Universitätsklinik in KölnZweijährige mit Hirntumor erfolgreich operiert

Privatdozent Maximilian Ruge und seine Patientin Dilia bei einem Kontrolltermin
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Köln – „Die Behandlung von Dilia ist für mich etwas ganz Besonderes“, sagt der Arzt Maximilian Ruge. Der stellvertretende Direktor der Klinik für Stereotaxie und funktionelle Neurochirurgie an der Universitätsklinik hat schon viele stereotaktische Gehirn-Operationen gemacht. Dabei kann er durch computerermittelte Berechnung jeden beliebigen Punkt im Gehirn hochpräzise erreichen. In seinem Sprechzimmer in der Kölner Uniklinik blickt er auf seine muntere, heute vierjährige Patientin. Der Eingriff bei ihr war etwas ganz Besonderes. Dilia war bei der Operation erst zwei Jahre alt – und damit das jüngste Kind, das der Arzt bisher behandelt hatte. „Ich habe immer enormen Respekt vor diesen Eingriffen“, so Ruge, „aber bei so einem kleinen Kind war es noch einmal mehr.“
Dilia wuchs in Innsbruck auf, sie lernte gerade laufen, als ihre Mutter bemerkte, dass die Tochter manchmal einfach umfiel. „Als sie dann auch noch anfing, immer wieder zu zittern, wusste ich, dass etwas im Kopf nicht stimmt“, erzählt die Mutter bei einem Kontrolltermin. Damals sei ein Hirntumor entdeckt worden. Er wuchs an Mittel- und Stammhirn des kleinen Mädchens – an einer Stelle, die als nicht operabel gilt. Auch eine Bestrahlung von außen erschien in diesem Alter zu riskant, eine Chemotherapie lehnte die Mutter ab. Um dennoch das Tumor-Wachstum einzuschränken, blieb nur die Möglichkeit, die Geschwulst aus ihrem eigenen Inneren heraus anzugreifen. Dazu braucht es eine radioaktive Strahlung, die nur den Tumor angreift, zugleich aber das umliegende, gesunde Hirngewebe verschont.
„Brachy-Therapie“ nur an speziellen Zentren
Das Neuroonkologische Tumorzentrum in Köln gehöre zu den fünf Zentren in Deutschland, die diese Operationen ausführen – und habe die meiste Erfahrung bei Eingriffen bei Kindern, so Ruge. Das Einführen radioaktiver Kapseln, so genannter Seeds in abgegrenzte Tumore nennt sich „Brachy-Therapie“. Sie ist eine gängige Methode zur Behandlung von bestimmten Hirntumoren, aber sehr aufwändig und deshalb nur an speziellen Zentren wie der Kölner Uniklinik möglich.
Bei Dilia wurden dazu zwei kleine Löcher in den Schädel gebohrt. Ihr Kopf war fixiert in einem sogenannten stereotaktischen Rahmen. Dieser erlaubt es, dank eines dreidimensionalen Koordinatensystems chirurgische Instrumente millimetergenau führen zu können. So konnte Ruge von Hand zwei dünne Katheter mit Seeds durch das Hirngewebe in den Tumor platzieren. „Die Operation ist nur der Abschluss“, sagt der Privatdozent. Davor lägen viele Stunden der Planung: „Wie kann der Eingriff optimal ausgeführt werden?“ Wo müssen Löcher in den Schädel gebohrt werden, wo verlaufen die günstigsten Wege für die Seed-Katheter – über sämtliche Details berät ein großes Team aus Kinderonkologen, Strahlentherapeuten, Radiologen, Neurochirurgen, Anästhesisten und Physikern.
Die Physiker entwickeln aus den Bildern des Computer- und Kernspintomographen dreidimensionale Darstellungen des Gehirns. So erhalten sie Koordinaten für die beste Wegführung der Seed-Katheter durchs Gehirn. „Während der OP muss ich mich völlig auf die Richtigkeit der Koordinaten verlassen können“, sagt Ruge.
Zu seinem Erstaunen saß Dilia drei Tage nach der Operation bereits auf der Schaukel im Klinikgelände. Ein halbes Jahr später zeigten Untersuchungsbilder, dass der Tumor stark schrumpfte. Insgesamt wirkte die Radioaktivität ein Jahr lang. Eine weitere Behandlung sei nicht notwendig, meint Ruge. Das vierjährige Mädchen entwickele sich völlig normal. Jetzt lebt die Familie in Düsseldorf, Dilia tollt dort im Kindergarten umher wie andere Kinder auch. Nur dass sie zwei kleine Löcher in der Schädeldecke hat und Ballspiele ein wenig fürchtet.