Eskalierte Zwangsräumung in KölnErschossener Mieter lehnte städtische Unterkunft ab

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Ermittler der Spurensicherung stehen vor der Wohnung.

  • Bei einer eskalierten Zwangsräumung starb am Mittwoch ein 48-Jähriger durch zwei Schüsse der Polizei.
  • Zuvor hatte er ich massivst gewehrt, die ihm gekündigte Wohnung zu verlassen. Nun ist klar: Er lehnte auch die Unterbringung in einer städtischen Unterkunft ab.
  • Wie kann es zu einer Zwangsräumung kommen und was passiert mit den Betroffenen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Köln – Ein Mieter drangsaliert und bedroht über Jahre hinweg seine Nachbarn, randaliert in seinem Appartement, verursacht Wasserschäden – und wird eines Tages von seiner Vermieter-Gesellschaft aus der Wohnung geschmissen, angekündigt und von einem Richter abgesegnet. Der Mieter weigert sich, spricht Drohungen aus und rastet schließlich vollends aus, als die Gerichtsvollzieherin vor der Tür steht. Mutmaßlich unter Drogen stehend greift er Polizisten mit einem Messer an und wird erschossen. Ein Szenario wie aus einem Sozialdrama, das am Mittwochmorgen in Köln-Ostheim zur traurigen Realität geworden ist, als der 48-jährige Louzef B. in seiner Wohnung von zwei Schüssen getroffen wurde und verblutete. Während die Ermittlungen dazu erst begonnen haben, ist eine Debatte über den Umgang mit Zwangsräumung in vollem Gange. Linke Aktivisten demonstrierten in der Nähe des Tatorts gegen diese Praxis und gegen Obdachlosigkeit. 

Eine Gerichtsvollzieherin kommt mit der Polizei, um die Wohnung zu räumen. Was sollte mit dem Mann passieren?

Als die Stadt über die bevorstehende Zwangsräumung informiert wurde, machte ihm das Sozialamt das Angebot, in eine städtische Unterkunft zu gehen. Die Stadt hält genau eine Unterkunft für sogenannte ordnungsbehördliche Unterbringungen wie diese vor. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber lehnte Louzef B. dieses Angebot ab. Was stattdessen sein Plan war, ist unklar. Gezwungen, in einer städtischen Unterkunft zu schlafen, wird niemand.

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Also drohte dem Mieter die Obdachlosigkeit?

Womöglich, ja. Jeder darf aus freien Stücken auf der Parkbank oder unter der Brücke schlafen. Möglicherweise wäre er aber auch bei Bekannten untergekommen. B. galt aber als Einzelgänger ohne engeres Verhältnis zu Freunden oder Verwandten.

Darf denn eine Wohnungsgesellschaft Mietverhältnisse kündigen, auch wenn der Mieter keine andere Wohnung findet?

Grundsätzlich ja, allerdings unter strengen Voraussetzungen. So muss der sogenannte „Hausfrieden“, also die gegenseitige Rücksichtnahme und ein geordnetes Zusammenleben der Nachbarn, durch den Mieter nachhaltig gestört sein. Schwerwiegende Verstöße gegen den Hausfrieden hatte es in diesem Fall aber nach übereinstimmender Auskunft mehrerer Nachbarn zuletzt regelmäßig gegeben, unter anderem nächtliche Ruhestörungen, Randale und aktiv herbeigeführte Wasserschäden. So soll B. mehrmals sein Aquarium, seine Badewanne und seine Spüle überlaufen lassen haben. Wenn wegen solcher Vorfälle die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist, kann dieses vom Vermieter fristlos gekündigt werden.

Und dann findet sich keine andere Wohnung für die Betroffenen?

Das kommt drauf an. Dieser Fall ist zu unterscheiden von Fällen, in denen Mieterinnen oder Mietern wegen Zahlungsrückständen gekündigt wird. Dann nämlich würde das Sozialamt in der Regel zuvor versuchen zu intervenieren, um zu versuchen, die Kündigung zu verhindern. Ist das nicht möglich, kommt oft die städtische Wohnungsgesellschaft GAG zum Zug und versucht, eine Unterbringung in einer ihrer Wohnungen zu ermöglichen.

Aber wer vermietet seine Wohnung an jemanden, dem wegen wiederholter Ruhestörungen und Wasserschäden gekündigt wurde?

Das ist der entscheidende Punkt. So gut wie niemand. Wer „nicht fähig oder bereit ist, die Verpflichtungen eines Mietvertrages zu erfüllen, oder auf Grund eigenen Verhaltens im Mietwohnungsbau nicht zu versorgen ist“, könnte am Ende nur in einer Einrichtung unterkommen, zum Beispiel einer städtischen Obdachlosenunterkunft. Auch in solchen Fällen ist die Stadt verpflichtet, akute Obdachlosigkeit zu verhindern. Das gelingt aber nicht immer – etwa 300 Obdachlose wohnen derzeit in Köln.

Wohin kann ich mich wenden, wenn mir eine Kündigung oder Räumung droht – aus welchem Grund auch immer?

An das Sozialamt, Ottmar-Pohl-Platz 1, 0221/221-31888 oder sozialamt.fachstellewohnen@stadt-koeln.de. Nähere Infos gibt es hier.

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