Unfälle häufen sichWo sich Radfahrer und Fußgänger in Köln gefährlich nahe kommen

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Fußgänger und Radfahrer auf der Krefelder Straße

Hier wirds unübersichtlich: Die Krefelder Straße im Morgenverkehr.

Immer mehr Kölner sind zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs. Auf den Bürgersteigen der Stadt wird es enger. Wo es besonders gefährlich ist.

An einem Donnerstag um halb neun Uhr morgens schlägt einem auf der Krefelder Straße, direkt am Hansaring, das geballte Verkehrschaos Kölns entgegen. Auf engstem Raum kämpfen Radfahrer, Fußgänger und Autos um jeden Zentimeter Platz. Autofahrer hupen Radfahrer von der Straße, Fußgänger quetschen sich an den Häuserwänden entlang und Radfahrer scheren zum Überholmanöver auf den Gehweg aus.

„Die Krefelder Straße steht exemplarisch dafür, was im Kölner Verkehr falsch läuft“, sagt Klaus Stallmann. Der Rentner lebt seit 15 Jahren an der Krefelder Straße. „Hier kommt es fast täglich zu Gefahrensituationen direkt vor der Haustür. Speziell in den letzten fünf Jahren ist die Situation schlimmer geworden.“

Stallmanns Beobachtung deckt sich mit dem, was die Stadt Köln festgestellt hat: Laut einer Befragung aus dem vergangenen Herbst legen die Kölner nur noch jeden vierten Weg mit dem Auto zurück. 2017 waren es noch 35 Prozent. Demgegenüber steigt der Anteil von Rad- und Fußverkehr. Ein Viertel der Wege legen die Kölner mittlerweile mit dem Rad zurück, 2017 waren es noch 18 Prozent. Ähnlich sieht es beim Fußverkehr aus: 33 Prozent der Wege werden mittlerweile zu Fuß zurückgelegt, 2017 waren es noch 26 Prozent.

Raum auf den Kölner Bürgersteigen wird umkämpfter

Was eine gute Nachricht sein könnte, führt zu einem Problem: Wie an vielen Orten in Köln fehlt es auf der Krefelder Straße an Platz. Fußgänger und Radfahrer teilen sich dort den Bürgersteig. Eine weiße Linie soll sie trennen, doch das funktioniert nicht immer. „Gerade in Stoßzeiten kommt es immer wieder zu Überholmanövern von Radfahrern, die auf den Gehweg ausweichen, oder Fußgänger weichen auf den Radweg aus, um an großen Gruppen vorbeizukommen“, beobachtet Stallmann.

Zwar gibt auf der Krefelder Straße keine Pflicht, den schmalen Radstreifen zu nutzen, aber dass sie auch auf der Straße fahren dürfen, wissen hier nur die wenigsten Radfahrer, sagt Stallmann. Deswegen knubbelt sich der hektische Verkehr nicht nur auf der Krefelder Straße auf dem Bürgersteig. Und das kann gefährlich werden.

Am 8. Mai endete der Kampf um den kargen Platz auf dem Bürgersteig für eine 83-Jährige auf der Lindenstraße sogar tödlich. Die Frau wich auf den Radweg aus, der so, wie auf der Krefelder Straße auch, auf dem Bürgersteig verläuft. Dort wurde sie von einem Radfahrer erfasst. Ein Bündnis, zu dem auch der Interessensverband Fuss e.V. gehört, fordert, dass die Lindenstraße zur Einbahnstraße wird – und dass der Radstreifen auf die Straße verlagert wird.

In einer Umfrage unter ihren Mitgliedern hat die Kölner Ortsgruppe von Fuss e.V. mehrere solcher Gefahrenzonen identifiziert, an denen sich Fußgänger und Radfahrer gefährlich nahekommen. „Im Prinzip ist es immer das gleiche Problem“, sagt Anne Grose, Sprecherin der Kölner Ortsgruppe von Fuss e.V. „Die Straßen sind einfach zu eng. Radverkehr und Fußverkehr haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Aber die Infrastruktur ist fast die gleiche wie vor 50 Jahren.“

Neben der Krefelder Straße könne man das etwa auf der Kempener Straße in Nippes oder auf Rheinpromenade am Rheingarten beobachten. Besonders gefährlich sei die Situation auch am Neumarkt und auf der Venloer Straße zwischen Friesenplatz und Bahnhof West.

Und weil immer mehr Menschen auf dem Bürgersteig unterwegs sind, steigt dort das Unfallrisiko zwischen Fußgängern und Radfahrern. Das zeigen auch Zahlen der Polizei Köln. Während der Coronajahre 2020 und 2021 gab es pro Jahr noch etwa 160 Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern. Letztes Jahr stieg die Zahl dann auf 194 – und liegt damit nun über dem Niveau von 2019.

Zwar kommt es deutlich häufiger zu Unfällen, bei denen Autos beteiligt sind – so gab es im letzten Jahr 1227 Unfälle zwischen Autofahrern und Radfahrern. Doch der Trend zeigt vor allem auf den Bürgersteigen Kölns nach oben.

Fuss e.V. fordert Tempo bei der Verkehrswende in Köln

Der Stadt ist das Problem bewusst, wie das Verkehrsdezernat auf Anfrage sagt: „Die Stadt Köln unterstützt grundsätzlich das Ziel, den Verkehrsraum für die unterschiedlichen Verkehrsarten in beengten Bereichen möglichst voneinander zu trennen, damit Unfallrisiken im Verkehrsgeschehen künftig weiter reduziert werden können.“ Dies sei allerdings an vielen Stellen schwierig.

Trotzdem habe man in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, heißt es. Die Verkehrswende sei historisch bedingt allerdings ein langer Weg: „Noch heute hakt es an vielen Stellen, insbesondere im Kerngebiet der Stadt, mit der räumlichen Trennung daran, dass sich die autogerechte Stadt nur über einen sehr langen Zeitraum wieder umbauen lässt.“

Auch Anne Grose sieht Fortschritte: „Aber der Umbau kann mit der Verkehrsentwicklung nicht Schritt halten“, kritisiert sie. Deswegen fordert sie mehr Tempo bei der Verkehrswende. „Es muss nicht immer die perfekte Lösung sein. Oft gibt es einfache Möglichkeiten, die man schnell umsetzen kann und die den Verkehr sicherer machen.“

Die Krefelder Straße etwa könnte man zur Tempo-30-Zone erklären. Außerdem müssten die Radfahrer deutlicher darauf hingewiesen werden, dass sie auch die Straße befahren dürfen. „Langfristig ist es aber unvermeidbar, dass der Autoverkehr sich zurücknimmt und Platz geschafft wird für andere Verkehrsteilnehmer.“

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