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Eine Ode an das KaufhausWarum Galeria Kaufhof meine Überlebensversicherung ist

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Lesezeit 5 Minuten
Karstadt in der Breite Straße in Köln

Die Galeria Karstadt-Filiale auf der Breite Straße bleibt von den Schließungen verschont.

Die Schließung von Warenhäusern der Galeria Kaufhof-Gruppe ist ein schwerer Schlag. Auch für unseren Autor. Und das nicht nur wegen der Sache mit den Laufsocken in Übergröße. Eine Ode an das Kaufhaus.

Ich erwarte Respekt. Keine Krokodilstränen oder gar das Schwelgen in nostalgischen Erinnerungen, als Karstadt noch Karstadt und Kaufhof noch Kaufhof war. Mit der Steiff-Ausstellung vor Weihnachten in den Schaufenstern auf der Schildergasse, an denen sich Generationen von Kindern die Nasen plattgedrückt haben.

Ich erwarte Respekt vor den Tausenden Verkäuferinnen und Verkäufern, die der Dauerkrise mit Verzicht auf Lohn, auf Urlaub und mit dem Akzeptieren von sich immer weiter verschlechternden Arbeitsbedingungen getrotzt haben – und das nicht bloß aus Mangel an Alternativen, sondern weil es ein ehrbarer Beruf mit grundsolider Ausbildung ist, Kundinnen und Kunden mit fachkundiger Beratung einen entspannten Einkauf zu bieten.

Fachverkäufer, die jeden Staubsaugerbeutel kennen

Und das auch jetzt noch. In Filialen, die wie mein Karstadt auf der Breite Straße in Köln hoffentlich auch den nächsten Kahlschlag überstehen werden. Selbst wenn jede zweite Rolltreppe abgestellt ist – wegen der Energiekrise, wie es verschämt heißt.

Ja. Es ist mein Karstadt. Auch wenn es jetzt Galeria heißt. Von Amazon würde ich das niemals sagen. Da kann der Konzern sich noch so anbiedern, mich duzen und so tun, als würde er mich kennen. Bloß weil ich mal drei Stücke runde Rasierseife bestellt habe, weil es bei meinem Karstadt gerade nur die eckigen gab, die nicht in die kleine Metallschlüssel passen.

Peter Berger

Peter Berger

Chefreporter des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Jahrgang 1959, Schwerpunkte NRW, Verkehrsinfrastruktur, öffentlicher Nahverkehr und Verkehrswende, Kohleausstieg und Energiewende. Seit 2001 beim KStA, zuvor ...

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Mein Karstadt. Das ist der ältere Herr auf der dritten Etage, der seit gefühlt 30 Jahren als Fachverkäufer in der Elektroabteilung mit Blick auf die Haushaltswaren jeden Staubsaugerbeutel mit Typenbezeichnung kennt. Das weiß ich, wenn ich meinen kleinen roten Miele-Bodenstaubsauger beschreiben muss, weil ich wieder vergessen habe, mir die Typenbezeichnung zu notieren. „Das müsste der sein“, sagt er dann freundlich und drückt mir die Packung in die Hand.

Die letzten Überlebenden eines beispiellosen Niedergangs

Bart-Trimmer, Haarschneider, Fön. Ein neuer Glaseinsatz für die Bodrum-Kanne, ein halbstündiges Beratungsgespräch über die Zwei-Klassengesellschaft bei Liebherr-Kühlschränken und warum die billigere rumänische Variante für einen Haushalt, in dem die Kühlschranktür nie stillsteht, keine gute Idee ist, inbegriffen. Wir kennen uns gut, haben uns einander aber nie vorgestellt. Komisch eigentlich. Wo er doch eigentlich bei uns wohnen könnte. Zumindest Küche und Bad müssten ihm bekannt vorkommen.

Das alles kann Amazon niemals liefern. Oder wenn überhaupt, dann mit Dutzenden Lieferautos, die die Straßen verstopfen und deren dauergestresste Fahrer täglich bei uns schellen und die Kartons für die halbe Nachbarschaft nur in den Hausflur kippen. Weil draußen schon wieder gehupt wird und der Tag auch nur 24 Stunden hat. Haben Sie schon mal mit einem Amazon-Auslieferer ein paar Sätze gewechselt? Über das, was Sie gerade gekauft haben?

