt.

Zwei von vier Amtsleitungen in meinem Dezernat sind mit Frauen besetzt. Ich will aber künftig auch dafür sorgen, dass mein näheres Umfeld diverser wird.

Sie hatten unter anderem in einem Gastbeitrag im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt, dass es kein klassisches Bündnis geben, für den Haushalt und Personalfragen aber ein Verantwortungsbündnis brauchen wird. Mit der Ankündigung der Grünen, nicht mit der CDU zusammenarbeiten zu wollen, ist Ihre Wunschkonstellation der drei großen Parteien geplatzt. Empfinden Sie das als Niederlage?

Nein, ich nehme das zur Kenntnis. Und ich werbe weiterhin für ein Verantwortungsbündnis, wenn nicht in einem Haushalts- und Personalbündnis, dann aber in der täglichen Politik.

Es wäre auch noch möglich, dass die SPD ein Bündnis mit den Grünen und Volt eingeht, die Gespräche laufen. Was halten Sie davon?

Dieses Bündnis würde auf wackeligen Füßen stehen mit nur einer Stimme Mehrheit. Ich bin nicht sicher, ob wir damit etwas gewinnen. Aber ich weiß, dass wir etwas verlieren werden, weil wir damit automatisch andere Fraktionen ausschließen. Ich möchte aber ja möglichst viele Fraktionen in die Entscheidungen einbinden. Das gebietet aus meiner Sicht der Wählerwille. Im Übrigen nehme ich aus den dutzenden Gesprächen mit den unterschiedlichsten Fraktionen, wie zum Beispiel mit Volt, viele Anregungen und Ideen mit und kann mir vorstellen, dass wir davon auch einzelne ausprobieren werden. Auch das ist ohne ein festes Bündnis möglich. Ich dränge allerdings darauf, bald Klarheit zu haben.

Wie wichtig ist es Ihnen, weiterhin auch die Möglichkeit von Absprachen mit der CDU zu haben – da deren Wähler ja zu Ihrem Sieg in der Stichwahl beigetragen haben?

Ihre Amtszeit begann damit, dass Sie eine Haushaltssperre verhängt haben.

Die Haushaltssperre hatte ich mit der Stadtkämmerin Dörte Diemert schon davor besprochen. Ich habe gesagt, wenn wir das machen, dann müssen wir das direkt am Anfang machen. Ich hätte nicht eine Woche oder zwei Wochen nach der Amtseinführung aus dem Nichts eine Haushaltssperre verkünden können. Deshalb ist das bewusst am ersten Arbeitstag passiert, weil es mir wichtig war, direkt am Anfang mit ehrlichen Karten zu spielen.

Hätte die Haushaltssperre schon früher kommen müssen?

Ich trage seit dem 1. November Verantwortung und kann daher auch nur die aktuelle Situation bewerten. Und die war so, dass wir schnell handeln mussten.

Was ist trotz der Haushaltssperre bis zum Jahresende weiterhin möglich?

Beförderungen und Neueinstellungen sind weiterhin möglich. Ich wollte nicht das Signal senden, dass das Sparen auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen stattfindet. Für alle anderen Fälle gibt es eine Clearingstelle bei der Kämmerin, die prüft, ob eine Ausgabe unbedingt notwendig ist, um Strukturen in Köln zu sichern. Was zum Beispiel nicht genehmigt wird, ist die Anschaffung neuer Computerbildschirme. Und ich habe das Treffen der ehemaligen Beigeordneten abgesagt. Das hat eine Ersparnis von ein paar tausend Euro gebracht. Wenn du das alles kumulierst, wirst du im Endeffekt auf einen guten zweistelligen Millionenbetrag kommen, den du sparst.

Werden Sie die Haushaltssperre verlängern müssen?

