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„Wir haben alles, was wir uns gewünscht haben“

Lesezeit 4 Minuten

Ostheim – Es ist Donnerstagnachmittag – Zeit für die Kaffeetafel. Die Bewohner des Mehrgenerationenhauses in der Waldbadsiedlung treffen sich regelmäßig im Gemeinschaftsraum des Erdgeschosses. Hier tauschen sie sich aus, planen Aktionen oder genießen einfach die Gemeinsamkeit. Sie fühlen sich wie eine große Familie.

„Dass wir einmal so weit kommen, war nicht von vornherein klar“, sagt Wilhelm Schwedes, der bereits 2007 einem Freundeskreis angehörte, aus dem später der gemeinnützige Verein „Lebensräume in Balance“ hervorging, der dieses Wohnprojekt auf die Beine stellte: „Wir verbrachten damals ein Wochenende in der Eifel und kamen dabei auf die Idee, zusammen ein Haus mit mehreren Generationen zu beziehen.“

Schnell war der Verein gegründet und die Aktiven nahmen Verbindung zu existierenden Mehrgenerationen-Wohnprojekten auf. Schwedes: „Wir haben uns dabei vom Verein »Neues Wohnen im Alter« beraten lassen.“ Parallel warb „Lebensräume“ neue Mitglieder, die ebenfalls in einer solchen Gemeinschaft wohnen wollten. „Um alle bei der Stange zu halten, machten wir einmal im Monat einen Brunch bei mir in Weiden“, erzählt Hildegard Klother, die fast seit den Anfängen dabei ist. Auch Schwedes, der damals noch in Lindlar lebte, war oft Gastgeber.

Die Suche nach einem Grundstück und einem Investor für das Haus gestaltete sich schwierig. Klother: „Lange Zeit fanden wir nichts und man muss schon stabil sein, um das durchzuhalten.“ Dann sei der Vorschlag der Stadt für ein Grundstück in Ostheim gekommen. Schwedes: „Wir dachten, was sollen wir ausgerechnet hier.“ Der Stadtteil habe doch einen schlechten Ruf und das Grundstück in einer künftigen GAG-Siedlung liege weitab vom Schuss: „Einige sprangen sogar deshalb ab.“ Dennoch entschied sich der Verein 2012 für diesen Standort – auch im Wissen, dass die GAG hier wirklich baut. Das Haus habe man mit dem Architekten zusammen entworfen und 2017 zogen endlich alle ein.

Ihr Zusammenleben gestaltet die neue Gemeinschaft sehr lebendig. „Neben dem Donnerstagskaffee treffen wir uns dienstags zum Frühstück und an jedem dritten Sonntag im Monat zum Brunch, der auch für Besucher aus der Nachbarschaft offen ist“, erklärt Vorsitzende Gesine Habermann. Wenn jemand krank sei, kümmern sich die anderen um ihn oder sie. Klother hätschelt ihre Nachbarskinder Aurore und Liam: „Kinderhüten gehört auch zu unserem Leben dazu.“ Die Jungen wiederum bringen den Alten die neuen Medien bei. Mitbewohnerin Maria Schäfer initiierte den Chor „Erste Ostheimer Schräglage“. Es gibt Aktionstage für Nähen, Sachen tauschen oder um die Räume auf Vordermann zu bringen. Auch gemeinsame Ausflüge und Wanderungen werden in Angriff genommen.Das Haus verfügt über einen großen Garten, in dem Obst, Gemüse und viele blühende Kräuter gedeihen. „Wir haben hier zwei Bienenvölker angeschafft, die wir unter Anleitung des Fachmanns Matthias Roth betreuen“, schildert Maria Schäfer, Mitglied der Imkergruppe des Vereins. Die Ausstattung habe die GAG beigesteuert. In diesem Jahr habe man 53 Kilo Honig erzeugt und abgefüllt. Schäfer: „Den haben wir Ostheimer Gold getauft und geben ihn beim Gartenfest gegen Spenden an Nachbarn ab.“

„Wir sind auch im Veedel aktiv“, betont Habermann. Bereits bevor die Gruppe einzog, nahm sie Kontakt zum Bürgerverein Ostheim und zum Verein Veedel auf und bot eine Zusammenarbeit an. Habermann: „Vier unserer Frauen gehen als Lese-Omas in Schulen und Kindergärten.“ Als erstes Projekt gestaltete der Verein einen Ostheim-Fotokalender. Später stelle er einen öffentlichen Bücherschrank vors Haus.

Die umtriebigen Bewohner hatten großen Anteil am ersten Familienflohmarkt der Waldbadsiedlung und richten nun jedes Jahr einen Ostheimer Fotowettbewerb aus. Schwedes: „Demnächst laden wir einmal im Monat zum Spielenachmittag für Senioren ein.“ Schwedes lehnt sich entspannt zurück: „Wenn ich bedenke, wie schwer es uns anfangs gefallen ist, nach Ostheim zu gehen!“ Was damals wie eine Notlösung ausgesehen habe, erweise sich jetzt als exzellente Wohnsiedlung: „Wir haben alles, was wir uns gewünscht haben.“ Man verstehe sich in der Gemeinschaft ausgezeichnet und sei auch im Stadtteil gut vernetzt.

Lebensräume in Balance

Im Mehrgenerationenhaus am Bertha-Benz-Karree leben 43 Erwachsene und elf Kinder bis zum Alter von 16 Jahren in 34 Wohnungen mit Grundflächen zwischen 38 und 93 Quadratmetern. Dabei handelt es sich um eine bunte Mischung: Die Bewohner stammen aus Deutschland, Frankreich, dem Iran, Marokko, der Türkei, Ghana oder von der Elfenbeinküste. Das Gebäude verfügt über Gemeinschaftsräume, Kreativraum, Gästezimmer, Tiefgarage und eine Dachterrasse. Die Immobilie gehört der GAG und die Bewohner sind Mieter. Ein Drittel der Wohnungen ist frei finanziert. Die anderen Wohnungen stehen Inhabern der Wohnberechtigungsscheine A und B zur Verfügung. Zurzeit gibt es zwar keine freien Wohnungen, doch führt der Verein eine Warteliste für Interessenten. (aef) www.lebensraeume-in-balance.de

Hildegard Klother,

Bewohnerin

Maria Schäfer

SO WOHNT KÖLN

Donnerstags treffen sich die Nachbarn zur großen Kaffeetafel. Fotos: Schäfer

Hildegard Klother mit Aurore und dem achtjährigen Liam (l.). Gesine Habermann liest dem zweieinhalbjährigen Joel eine Geschichte vor (r.).

Maria Schneider, Ulrike Neukirch Matthias Roth und Gesine Habermann (v.l.) präsentieren den selbst produzierten Honig (l.). Die Bewohner des Hauses fühlen sich im Waldbadviertel wohl (Bild r.).