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U3-BetreuungKein Platz für Winterkinder in den Kölner Kitas

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Kleinkinder in der Kita : Die meisten Eltern ziehen diese Art der Betreuung einer Tagesmutter vor. Doch es gibt nicht genug Plätze.

Köln – Dass sie zu spät dran gewesen wären, kann ihnen keiner vorwerfen. Als Ida-Charlotte drei Tage alt war und noch auf der Geburtsstation im Krankenhaus lag, hat ihr Vater sie bereits in mehreren Kölner Kindergärten angemeldet. Mittlerweile ist Ida elf Monate alt, sie krabbelt blitzschnell über das Parkett in der Ehrenfelder Wohnung. Sie ist ein quirliges Baby und lacht gerne. Ihre Bauklötze liebt sie, am besten gefällt ihr der gebogene, orangefarbene Stein.

In 19 Kindertagesstätten und Elterninitiativen stand sie auf der Liste – ohne Erfolg. Die Jagd um die Kitaplätze in Köln ist anstrengend und nervenaufreibend, das wissen alle Betroffenen. Bei Ida-Charlotte kam die Lösung erst vor ein paar Tagen: Eine befreundete Mutter war bei einer Tagesmutter in Nippes abgesprungen, Ida-Charlotte kann den Platz haben und wird ab März dort dann täglich bis 16 Uhr betreut.

Doch der Weg dahin war lang und aufreibend – und kein Einzelfall. Anke Rohlfing, die Mutter von Ida-Charlotte, wollte, dass ihre Tochter ab ihrem ersten Geburtstag betreut wird. Und dieser ist jetzt, im Februar. Neue Kinder werden in der Regel aber nur zum 1. August aufgenommen, zum Start des neuen Kita-Jahres. Ein halbes Jahr also hätte die Mutter überbrücken müssen. Wenn Ida eins wird, wäre das Elterngeld ausgelaufen, die Produktdesignerin wollte spätestens dann wieder arbeiten, denn nur ein Gehalt reicht der Familie nicht.

Da ihr bisheriger Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hat, ist die 35-Jährige in ihrer Elternzeit arbeitslos geworden. Ohne Betreuungsplatz hätte sie ihr neues Jobangebot – ab März für 20 Stunden pro Woche – nicht annehmen können. „Wir dachten immer, wir müssten nur schnell dran sein mit der Anmeldung, dann klappt das schon.“ Es klappte nicht, jedenfalls nicht in der Kindertagesstätte.

Viele Leiterinnen der Kindergärten haben Anke Rohlfing geraten, sich eine Tagesmutter zu suchen. Aber auch das ist nicht einfach, zumindest wenn man eine 45-Stunden-Betreuung sucht. „Auch Tagesmütter nehmen meistens nur Kinder ab Sommer auf. Viele, die ich angerufen habe, sind schon seit über einem Jahr ausgebucht.“ Die Platzvergabe laufe bei vielen Tagesmüttern über Beziehungen aus dem Bekanntenkreis. Rohlfing wurde sogar geraten, fremde Frauen mit mehreren Kindern auf dem Spielplatz oder im Park auf gut Glück anzusprechen. „Auch das habe ich gemacht, obwohl ich mir ziemlich blöd dabei vorkam. Aber entweder waren die Frauen gar keine Tagesmütter oder sie hatten keine freien Plätze.“

Am 1. August 2013 ist die gesetzliche Regelung in Kraft getreten, nach der jedes einjährige Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kinderpflege hat.

Rechtlich unklar ist bisher, ob der Anspruch, sofern keine freien Kita-Plätze vorhanden sind, ersatzweise durch eine Verweisung an eine Tagesmutter erfüllt werden kann.

Für Über-Dreijährige gibt es bundesweit einen Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte. Sie muss wohnortnah sein, das hatte das Kölner Verwaltungsgericht entschieden. (chn)

Udo Neumann vom Kölner Jugendamt kann Rohlfings Frust verstehen, betont aber gleichzeitig, dass die Stadt im Kitaplatzausbau schon viel erreicht habe. In Ehrenfeld läge die Versorgungsquote mit Plätzen für U-3-Kinder bei 42 Prozent. Die politische Vorgabe von 40 Prozent sei hier somit mehr als erfüllt. Er gibt zu: „Trotzdem müssen wir in Ehrenfeld wie auch in anderen Stadtteilen noch mehr Kitaplätze schaffen.“ Eine aktuelle Elternbefragung soll den genauen Betreuungsbedarf in den Stadtteilen ermitteln, im März will die Stadt Ergebnisse präsentieren.

Neumann räumt auch ein, dass es schwierig ist, unterm Jahr einen Kitaplatz zu bekommen: „Da der Schulstart im Sommer ist, verlassen immer dann die meisten Kinder die Einrichtung und eben dann gibt es die meisten freien Plätze.“ Das sei im System bedingt. Dennoch: Mit 6700 neu geschaffenen U-3-Plätzen seit 2008 sei Köln an der Spitze in NRW. „Aber fertig sind wir noch lange nicht“, sagt Jugendamts-Mitarbeiter Neumann.

Wenn Ida-Charlotte ein Jahr alt ist, hat sie einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung, entweder in der Kita oder in der Tagespflege. Anke Rohlfing hätte den Platz vor Gericht einklagen können. Aber so ganz behagte ihr diese Idee nicht. „Ich will, dass mein Kind einen guten Start in der Kita hat.“ Doch nachgedacht habe sie darüber schon. Genau so wie über den besten Zeitpunkt für ein zweites Kind. „Aber falls es dazu kommen sollte, werden mein Freund und ich uns einen anderen Termin für die Zeugung aussuchen“, sagt die Kölnerin. Noch kann sie darüber lachen. Ernst meint sie es trotzdem.

Die 35-Jährige hat auch schon mit dem Gedanken gespielt, sich arbeitslos zu melden, wenn sie wirklich keine Betreuung für Ida findet. Doch dann hat sie erfahren, dass man ohne Betreuungsplatz auch kein Geld vom Amt bekommt. „Weil man dem Arbeitsmarkt ja dann nicht zur Verfügung steht.“

Anke Rohlfing weiß immerhin, dass sie nicht alleine ist. „Allen meinen Freundinnen, die Winterkinder haben, geht es ähnlich“, sagt sie. Ihr ist es wichtig, ihre Geschichte öffentlich zu machen, denn „es wird nach außen immer so getan, als läuft es schon irgendwie mit der Kinderbetreuung.“ In Wahrheit läuft es aber oft nicht. Tatsächlich springen in vielen Familien Oma und Opa ein, was bei der Designerin aber nicht auch nicht möglich war, da eine Oma noch voll berufstätig ist und die andere weit weg wohnt. Und so war der Zufalls-Platz in Nippes eine echte Erlösung. Das Wintermädchen hat noch einmal Glück gehabt.