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VeedelspaziergangMit Wetterfee Claudia Kleinert durch Köln-Bayenthal

Lesezeit 6 Minuten

Das war ihr Lieblingsplatz zur Schulzeit: Wetter-Moderatorin Claudia Kleinert sitzt am Goltsteiner Teich in Bayenthal.

Bayenthal – Nach maximal 27 Sekunden ist der Bummel mit Claudia Kleinert so veedelig, wie es kölscher nicht geht. „Claudia? Bist Du das?“, entfährt es der Frau, die mit zwei dampfenden Kaffee-Bechern aus dem Café Daniel’s Goltstein tritt. „Ute?“, fragt Kleinert zurück und bleibt vorm Eingang stehen. „Was machst du denn hier?“ Die Frauen umarmen sich. „Ich bin gleich bei Euch“, verspricht Ute, „geht schon mal rein.“

Sie serviert draußen am Bayenthaler Goltsteincarree die Getränke, ARD-Wettermoderatorin Kleinert zieht drinnen schon mal Jacke und Schal aus. „Wir haben uns mindestens 15 Jahre nicht gesehen“, erzählt sie. „Ute und ich haben während des Studiums miteinander gejobbt.“ Als Messe-Hostessen, in Köln, München, Hannover. Überall da, wo gerade eine Messe war.

„Weißt du noch?“, schwelgen sie: „Zehn, zwölf Tage waren wir meist unterwegs.“ Eine Schule fürs Leben sei das gewesen, findet Kleinert. „Den Satz: Geh nie leer weg vom Tisch! Wie oft haben wir den gehört? Den habe ich total verinnerlicht“, bekennt sie, „wenn ich einen Tisch verlasse, habe ich automatisch etwas in der Hand und räume ab, ich gehe nie leer weg. Bis heute nicht.“

„Claudia!“, ruft da eine Männerstimme. „Was machst du denn hier?“ „Das könnte ich euch fragen“, entgegnet Kleinert, lächelt und umarmt den Mann, der an den Tisch tritt. „Wir haben das Café übernommen“, antwortet Daniel Kaiser, der dem Daniel’s seinen Namen gegeben hat. „Seit Juli sind wir hier“, ergänzt seine Cousine Ute. „Hätte ich das gewusst, wäre ich doch längst hergekommen“, beteuert Kleinert. „Bist du denn so oft in Köln?“, will Schlinkert wissen. „Ja, klar, 15 Tage im Monat.“ Den Rest der Zeit wohnt Kleinert in München, von dort wird gesendet. Oder sie ist unterwegs zu Moderationen. Messen, Unternehmensveranstaltungen. Sie verabreden sich zum Telefonieren. Die Nummern von damals sind noch aktuell.

Kleinert ist aufgewachsen in Köln. In Koblenz wurde sie geboren. „Aber das lag nur daran, dass meine Großeltern während des Krieges in Köln ausgebombt worden sind“, erzählt sie. „Meine Eltern haben dann die Familientradition wieder zurechtgerückt und sind mit meinem Bruder und mir zurück nach Köln gezogen.“

Die schönen kleinen Dinge

Ihr Bruder lebt immer noch hier, Kleinert besucht ihn regelmäßig. Den Eltern und Großeltern können die Geschwister nur noch am Grab auf dem Südfriedhof ihre Reverenz erweisen. Die Mutter war im Alter von 42 Jahren an Krebs gestorben, der Vater mit 54 an ALS, der Amyotrophen Lateralsklerose, die im vergangenen Jahr in der Öffentlichkeit durch die Ice Bucket Challenge bekannter geworden ist. Dabei forderten Menschen im Internet einander heraus, sich mit einem Eimer Eiswasser zu übergießen und Geld für die ALS-Forschung zu spenden. Und selbst ihren Bruder besucht Kleinert nie ohne Sorge. Er lebt mit einer „Herausforderung“, wie sie das nennt, ist Spastiker und sprachgestört.

Keine Familiengeschichte für depressive Gemüter. Und vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass Kleinert das Schöne im Kleinen so bewusst wahrnimmt. Den Reiher etwa, der am Goltsteiner Teich sitzt („hier haben wir zur Schulzeit am Irmgardis-Gymnasium oft unsere Freistunden verbracht“). Oder das bisschen Sonne, das die dunklen Wolken über Bayenthal zumindest zwischendurch mal hellgrau färbt.

