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ZuhältereiPolizei durchsucht Eros-Center

Lesezeit 4 Minuten

Beamte in Zivil durchsuchen zwei Kölner Bordelle.

Köln – Die Dämmerung hat gerade eingesetzt, als ein Großaufgebot der Polizei am Donnerstagabend in der Hornstraße vorfährt. Ziel der Beamten: die Eros-Center „Pascha“ und „Das Bordell“. Ihr Verdacht: Schwarzafrikanische Frauen, die dem Voodoo-Zauber verfallen sind, werden hier zur Prostitution gezwungen – meist ohne Wissen der Bordellbetreiber. Die Kontrollen sind Teil der europaweiten Polizeiaktion „zur Bekämpfung des internationalen Menschenhandels“. In Deutschland wurden unter Federführung des Bundeskriminalamts (BKA) Hunderte Bordelle durchsucht. Ein Ergebnis soll am Freitag bekanntgegeben werden.

Es ist eine vergleichsweise neue, zugleich besonders skurrile Art der Zuhälterei, die vermehrt seit der Fußball-WM 2006 in deutsche Rotlichtviertel eingesickert ist: Menschenhändler versprechen Frauen in Nigeria ein sicheres Leben in Deutschland, eine gut bezahlte Stelle als Küchen- oder Haushaltshilfe. Bei ihrer Ankunft hier erhalten die überraschten Opfer ihre Arbeitskleidung: einen Slip und einen BH. Dann werden sie in ein Bordell gebracht und müssen die Kosten für die Schleusung abbezahlen, in der Regel 50 000 Euro.

Kaum Gegenwehr

Widerspruch, Gegenwehr oder eine Strafanzeige müssen die Täter kaum fürchten. Denn vor ihrer Abreise aus Nigeria werden die Frauen von einem Voodoo-Priester eingeschworen, ihren „Betreuern“ aufs Wort zu gehorchen. Wer sich widersetzt oder die Polizei einschaltet, muss dem Ritual zufolge mit schlimmen Folgen rechnen: Krankheiten, Unfruchtbarkeit, Wahnsinn, Tod – für die gesamte Familie.

Wie tief der Glaube an den Voodoo-Kult bei den Frauen verankert ist, verdeutlicht ein BKA-Ermittler in einem internen Schulungsbericht für Polizeibeamte, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Demnach erkrankte eine nigerianische Prostituierte nach ihrer Aussage bei der Kripo an einer Gebärmutterentzündung. „Für die Frau bestand kein Zweifel daran, dass ihr gebrochenes Versprechen gegenüber dem Voodoo-Priester, nicht zur Polizei zu gehen, Grund für die Erkrankung war“, heißt es in dem Bericht. Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit ihren Freiern sei für sie als Ursache nicht infrage gekommen.

Auch in Köln werden immer wieder Opfer der Voodoo-Menschenhändler aufgegriffen. Die Vernehmungen seien mühsam, belastbare Aussagen über die Hintermänner selten, berichtet ein Ermittler. Der Grund: Die Frauen sehen in den Polizisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationenlaut BKA Bösartige, die sie dazu bringen wollen, ihren Schwur zu brechen.

Andere Beweismittel

Daher sind die Beamten auf andere Beweismittel angewiesen. Bei der Durchsuchung der Bordellzimmer halten sie vor allem nach Reiseunterlagen und Tagebüchern Ausschau. Hin und wieder finden sie Videofilme mit inszenierten Hinrichtungen, mit denen die Menschenhändler ihre Opfer einschüchtern.

Auch sogenannte Voodoo-Beutel fallen den Ermittlern in seltenen Fällen in die Hände – Tücher, in die Fingernägel, Schamhaare, Menstruationsblut und getragene Slips eingewickelt sind. In der Regel bewahren die Priester die Beutel nach der kultischen Zeremonie auf. Manchmal aber, so die Erkenntnis der BKA-Experten, schicken die Opfer die Gegenstände auch erst aus Deutschland nach Nigeria. Dort legt ein Priester sie mit Nacktfotos der Frau vor einen Schrein und vollzieht den Schwur in ihrer Abwesenheit. „Die Wirkung ist dieselbe“, erklärt ein ranghoher Ermittler aus Nigeria in einem Bericht an die Europäische Polizeibehörde Europol in Den Haag. „Das Opfer glaubt, dass seine Existenz in den gesammelten Gegenständen verkörpert wird.“ Das Wesen des Schwurs sei die Einschüchterung.

Weibliche Zuhälter

In Deutschland kümmern sich nicht etwa breitschultrige, gewalttätige Zuhälter um die vermeintlich verhexten Frauen. Es sind elegante Damen, sogenannte „Madams“, die ihre Landsfrauen kontrollieren und abkassieren. Nach BKA-Informationen leben viele dieser Madams in Scheinehen mit deutschen Männern.

Bis zu 90 Prozent ihrer Einnahmen müssen die Opfer abgeben. Das Geld teilen sich ihre Aufpasserinnen mit den Schleusern und mit Komplizen, die die Frauen in Nigeria anwerben und ihnen gefälschte Pässe für die Reise nach Europa besorgen.

Für seine Kollegen von Europol hat der nigerianische Ermittler eine so ungewöhnliche wie einleuchtende Empfehlung parat: Um die Opfer zu einer Aussage zu bewegen, sollten bei den Vernehmungen hierzulande Voodoo-Priester oder „kulturelle Mediatoren“ hinzugezogen werden. Nur sie seien in der Lage, „den Zauber bei den Frauen zu brechen“.

In einigen Fällen habe sich die Methode schon als „sehr effektiv“ erwiesen.