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„Verstorbene fahren in Gedanken mit“

Lesezeit 3 Minuten

Bayenthal – Egal ob Suzuki, Ducati oder Harley-Davidson – bei der 41. Motorradfahrer-Gedenkfahrt unter dem Motto „Herz!“ von Köln zum Altenberger Dom im Bergischen Land waren wieder sämtliche Motorradmarken und -typen vertreten. 3000 Motorradenthusiasten versammelten sich zum Start auf dem Militärring und bildeten ab dem Bonner Verteiler im Kölner Süden einen Korso.

Die Veranstaltung, bei der Biker verstorbener Freunde aus der Szene gedenken, gilt auch als Abschlussfahrt der aktuellen Motorradsaison. „Für viele ist es die letzte größere Fahrt in diesem Jahr“, erklärt Ingolf Schulz. Der evangelische Pfarrer und begeisterte Motorradfahrer ist selbst seit der Premiere des Events 1981 immer mit dabei und organisiert die Fahrt im Rahmen der „Aktion Blauer Punkt“ seit Mitte der 80er-Jahre. „So kurz vor dem Ende der Saison gehen einige noch einmal in sich, bevor sie ihre Maschine bis zum Frühjahr in der Garage parken.“ Da wende sich der Blick auch automatisch zurück auf die Saison – und auf die verstorbenen Bikerfreunde, die in diesem Jahr im Verkehr oder auf andere Weise ums Leben gekommen sind, so Schulz. „Trotz des traurigen Anlasses herrscht hier aber immer eine ruhige, aber dennoch gute Stimmung.“ Und bei der Veranstaltung richtet die Bikerszene den Blick auch nach vorne. So soll der Korso bei Motorradfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern das Bewusstsein schärfen, mit mehr Weit- und Rücksicht auf der Straße unterwegs zu sein. Denn gerade Kraftradfahrer sind laut eines Fachberichts des Statistischen Bundesamtes besonders stark gefährdet, bei Verkehrsunfällen ums Leben zu kommen. So sind im vergangenen Jahr 697 der insgesamt 3 275 im Straßenverkehr tödlich verunglückten Personen auf einem Kraftrad unterwegs gewesen.

Dementsprechend behutsam schlängelten sich die Teilnehmer der Gedenkfahrt in einer rund zweistündigen Tour durch etliche Veedel Kölns und bis zum Altenberger Dom im Bergischen Land. Dort fand sich die Biker-Gemeinde zusammen, um mit bikertypischen Liedern und Gebeten einen Gottesdienst unter dem Thema „Freundschaft“ zu feiern. Nach der Predigt verlas Pfarrer Schulz schließlich die Namen der Verstorbenen aus der Bikergemeinde. „Wir möchten damit der Freundinnen und Freunde gedenken, die in der nächsten Saison leider nicht an unserer Seite fahren werden. Klar ist aber, dass sie in unseren Gedanken weiterhin bei jeder Tour dabei sein werden“, erklärt Schulz. „Die Hinterbliebenen sollen in unserer Gemeinschaft Trost finden und spüren, dass wir zusammenhalten.“ Dabei spiele es gar keine Rolle, welche Maschine man fahre oder ob man gläubig sei oder nicht, so der Motorrad-Pfarrer.

Am Bonner Verteiler sammelten sich Fahrer und Maschinen.

Eine Idee, die die Besucher der Gedenkfahrt überzeugt. So wie Dieter Obuch aus Leverkusen. Mit seiner Honda CBX 650 ist der 60-Jährige bereits seit fünf Jahren Teilnehmer bei der Gedenkfahrt. „Das ist eine tolle Veranstaltung, bei der ein großes Gemeinschaftsgefühl zu spüren ist“, so Obuch. „Wir stehen damit denjenigen bei, die mit dem Verlust eines lieben Menschen zu kämpfen haben und knüpfen dabei gleichzeitig neue Kontakte, um uns über unsere große Leidenschaft auszutauschen.“ Genau das mache schließlich den Reiz und die Faszination der Bikerszene aus, so Obuch.

Die Strecke von Leverkusen zum Startpunkt in Köln nehme er dafür gerne auf sich. Bei 120 000 Kilometern, die seine Honda Baujahr 1985 auf dem Tacho hat, sei das ohnehin ein Klacks, erklärt der Motorradfan mit einem Schmunzeln. „Wenn meine Maschine das noch mitmacht, werde ich bei der Fahrt im kommenden Jahr auch wieder mit dabei sein – dann sieht man sich auf dem Militärring wieder.“ Die nächste Gedenkfahrt wird im nächsten Jahr am 24. Oktober 2020 stattfinden.

www.aktion-blauer.de

Ingolf Schulz, ev. Pfarrer