Ach, und überhaupt, das Kölner Wetter – das mag Kleinert besonders gern. „Das nordrhein-westfälische Wetter ist immer gut“, findet sie, „es kommt oft mal ein Tief, bringt ein bisschen Regen mit, dann ist wieder Sonnenschein. Das ist schön zu moderieren.“ Besser als so ein Hoch, das im Winter schon unberechenbar sei, das im Sommer aber so richtig ätzend werden könne. „Mit etwas Glück bringt so ein Hoch im Sommer etwa zehn Tage Sonne. Nur bitte nicht länger“, und das sagt sie wirklich, „danach wissen Sie als Moderator einfach nicht mehr, was Sie noch berichten sollen.“ Für Wetterleute, und da lächelt sie entschuldigend, sei ein Tief einfach spannender.

Vorm Veedelsbummel hatte sie übrigens auf keine Wetterkarte geguckt, sondern einfach zum Fenster raus. „Ich habe das Wetter für heute und morgen noch im Kopf aus der Sendung.“ Es ist nicht ganz so, wie sie es vorausgesagt hatte. „Das nervt. Wenn es nicht stimmt, nervt es. Vor allem für Köln: Da sind unsere Modell-Berechnungen immer um zwei Grad zu niedrig, sodass wir aus Erfahrung korrigieren müssen, um nichts Falsches vorauszusagen.“ Obgleich ihr die meisten Kölner vermutlich sowieso falsche Vorhersagen verziehen – so wie Kleinert von ihrer Stadt und deren Lebensweisheiten schwärmt. „Levve un levve losse“, zitiert sie, „solange du mir nichts tust, lasse ich dich auch in Ruhe, diese Sprüche haben mich geprägt. Und auch die offene Art der Kölner – ich lerne selbst schnell neue Leute kennen. Außerdem“, und da lacht die 45-Jährige: „Köln ist die einzige Stadt, in der ich im Taxi noch als Mädsche angesprochen werde, obgleich ich schon lange kein Mädchen mehr bin.“

Am besten gefällt es ihr aber nach wie vor in Bayenthal. „Sie sind hier in der Stadt, aber Sie sind nicht mittendrin, es ist ein bisschen ruhiger. Und trotzdem sind Sie völlig autark“, sie zeigt die Goltsteinstraße hinunter, „hier ist alles: Der Supermarkt, die Drogerie, Ärzte und auch noch jede Menge kleine eigentümergeführte Geschäfte.“

Beste Beratung

Zum Schokolädchen am Goltsteincarree öffnet Kleinert dann auch gleich die Tür. „Es gibt hier wundervolle Soßen und Dips“, schwärmt sie. „Die Mango-Soße esse ich unheimlich gern mit Quark.“ Aber heute ist Kleinert auf der Suche nach etwas zum Naschen. „Haben Sie auch Marzipan?“ Die Mitinhaberin zeigt der prominenten Kundin, was die Auslage hergibt. „Davon nehme ich fünf Stück“, entscheidet sich Kleinert. „Die sind für meinen Schatz.“ Obgleich das natürlich mit dessen neujährlichen „Nichts-Süßes-Vorhaben“ kollidiere.

Dafür hat sie wenig später dann selbst ihr Scherflein zu tragen: Sie hat drei Bücher zu viel gekauft. „Eigentlich wollte ich gar keins“, wundert sie sich, als sie die Buchhandlung an der Goltsteinstraße 78 verlässt. „Aber Herr Bartsch berät einfach so toll.“ Jens Bartsch ist Buchhändler, Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Buchhandlung. Er hatte Kleinert zum Beispiel zu Ian McEwans „Kindeswohl“ geraten („unglaublich gute Sprache“), von Kristof Magnussons „Arztroman“ jedoch ab („das spielt in einer Berliner Notaufnahme und geht teilweise doch sehr ins Detail“).

Ein kenntnisreiches Kundengespräch. „Und die Lesungen hier sind auch richtig klasse“, findet Kleinert. Auch, weil sie dort schon mal Kunden wiedertreffe, die sie in ihrer Zeit als Auszubildende bei der Deutschen Bank in Marienburg kennengelernt habe. Oder Klassenkameraden. Oder ihre Sprechlehrerin. Kleinert seufzt. „Das ist noch etwas, das ich an Köln liebe: Es ist so klein, man trifft sich immer wieder.“