„Waffe an den Kopf gehalten”Warum sich afrikanische Geflüchtete diskriminiert fühlen

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Black People aus der Ukraine berichten über ihre Flucht und das Leben in Köln.

Köln – Neun Wochen nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat, fliehen zehntausende Menschen aus dem osteuropäischen Land auch nach Deutschland. Darunter befinden sich auch zahlreiche Menschen aus Drittstaaten, etwa Studierende aus afrikanischen Ländern, die aber über keinen ukrainischen Pass verfügen. Bei der Flucht erleben viele von ihnen Diskriminierungen und auch in Köln angekommen fühlen sie sich nicht gleichbehandelt.

Als Kanii Jatamanua am 24. Februar um 5 Uhr in Kiew aufwachte, hörte sie einen Knall. „Ich dachte, es wäre eine Gasleitung explodiert“, erinnert sich die 26-Jährige, die aus Namibia zum Medizin-Studium in die Ukraine gekommen war. Tatsächlich war eine Bombe auf einem Nachbargrundstück eingeschlagen. Schnell war klar, dass sie aus Kiew fliehen musste. Auf den Straßen bildeten sich Schlangen von Autos, alles war in Bewegung. Sie floh zum Hauptbahnhof, doch als sie in einen Zug einstiegen wollte, wurde sie von Soldaten aus dem Waggon gestoßen. Um die Menschen, die in Panik waren zu zerstreuen, schossen die Soldaten mit Gewehren in die Luft.

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Schließlich konnte sie doch noch in einen Zug einsteigen und war von Kiew nach Lviv 16 Stunden lang unterwegs. In einem Abteil, in dem normalerweise vier Menschen passen, standen zwölf. Es war heiß, ein Mitreisender erlitt einen diabetischen Schock. In Lviv wurde ihr und anderen Black People verweigert, in einen Bus zu steigen, um sie an die Grenze zu bringen. „Uns wurde eine Waffe an den Kopf gehalten.“ Ein Taxi brachte sie gegen einen Wucherpreis bis 35 Kilometer an die Grenze heran, den Rest musste sie laufen. Dort wurden Ukrainer und Nicht-Ukrainer in zwei Schlangen aufgeteilt, es dauert Stunden bis sie die Grenzen passieren konnte.

Kampf um das Bankkonto

Auch in Köln fühlen sich die Drittstaatler aus afrikanischen Ländern ungleich behandelt. Jatamanua erzählt, wie sie kämpfen musste, um ein Bankkonto zu eröffnen, was wiederum Voraussetzung ist, um soziale Leistungen zu erhalten. Enoch Okedere der Business Management in Charkiv studierte, macht sich Sorgen, dass er in seine Heimat Nigeria abgeschoben werden könnte. Er habe studieren wollen, um sich den Traum von einem besseren Leben zu erfüllen. Nach Nigeria könnte er mit leeren Händen zurückkehren.

Viele Roma kommen ohne Papiere

Nachteile erleiden auch andere Flüchtlinge ohne ukrainische Pass. Sead Memeti und Jana Gaydarova-Zwererink vom Rom e.V. machen sich Sorgen um geflüchtete Roma aus der Ukraine. Schätzungsweise 10.000 Roma seien aus der Ukraine geflohen, viele verfügten aber über keine Ausweispapiere. In der Ukraine lebten sie in prekären Verhältnissen in Ghettos und ohne Schulbildung. „Weil sie keine Papiere haben, können sie nicht nachweisen, dass sie Kriegsflüchtlinge sind“, sagt Memeti. „Sie brauchen aber Hilfe, wie alle anderen auch.“

Zahlreiche Initiativen, darunter der Kölner Flüchtlingsrat, Bündnis 14 Afrika, Agisra und Pamoja Afrika fordern nun in einem Positionspapier, die Ungleichbehandlung etwa aufgrund der Hautfarbe zu beenden. „Als langjährige Träger der Flüchtlingsberatung stellen wir fest, dass die Lage der Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, insbesondere der studierenden Drittstaatsangehörigen, aus der Ukraine in unserer Stadt unverändert schlecht und Ungleichbehandlung die Regel ist“, heißt es im Papier. Die Verfahren müssten angenommen und beschleunigt werden, die Betroffenen müssten vorübergehende Aufenthaltspapiere (Fiktionsbescheinigungen) sowie eine Erlaubnis zur Arbeit erhalten.

Susanne Rabe-Rahmann (Caritas) verlangt auch, dass Studierende in Köln eine Möglichkeit erhalten sollten, ein Studium an einer Hochschule fortzusetzen. Zudem müsse der Bund endlich klarstellen, wie die Kommunen mit Drittstaatlern umgehen sollen. www.pamojaafrika.org

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