Wir haben gesagt, dass diese Haushaltssperre bis zum 31. Dezember gilt. Frau Diemert und ich werden uns die Zahlen Mitte Dezember noch einmal anschauen und dann entscheiden. Eine Haushaltssperre direkt zu Beginn eines Jahres zu erlassen, halte ich für schwierig. Es gibt noch andere Möglichkeiten einer konsequenten Haushaltsbewirtschaftung, aber das wird alles diskutiert auf Basis der Zahlen, die dann vorliegen. Die größte Herausforderung ist das Thema Doppelhaushalt 2027/2028. Ich hoffe darauf, dass wir durch das Jahr 2026 gut durchkommen.

Was bedeutet die schwierige Haushaltslage für Ihre Pläne? Was können Sie überhaupt noch umsetzen?

Vieles, das von politischer Bedeutung ist.

Das aber kein Geld kostet.

Nein, auch vieles, das Geld kostet. Wir müssen zum Beispiel Initiativen ergreifen, was das Thema Bauen angeht. Wir sind alle dafür eingetreten, das Bauen in dieser Stadt zu erleichtern und günstiger zu machen. Und das soll darüber funktionieren, die Standards herunterzusetzen, um das Bauen billiger zu machen. Ich werde dazu bereits Ende des Jahres und Anfang kommenden Jahres Vorlagen in den Rat einbringen.

Wird es Steuerhöhungen geben?

Wir müssen auch die Einnahmesituation diskutieren. Du kannst nicht nur über die Ausgabensituation sprechen, das muss ausgewogen gestaltet werden und dann musst du in der Tat mit den Fraktionen überlegen, ob es entsprechende Veränderungen auf der Einnahmen-Seite geben kann.

Eine höhere Grundsteuer und eine höhere Gewerbesteuer wären die einzigen beiden Hebel, die Sie haben.

Ich habe gesagt, wir werden über die Situation bei den Einnahmen und Ausgaben sprechen müssen – ergebnisoffen.

Auf Seiten der Ausgaben gibt es den Plan, dass die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) ihren Verlust reduzieren müssen, damit die Rhein-Energie im Stadtwerke-Konzern nicht mehr so hohe Summen ausgleichen muss.

Der ÖPNW muss attraktiver werden und gleichzeitig ist deutlich geworden, dass innerhalb des Stadtwerkekonzerns finanzielle Ausgleichsmöglichkeiten nicht in beliebiger Höhe verfügbar sind. Das ist ohne Frage eine herausfordernde Situation und daher ist es gut, dass wir uns auf der Grundlage von Überlegungen seitens des Stadtwerkekonzerns dazu nun intensiv Gedanken machen und Lösungen finden.

Wie geht es mit der Drogenszene am Neumarkt weiter?

Wir haben jetzt eine gemeinsame Zielvorstellung für ein neues Suchthilfezentrum. Die Standortfrage ist natürlich sensibel, daher muss das gut vorbereitet werden. Eine Interimslösung wäre innerhalb von Monaten realisierbar. Und das muss auch zeitnah geschehen, weil wir den Neumarkt und die Anwohner dort entlasten, aber den suchtkranken Menschen gleichzeitig ein Hilfsangebot machen müssen. Im Übrigen kann uns keiner mehr vorhalten, dass aufwändige Vergabeverfahren einer schnellen Lösung im Wege stehen, denn ab dem 1. Januar 2026 sind dieser Verfahren deutlicher einfacher. Wir können Dienstleistungen bis etwa 200.000 Euro und Bauleistungen sogar bis fünf Millionen Euro ohne Ausschreibung vergeben.

Was möchten Sie schaffen in Ihrer Zeit als Oberbürgermeister? Wie soll Köln am Ende Ihrer Amtszeit sein?

Ich will einfach, dass die Menschen wieder das Gefühl haben, in dieser Stadt kümmern sich Politik und Stadtverwaltung auch um die Interessen der Menschen, die bisher nicht so stark gehört worden sind. Ich möchte, dass wir daran arbeiten, diese Stadt attraktiv, wirtschaftlich stabil, resilient zu machen, damit die Menschen hier gerne wohnen.