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Wilde Turbulenzen im himmlischen Garten

Lesezeit 3 Minuten

Mike Felten ist ein sehr energischer Maler, in dessen Bildern es häufig äußerst turbulent zugeht.

Mülheim – „Eden“ ist Vergangenheit und Zukunft zugleich, Erinnerung und Vision. Es ist das Synonym für das biblische Paradies. Der Ort eines idealen Zustandes, den wir verloren haben, jedoch wiederzufinden hoffen.

Wie die Phantasie vom Garten Eden malerisch aussehen kann, zeigt der Künstler Mike Felten in einer so betitelten Ausstellung in der Mülheimer Friedenskirche. Dass es bei seiner Erkundung von Eden keineswegs harmonisch zugeht, wird bereits mit dem ersten Blick auf die teilweise große Leinwand sichtbar. Wild-energische malerische Gesten, die einander vielfach überlagern und verschlungen ineinander greifen, bestimmen die Bildszenerien. Eden ist ein Dschungel oder vielfarbiges Dickicht, in dem grobe und feine Farbtendenzen in unterschiedliche Richtungen drängen und für ziemliche Turbulenz sorgen. Eines ist nicht vom anderen zu trennen, geht aus dem anderen hervor, wird vom anderen belagert oder beflügelt.

Das Paradies erscheint in Feltens Bildern als ein Reich der unendlichen Möglichkeiten, dem Chaos näher als der Ordnung, der Hemmungslosigkeit näher als der Kontrolliertheit. Es ist ein lebendig wuchernder Garten, in dem alles unaufhörlich in Bewegung ist. Die intensive Betrachtung zerstört schnell alle gewohnten Sicherheiten.

Mike Felten ist ein sehr energischer Maler, in dessen Bildern es häufig äußerst turbulent zugeht.

Und so fragt man sich, ob es sich bei diesem bewegten Feld überhaupt um einen Blick auf die äußere Welt handelt, oder ob es nicht vielmehr unsere Innenwelt darstellt. Es ist eine gewagte künstlerische These, dass das Paradies sich nirgendwo anders als in unserem eigenen Innern befindet. Seit Jahrzehnten versucht der im Jahr 1948 in Köln geborene Felten mit der Unruhe seines seelisch-körperlichen Verlangens malerisch Schritt zu halten.

Der Absolvent eines Studiums der Freien Grafik an der Werkkunstschule Köln lässt seine Bilder stets aus der ganzen Kraft seines Körpers wachsen, beflügelt von der namenlosen Dynamik eines unendlich zirkulierenden Begehrens, das auf vielfältigste Weise auf Ausdruck drängt. Mal als wuchtiger orangener Farbhieb, mal als tückischer Linienwirbel. Hier als spritzender Ausbruch, dort als zitterndes Rinnsal. Zum einen aufdringlich und vorwitzig, zum anderen mit unscheinbarer Behutsamkeit. Die malerischen Gesten sind dabei stets vieldeutig und rätselhaft. Die Farben sind rot wie Blut oder Himmelsfeuer. Sie öffnen sich ins Weiß hinein wie zu einem Ausweg. Und tiefes Schwarz wütet unheimlich wie der Tod in grüne Gefilde hinein.

Das Geheimnis von Eden, wie es aus den Händen dieses Malers wächst, ist ein Tanz ohne Regeln. „Eden ist für mich Zusammenfluss, Zusammenhalt, Entstehung, Menschheitsgeschichte,“ sagt Mike Felten. Wenn er malerisch in die biblische Geschichte eintaucht und religiöse Gefühle berührt, dann beinahe mit der Unbedarftheit des Kindes. Er weiß, der Mensch ist aus Erde gebildet. Und wenn er sich von seiner Lebendigkeit nicht entfernen will, muss er hemmungslos in die Farben greifen wie in den Matsch am Anfang der Welt.

Feltens Malerei ist unbändig, ein fließender Prozess ohne Zögern. Aufregung und Aggressivität gehören ebenso dazu wie das Verlangen nach Besänftigung. Selbst wenn er ein Liebesgedicht malt, hat das nichts mit konventioneller Romantik zu tun. Vielmehr führt er mit Farben dorthin, wo die Explosivität eines Vulkanausbruchs und der Zauber verführerischer Abgründe einander berühren. Aus einem roten Klecks erhebt sich ein Flügelschlag, ein sattes Schwarz wird zur zarten Blüte.

Mike Felten zeigt uns Eden in seiner Malerei als keineswegs harmonischen Ort. Vielmehr herrschen Wildheit und größte Unruhe. Ob es sich an einem solchen Ort intensivster Lebendigkeit dauerhaft gut aushalten lässt, erscheint fraglich.

So taucht schließlich sogar die Idee auf, dass die Menschen mit der Vertreibung aus dem Paradieses möglicherweise sogar besser dran sind als mit der Rückkehr dorthin.

Friedenskirche, Wallstraße 70, geöffnet Sa, So 15-18 Uhr, bis 24. November

Maler Mike Felten