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Wie aus einer Bruchbude ein Kulturort wurde

Lesezeit 4 Minuten

Südstädterin und Musikerin mit Herz und Seele: Franziska Erdle im Musikhaus Süd.

Südstadt – Was sich hinter der massiven Holztüre verbirgt, lässt sich von außen kaum erahnen. Das kleine Häuschen am Rande des Spielplatzes zwischen der Annostraße und dem Platz An der Eiche kennen viele nur als verlassene Bruchbude. Doch dank Franziska Erdle erlernen hier seit September mehr und mehr, überwiegend junge Menschen ein Instrument. Sie hat das Gebäude von Grund auf saniert – mit wohlwollender Unterstützung der Stadt, mit viel Eigenleistung und zahlreichen Helfern aus dem Freundeskreis. Bevor der Betrieb nachmittags startet, ist es leer in den hellen Innenräumen. Wenn kurze Zeit später Geige, Saxofon, Klavier und Chöre erklingen, erwacht das Haus zum Leben. „Dann weiß ich, wofür ich das gemacht habe“, sagt die 51-Jährige. Erdle zeigt die wichtigsten Räume: Ein großer, lichtdurchfluteter Konzertsaal im Erdgeschoss, der sich in vier Unterrichtsräume teilen lässt, und ein langgestrecktes Zimmer unter dem Dach.

2015 fällt der gebürtigen Südstädterin das niedrige freistehende Gebäude zum ersten Mal auf. Sie findet sofort, es sei „wie geschaffen für eine Musikschule“. Sie erfährt, dass die Stadt Eigentümerin ist und will mit einem Brief ihr Interesse bekunden.

Doch die Post streikt, also bringt sie ihn persönlich in das Stadthaus nach Deutz.

Südstädterin und Musikerin mit Herz und Seele: Franziska Erdle im Musikhaus Süd.

Sie erinnert sich noch genau an den sonnigen Tag und an ihre Laune: voll freudiger Erwartung. Vielleicht ein gutes Omen, vielleicht auch die nötige Grundhaltung für ein solches Projekt. Aus dem Jugenddezernat erhält sie drei Tage darauf die Einladung zu einem Gespräch und viel Ermutigung. Dann sieht sie das Innere zum ersten Mal: Schimmel, verrammelte Fenster, kaputte Möbel. „Ich hatte Angst, dass an uns Ratten vorbei flitzen könnten“, erinnert sie sich. Offenbar war in dem städtischen Gebäude, das vom Jugendamt verwaltet wird, früher eine Begegnungsstätte untergebracht, bevor es viele Jahre leer steht. Trotzdem: Der Grundriss passt für ihre Zwecke perfekt, das sieht sie sofort. Sie einigt sich mit der Stadt, spricht mit Banken und weiht die Kollegen ihrer Musikschule ein. Seit 1997 unterrichtet sie Schüler in einer Wohnung am Ubierring, die ihr inzwischen gehört. Ein gutes Dutzend Musiklehrer waren es zuletzt, die die Räume mit ihr genutzt haben. Bedarf für eine Erweiterung gibt es. Die Warteliste für interessierte Schüler ist immer gut gefüllt. Durch das neue Gebäude können nun sechs zusätzliche Kollegen Unterrichtsräume nutzen. Die riesige Investition konnte Erdle jedoch nicht aus eigener Kraft stemmen. Sie nahm einen Kredit in sechsstelliger Höhe auf, lieh sich Geld bei Freunden. Die Stadt beteiligte sich an den Kosten für neue Fenster, übernahm die Sanierung des asbestverseuchten Bodens im Erdgeschoss und der maroden Dachbalken. Und sie kam Erdle bei der Vermietung entgegen. Sie zahlt eine eher symbolische Miete. Im Gegenzug öffnete sie ihre Musikschule für ein breiteres Publikum. Erdle hat einen Verein gegründet, der als gemeinnützig anerkannt ist. 90 Mitglieder hat sie bereits gewinnen können. Sie organisieren Konzerte im neuen Gebäude für Nachwuchskünstler: Comedy, Krätzjer, Klassik. An den Veranstaltungen verdient sie nichts. Kinderkonzerte sind in Planung. Und Erdle will in den Senioreneinrichtungen der Nachbarschaft Interessenten für einen Chor suchen. Weil sie das Haus allerdings nicht ausschließlich für gemeinwohlorientierte Zwecke nutzt, sondern mit ihrer Musikschule ihren Lebensunterhalt und den ihrer Musikschullehrer-Kollegen verdient, galt es zwischenzeitlich, sich Rückendeckung aus der Politik zu verschaffen. Die Bezirksvertreter der Innenstadt stellten sich hinter Erdles Idee. Im Oktober 2017 begann schließlich der Umbau. Nach einer bemerkenswerten Bauzeit von nur knapp einem Jahr war das Haus kernsaniert. Nachdem zeitweilig ein Abriss zur Debatte stand, dürfte die Stadt stattdessen von der Wertsteigerung profitieren. Für den Stadtteil ist der neue Kulturort ein Gewinn. Zur Einweihungsparty kamen viele Nachbarn aus den umliegenden Straßen. Erdle hatte ihnen Flyer in die Briefkästen gesteckt. Getanzt wurde bis in den frühen Morgen.

TAG DER OFFENEN TÜR

Am Samstag, 6. April, lädt das Musikhaus Süd alle Interessierten zum Kennenlernen ein. In dem neuen Gebäude in der Annostraße 37b stehen von 12 bis 15 Uhr viele Instrumente zum Ausprobieren bereit. (phh) www.musikhaus-sued.de

Franziska Erdle, Musikhaus Süd