„Wollen, dass sich alle küssen“Kölner Band Querbeat feiert großen Chart-Erfolg

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Die Band Querbeat ist mit ihrem neuen Album „Radikal positiv“ sehr weit oben in den Albumcharts.

Die Band Querbeat ist mit ihrem neuen Album „Radikal positiv“ sehr weit oben in den Albumcharts.

Köln – Passt es in diesen Zeiten besonders gut, ein Album mit dem Titel „Radikal positiv“ zu veröffentlichen? Oder ist das voll daneben? Diese Frage haben sich die 13 Köpfe des Querbeat-Universums durchaus gestellt. Die Antwort besteht aus 13 Liedern und setzt radikal auf Optimismus. „Es ist wichtig, wenn man am Ende des Tunnels keinen Bock mehr hat, Stärke aufzubauen, Vertrauen zu haben. Das ist eine zentrale Botschaft unseres Albums“, erklärt Sänger Jojo Berger.

Hier hören Sie das ausführliche Gespräch mit ihm als Podcast. 

„Früher wird alles besser“, ein Lied auf dem Album, mit dem die Kölner Band eine Woche nach Erscheinen am Freitag bis in die Top 2 der Charts geklettert ist, hatte die Band schon im vergangenen Sommer in die Welt gebracht. „Bald ist der Boden nicht mehr Lava, Lava“, heißt es darin zum vertrauten Brass-Sound von Querbeat. Das musikalisch partytauglich unterlegte Fazit: „Früher wird alles besser, viel früher, früher als du denkst.“

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So ganz hat sich dieser Wunsch leider noch nicht bewahrheitet. Wie geht es Querbeat eigentlich ein Jahr später, immer noch mitten in der Krise? Immerhin steht die Combo, die ihren Stil als „Future Brass Punk“ beschreibt, buchstäblich für alles, was wegen Corona nicht mehr angezeigt ist: feiern, tanzen, sich nahe kommen. „Wir sind der personifizierte Kontaktbefehl, wir wollen, dass alle sich küssen und kennenlernen am Ende unserer Show“, umschreibt Berger das Programm seines Kollektivs. „Darum war für uns auch immer klar, dass wir in der Krise mitspielen – indem wir eben keine Konzerte spielen.“ Auto-Konzerte als Alternative seien für die Band nicht in Frage gekommen. „Das ist nicht unsere Art und Weise, Musik zu feiern.“

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Finanzielle Herausforderungen, „aufeinander folgende schlechte Nachrichten“ und die ständige Ungewissheit, all das sei mental schwierig für die Band gewesen. „Und das zieht sich bis zu unserer Tour, die wir im Herbst geplant haben und von der wir nicht wissen, ob sie so stattfinden kann, wie wir das gerne hätten. Man will einfach nur wieder Normalität.“

Was Querbeat in der Krise besonders auf die Palme gebracht hat: Sogenannte Querdenker, die den ersten Teil ihres Namens in den Schmutz gezogen haben. Eins der neuen Lieder „Allein“ ist Coronaleugnern gewidmet: „Hast Du Dir mal zugehört, wie Du die ganze Welt verschwörst? Du wirst damit allein sein, da wird keiner dabei sein.“ Aber auch die amerikanische „QAnon“-Bewegung, deren Anhänger gewaltsam das Kapitol in Washington stürmten, haben diesen einen Lieblingsbuchstaben der Band in Verruf gebracht. „Make the Q sexy again“, formuliert Berger den Auftrag in ironischer Anspielung auf die Trumpsche Formel „Make America great again“, um dann ernst zu werden: „Wir haben als Band eine gewisse Reichweite und nutzen die auch, um unseren radikalen Glauben an das Gute voranzubringen. Für uns ist es superwichtig, Sachen klar anzusprechen, aber immer auch in den Dialog zu gehen und Menschen dazu zu motivieren, sich anders zu verhalten.“

Auf dem gelungenen Album findet sich auch eine Hymne auf die in der Krise schwer gebeutelten Kölner Clubs und Kneipen. Für „Neu Köln“ hatte sich die Band eine ungewöhnliche Premiere einfallen lassen: „Wir haben CDs mit dem Song in allen Kneipen der Stadt verteilt – und dann hatten wir diesen Moment an einem Freitag um 23 Uhr, als 130 Kneipen in Köln gleichzeitig genau diese Nummer gespielt haben.“

Welche Kneipen und Clubs Jojo Berger besonders gefallen? Spontan kommt als Antwort der Club Bahnhof Ehrenfeld und die Kneipe Lotta in der Südstadt. In der Südstadt hat die Band auch ihren Proberaum.

Sehnsucht nach einer unbeschwerten Clubnacht

Spontan fallen Berger dann auch die Radwege als Beispiel dafür ein, wo sich Köln tatsächlich einmal neu erfinden könnte. Und auch der Kölner Musikszene wünscht er im Gespräch etwas mehr Abwechslung. Monokulturen im Wald seien schließlich auch ungesund. „Wir wollen Buchen, Eichen und Pinien.“ Übersetzt: Wer als Veranstalter eines Stadtfestes immer die bekannten kölschen Bands buche, könne sich zwar auf der sicheren Seite wähnen, aber verpasse auch die Chance, Spannendes zu entdecken.

Zeit, die Frage zu stellen, welcher andere Ort neben dem „Barbarossaplatz“ in Köln ein Lied verdient hätte? „Das Eierplätzchen in der Südstadt ist super“, sagt Berger. „Und am Eifelplatz gibt es jetzt auch ein Mäuerchen, an dem man schön sitzen kann.“ Was er heftig vermisst in dieser Zeit, in der Normalität derart erstrebenswert geworden ist? „Ich würde sehr viel auf mich nehmen für eine richtig unbeschwerte Clubnacht.“ Allen ganz tief in die Augen gucken, neue Leute an der Bar kennenlernen, so was. „Dort würde ich auch sehr lange auf die Frage antworten, wie es mir geht – nicht mehr so ein Smalltalk wie früher.“

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