Aufdringliche VerfolgerWie Köln mit aggressiven Bettlern umgeht

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Symbolbild

  • In Köln ist das Betteln grundsätzlich nicht verboten.
  • Aggressive Bettelei zieht jedoch je nach Art und Weise Platzverweise oder ein Bußgeld nach sich.

Köln – Die Bandbreite reicht von der harmlosen Frage nach einem Euro im Vorbeigehen bis zum unguten Mitleidsgefühl, das einen beschleicht, wenn ein Mensch in offenbar erbarmungswürdigem Zustand am Straßenrand einen Klingelbecher in der Hand hält und stumm mit dem Gesichtsausdruck um eine milde Gabe fleht. Das Betteln ist in Deutschland verboten, wenn es „aggressiv“ stattfindet. Es geht aber auch kreativer, als einfach nur die Hand aufzuhalten. Was genau dieser Begriff bedeutet, das definieren die Verwaltungen der großen deutschen Städte mitunter sehr verschieden.

In Köln ist das Betteln grundsätzlich nicht verboten, formal erläutert die Stadtverordnung, wann der Vorwurf der aggressiven Bettelei zum tragen kommt. Paragraf elf unter dem Titel „Störendes Verhalten in der Öffentlichkeit“ legt fest, dass „im Geltungsbereich dieser Verordnung jedes über den Gemeingebrauch hinausgehende Verhalten untersagt ist, das geeignet ist, Andere zu gefährden, mehr als nach den Umständen vermeidbar zu behindern oder zu belästigen sowie Sachen zu beschädigen“.

Im Detail beschreibt der Text die Aggressivität etwa durch Anfassen, Festhalten und Versperren des Weges sowie durch aufdringliches Ansprechen, Errichten von Hindernissen und bedrängende Verfolgung. Aber auch der Einsatz von Hunden und bedrängendes Zusammenwirken mehrerer Personen sind dort als aggressive Bettelpraktiken festgelegt.

Aggressive Bettelei wird bestraft

Stadt-Sprecher Jürgen Müllenberg weist darauf hin, dass im Ordnungsamt „keine Strichliste darüber geführt“ werde, wo im Stadtgebiet besonders häufig gebettelt wird. Allerdings sei die Präsenz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Ordnungs- und Verkehrsdienst in Köln in jüngster Vergangenheit verstärkt worden.

Davon profitierten indes nicht nur die Touristen, sondern auch die Bettler selbst: „Viele sagen, sie betteln mit ihrem wenigen Hab und Gut lieber in der Innenstadt. Da fühlen sie sich unter Beobachtung des Ordnungsamtes einfach sicherer und keiner bestiehlt sie“, sagt der Stadt-Sprecher. Aggressive Bettelei zieht in Köln je nach Art und Weise Konsequenzen in Form von Platzverweisen bis hin zu einem Bußgeld nach sich.

Vorgehen gegen die „Bettelmafia“

Auch in Hamburg ist passives Betteln als Teil des Stadtbilds akzeptiert. Etwas völlig anderes sei aber die gewerbsmäßige Bettelei, erklärt der Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp von der CDU. Osteuropäische Betteltrupps bedrängten immer wieder Passanten. Gegen die „Bettelmafia“, wie er es nennt, fordert Erkalp ein entschlossenes Vorgehen. Nach Angaben der Hamburger Polizei gibt es derzeit allerdings kaum Beschwerden. Die Beamten schritten bei aggressivem Betteln ein, versichert ein Sprecher. Als Beispiel nennt er etwa die „Klemmbrett-Masche“.

Dabei werden Passanten mit der Bitte um eine Unterschrift für einen guten Zweck abgelenkt, während ein Komplize des Sammlers den Interessenten bestiehlt. Nach einigen Fällen Anfang des Jahres, hat die Polizei seit dem Sommer in der Hamburger Innenstadt, aber keinen einzigen Fall von „Klemmbrett-Sammlern“ mehr registriert.

In München fällt unter aggressives Betteln das Festhalten von Passanten, aber auch das Zurschaustellen von Wunden, wie Johannes Mayer vom Kreisverwaltungsreferat erklärt. In Frankfurt ist damit nach Angaben des Ordnungsdezernats „nachdrückliches oder hartnäckiges Ansprechen von Personen“ gemeint. In Stuttgart und Leipzig versteht man unter Betteln in aggressiver Form auch, wenn mit Kindern, Tieren oder demütig um Geld gebeten wird.

Keine Haftstrafen in Köln

Die Frankfurter Stadtpolizei stelle – weil viele nicht zahlten – schon mal den Inhalt der Becher sicher, die zum Geldsammeln genutzt werden. Da diese aber selten voll seien, weil das Geld vorher an Mittelsmänner abgeführt werde, sei diese Einnahme gering. In Berlin ist seit Anfang des Jahres das Betteln von und mit Kindern verboten. Wer erwischt wird, muss mit einem Bußgeld von bis zu 500 Euro rechnen. Jedoch ist die Umsetzung mangels Personals schwer. Dennoch kann ein verschärftes Vorgehen Wirkung zeigen, so in München. „Die Maßnahmen gegen die verbotenen Bettelformen haben einen deutlichen Erfolg gebracht, das sieht man auch auf den Straßen“, sagt Mayer vom Kreisverwaltungsreferat.

Seit August 2014, als eine Allgemeinverfügung gegen aggressives und organisiertes Betteln in der Landeshauptstadt in Kraft trat, seien mehr als 1.000 Anzeigen der Polizei bei der Behörde eingegangen.

In Stuttgart sprechen Mitarbeiter des Städtischen Vollzugsdienstes auf ihren Streifengängen Platzverweise aus, beschlagnahmen Bettelgeld und verfolgen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Seit Mai seien mehr als 1.000 Personen kontrolliert worden, sagt ein Stadt-Sprecher. Das Betteln sei spürbar zurückgegangen.

Besonders hart geht Nürnberg gegen aggressive und organisierte Bettler vor. Die Stadt verhängt nach einer Anzeige in der Regel Geldbußen zwischen 50 und 550 Euro. Wer nicht zahlt, könne in Erzwingungshaft kommen, erklärt Polizeisprecherin Elke Schönwald. Eine Praxis, die in der Form in Köln keine Anwendung findet. Polizeisprecher Christoph Gilles betont im Fall aggressiver Bettlerei die „originäre Zuständigkeit“ der Stadt. „Wir helfen da natürlich aus, etwa bei Personalmangel oder wenn wir hinzugerufen werden“, sagt Gilles. Das sei mitunter bei Ruhestörungen der Fall, oder wenn es zu körperlichen Auseinandersetzungen komme. (mit dpa)

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