Die Immobilien den Finanzhaien zum Fraß vorgeworfen

Karstadt und Kaufhof – sie wären nicht die letzten Überlebenden des Warenhaus-Niedergangs, hätten sich ihre Eigentümer nicht vor Jahrzehnten dazu entschlossen, die Investitionen auf ein Minimum zu reduzieren, die Warenhäuser von den Immobilien abzutrennen und sie den Haien zum Fraß vorzuwerfen. Wer wüsste das besser als der Finanzjongleur Thomas Middelhoff, der sich, unentbehrlich, wie er zu sein glaubte, mit dem Helikopter von Bielefeld nach Essen fliegen ließ, um dort die Arcandor-Gruppe und mit ihr das Bankhaus Oppenheim zugrunde zu richten?

Karstadt und Kaufhof sind die Überlebensversicherungen – nicht nur für Menschen wie mich, die den Online-Handel allein deshalb eher zurückhaltend gegenüberstehen, weil sie sich noch an Zeiten erinnern können, als das Fachgeschäft nicht für das Einkaufserlebnis stand, sondern es völlig normal war, Spielzeug in einem Spielzeugladen zu kaufen. Sondern auch für die Innenstädte.

Suchen Sie mal einen Spielzeugladen? Oder ein Fachgeschäft für Kurzwaren oder Bettwäsche? In Köln mag es sie noch geben, doch auch hier werden derlei Läden immer seltener. In Gelsenkirchen und Wuppertal, in Siegburg und Leverkusen dürfte das schwierig werden. Vor allem dann, wenn vom Magneten in bester Lage nur noch ein leerer Klotz übrigbleibt. Was bliebe von der Neusser Straße in Nippes, wenn es den heruntergesparten Kaufhof, der so ärmlich daherkommt, als habe ihn die Schwindsucht ereilt, gar nicht mehr gäbe? Nur mein gelber Bademantel, den ich für zehn Euro von der Schlussverkaufsstange erlöst habe. Und rot-weiße T-Shirts in allen Größen und Armlängen für den Karnevalsbesuch.

Bin ich hoffnungslos von gestern, ein Fossil, weil ich meinen Karstadt behalten will? Weil ich Scannerkassen hasse und es liebe, in einem Rutsch Bruchschokolade, Laufsocken in Übergröße, ein reduziertes FC-Trikot und eine Flasche Rotwein fürs Abendessen zu kaufen? An der Kasse meine Kundenkarte samt den Rabattmarken vorzeige, vor dem Hinausgehen ein Parfum probiere, die Treuekarte für den nächsten Batteriewechsel meiner Armbanduhr in der Geldbörse?

Das Sterben fing mit der Kaufhalle an

Vielleicht liegt es daran, dass ich als Schüler in den Sommerferien immer bei Woolworth in Wuppertal gejobbt habe. Und zwei Verkaufsständer auf Rollen mit Regenschirmen auf die Straße schieben musste, sobald es zu regnen begann. Ich hätte dort nach dem Abitur eine Ausbildung machen können. Hat der Filialleiter damals gesagt. Ich hätte durchaus das Zeug dazu, sein Nachfolger zu werden.

Direkt gegenüber war die Kaufhalle. Dort gab es ebenfalls den Außenposten mit Regenschirmen. Aktionsware. Knirpse aus Japan. Um genau zu sein. In Wuppertal hat es schon immer viel geregnet. Jetzt macht dort auch der letzte Kaufhof zu. Im Herzen der Stadt. Das ist eine Katastrophe.

Von der Kaufhalle habe ich mich schon vor Jahren verabschieden müssen. Im April 2007. Auf der Bahnhofstraße in Gelsenkirchen. Damals sind wird dort mittags immer essen gegangen – im Selbstbedienungsrestaurant. Das war damals schon outgesourct, wie man heute sagt. Als die Kaufhalle dicht machte, hat der Restaurantpächter noch ein paar Wochen durchgehalten. Damals sind wir durch die leere Halle, vorbei an Absperrungen, mit der Rolltreppe weiter in die mittlere Etage gefahren, um unseren Hunger zu stillen.

Der Pächter wollte nicht aufgeben. Er hat immer an die Kaufhalle geglaubt. Wenn ich wieder bei Karstadt bin, werde ich den Menschen, die dort arbeiten, genau das sagen: Dass ich an sie glaube. Weil das Warenhaus eine Zukunft hat.

Sie sollten auch mal wieder hingehen.

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