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Trauer, die unter die Haut geht

Lesezeit 3 Minuten

Bickendorf – Der Tod eines geliebten Menschen muss verkraftet werden. Trauerarbeit hat unterschiedlichste Ausdrucksformen. Autorin Katrin Hartig und Fotografin Stefanie Oeft-Geffarth haben Menschen besucht, die ihre Trauer und das Gedächtnis an die Verstorbenen mit Hilfe von Tätowierungen zum Ausdruck bringen.

Erinnerung an die Tochter

Der Tod eines geliebten Menschen muss verkraftet werden. Trauerarbeit hat unterschiedlichste Ausdrucksformen. Autorin Katrin Hartig und Fotografin Stefanie Oeft-Geffarth haben Menschen besucht, die ihre Trauer und das Gedächtnis an die Verstorbenen mit Hilfe von Tätowierungen zum Ausdruck bringen.

Die Ausstellung zu diesem im Zeitraum mehrerer Jahre realisierten Fotoprojekt ist noch bis zum 19. Oktober im Ahlbach-Forum, Venloer Straße 685, zu sehen. Katrin Hartig ist Trauerbegleiterin und zweite Vorsitzende des Vereins Verwaister Eltern. „Menschen, die sich für ein Trauer-Tattoo entscheiden, sind keine Ausnahme“, stellte sie schon zu Beginn ihres Projekts fest. Mehr als 150 Menschen meldeten sich nach ihrem Aufruf bei ihr. Fotografin Stefanie Oeft-Geffarth bezeichnet ihre Bilder als „dienend“ und „beschreibend“. Die Art und Weise, in der sie die Menschen und ihre Tätowierungen ablichtete, stellt einen gelungenen Spagat dar zwischen der zwangsläufigen Nähe und einer notwendigen Distanz.

Die Texte von Katrin Hartig sind Protokolle oder behutsam geführte Interviews. Die unverblümte Sprache, mit der die Trägerinnen und Träger der Tattoos Beweggründe schildern oder die Wahl des Tattoo-Motivs erläutern, wirken im Zusammenspiel mit der würde- und stilvollen Präsentation der Ausstellung. Deutlich wird vor allem: Die Motive unter der Haut bilden eine Brücke zwischen den Gefühlen im Innersten der Träger und der Außenwelt. „Mir tut es gut, wenn Menschen nachfragen, denn ich rede gern und offen darüber, was mich bewegt“, sagte eine der Porträtierten. Die Last der Gedanken komme so aus dem Körper heraus. Stefanie Weinen, die als Besucherin kam, hat sich vor zweieinhalb Jahren ein Tattoo stechen lassen im Gedenken an ihre verstorbene Tochter.

Das Motiv trägt sie am linken Handgelenk. Eine bewusst gewählte Stelle. „So kann ich es immer sehen und denken, was bleibt, ist die Liebe als immerwährender Pulsschlag“, sagt die 55-Jährige.

Das Kuratorium Deutsche Bestattungskultur unterstützt die Ausstellung. Vorsitzender Oliver Wirthmann räumte zwar ein, dass für ihn selbst eine Tätowierung wohl niemals in Frage komme. Dem Trauer-Tattoo gestand er jedoch dieselbe Berechtigung zu wie dem Tragen eines Amuletts mit einer Haarlocke oder dem täglichen Gang zum Friedhof als Ausdruck von Trauer. Davon gebe es schließlich so viele, wie es Menschen gibt. Gesellschaftlicher Wandel zeige sich auch in den Veränderungen innerhalb der Erinnerungs- und der Bestattungskultur.

Den Trends in der Branche steht Bestattungsunternehmerin Anni Ahlbach stets offen gegenüber: „Ich war die erste mit einer eigenen Trauerhalle und ich habe das erste Kolumbarium, eine Urnen-Begräbnisstätte, in Köln eröffnet.“ Auch sie glaubt nicht, dass sie über eine Tätowierung für sich nachdenken würde. „Die Ausstellung hat aber auch mir selbst nach gut einem halben Jahrhundert in der Branche noch einiges klar werden lassen“, sagt die 70-Jährige.