Wohnungsnot in KölnMülheimer Familie mit sieben Kindern wird zwangsgeräumt

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Mitglieder des SSM versuchen die Zwangsräumung zu verhindern.

Köln – Es ist ein Alptraum für jede Familie: Weil Claudia Stamm ihre Miete nicht mehr bezahlen konnte, wurden sie und ihre sieben Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren in der vergangenen Woche aus ihrer Wohnung in Mülheim geräumt. Auch eine Demonstration, die die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) organisiert hatte, konnte den Auszug nicht verhindern. Die Stadt hat die Familie nun vorübergehend in zwei kleinen Zimmern in einem ehemaligen Hotel am Heumarkt untergebracht. Später soll sie in eine 54 Quadratmeter große Wohnung umziehen. „Das ist ein Witz“, sagt Stamm. „Wie sollen wir denn dort zu acht leben?“

7200 Menschen wohnungslos in Köln

Das Beispiel zeigt, wie schnell Kölner ihre Wohnung verlieren können. 7200 Menschen in der Stadt gelten als wohnungslos, weil sie über keinen Mietvertrag verfügen. Sie leben in Sozialhäusern oder schlafen bei Freunden auf der Couch. Damit sie nicht auf der Straße landen, muss die Stadt Köln sie unterbringen. Laut eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 6. März 2020 muss der Wohnraum angemessen sein. Die Richter entschieden in einem Fall eines Kölners, dass jeder Person mindestens neun Quadratmeter Wohnraum zustehen, kleineren Kindern sechs. Zusätzlich muss für angemessenen Rückzugsraum gesorgt werden.

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Gegen die Unterbringung der Mülheimer Familie in zwei kleinen Zimmern mit jeweils vier Betten hatte der SSM einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Köln gestellt, der abgewiesen wurde. Allerdings urteilten die Richter, dass die Stadt die Familie nicht dauerhaft unangemessen unterbringen dürfe. Nach Ablauf einer Übergangszeit müsse eine andere Lösung gefunden werden. „Das Urteil ist ein Teilerfolg“, sagte Rainer Kippe vom SSM. „Die Zuweisung dieser viel zu kleinen Wohnung ist nach unserer Auffassung deshalb weiterhin rechtswidrig.“

Kippe kündigte an, mit dem Fall vor das OVG Münster zu ziehen. Einerseits seien 54 Quadratmeter für eine achtköpfige Familie schlicht zu klein. Angemessen wären mindestens 69 Quadratmeter. Andererseits sei der Stadt der Fall der Familie schon seit Mai 2021 bekannt, weil es auch zuvor schon zwei Versuche des Vermieters gegeben habe, die Familie zu räumen. Die Kommune habe aber versäumt, für einen angemessenen Ersatzwohnraum zu sorgen.

Gericht lehnt Eilantrag ab

Durch die Ablehnung des Eilantrags sieht sich aber auch die Stadt bestätigt. „Insofern ist die Aussage von Herrn Kippe, dass wir rechtswidrig untergebracht haben, falsch“, teilte ein Stadtsprecher mit. Die Verwaltung wolle die Familie so schnell wie möglich in einer größeren Wohnung unterbringen. Beabsichtigt sei, die Familie in einer Wohnung in einem Sozialhaus unterzubringen. „Mit Hochdruck wird an einer anderen Lösung gearbeitet.“

Das Urteil des OVG Münster vom März 2020 diene der Stadt als „Richtschnur“ für die Unterbringung, sofern die Kapazitäten und die Gegebenheiten vor Ort das zulassen“, heißt es weiter seitens der Verwaltung. Die Kommune sei bemüht, entsprechende Kapazitäten aufzubauen.

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