100 Jahre Louis de FunèsNein!? - Doch!! - Ohh!!!

Louis de Funès wurde besonders durch seine vielen Gesichter bekannt.
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Rabbi Jacob
Wenn Rabbi Jacobi auf der Fahrt durch das jüdische Viertel von Paris die Menge mit dem Kreuzzeichen segnet, ist ziemlich klar: der Kerl ist nicht koscher. So falsch wie die rituellen Handlungen ist der Rauschebart, die der vermeintliche Besuch aus New York trägt. Dieser tarnt gemeinsam mit dem Hut, der schwarzen Montur und den Schläfenlocken den Fabrikanten Victor Buntspecht alias Louis de Funès als Rabbiner, der zur Bar Mitzwa seines Großneffen in der französischen Metropole erwartet wird. Buntspecht ist aber in Wahrheit ein rassistischer Sprücheklopfer, den allein widrige Umstände ins ehrwürdige Kostüm zwingen.
Mit „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ aus dem Jahr 1973 gelang Louis de Funès unter der Regie von Gérard Oury etwas, was man heute als Multikulti-Komödie mit politisch inkorrekten Untertönen bezeichnen würde – aktuell läuft mit „Monsieur Claude und seine Töchter“ ein solcher Film in den Kinos. Oury bringt einiges zusammen: Nicht nur einen französischen Chauvinisten, sondern auch einen arabischen Revolutionär, der ins Rabbiner-Gewand schlüpft. Dazu jede Menge Folklore, die durch den Kakao gezogen wird, und natürlich de Funès selbst, der im Kreise seiner „Glaubensbrüder“ entfesselt tanzt. „Gestern war ich noch kein Jude“, versichert er einem, der ihm auf die Schliche kommt. Seinem Rabbi Jacob sieht man das kaum an. (F.O.)
Der Flic
„Dümmer als die Polizei erlaubt“ lautet der Untertitel einiger US-Spielfilme und zweier TV-Serien der 80er und 90er Jahre. Was aber, wenn die Polizei ihrerseits „dumm“ ist? In der Rolle des einfältigen, obrigkeitsfixierten, überengagierten, dauerempörten, chaotisch-leerlaufenden Polizisten, gesteckt in die Montur des typischen französischen Flic, erlebte Louis de Funès jedenfalls seine vielleicht größten Erfolge – weit über sein Heimatland hinaus.
Die Rede ist von der „Fantomas“-Trilogie (1964 bis 1967) und der sechsteiligen Serie der Saint Tropez-Filme (1964 bis 1982). In der einen spielt Funès den konfusen Kommissar Juve, mit dem ein genialer Verbrecher Katz und Maus spielt, in der anderen den trotteligen Gendarmen Cruchot, der im südfranzösischen Jet-Set-Paradies Verwirrungen stiftet und Opfer von ebensolchen wird. Zum Inbegriff für die Wohllebe der Upper Class wurde Saint Tropez übrigens auch in Deutschland erst im Gefolge der Cruchot-Filme.
Von Haus aus ist das Komikpotenzial dieser Produktionen überschaubar, vieles kommt über situativen Klamauk bei insgesamt haarsträubenden Handlungskonstruktionen nicht hinaus. Ein Flic, der seinem Vorgesetzten einen Schraubendreher ins Gesäß rammt, weil er ihn für einen Außerirdischen hält – das ist zunächst einmal niveauermäßigtes Boulevardtheater. Wenn sich all das – mit Recht – unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis eingegraben hat, dann ist das einzig dem Charisma Louis de Funès’ zuzuschreiben (der in „Fantomas“ keinen geringeren als Jean Marais an die Wand spielte).
Wie das Charisma zu beschreiben ist? Wohl so: Funès führte in Gestik und Mimik angemaßte Autorität ad absurdum und setzte dadurch wollüstig und publikumswirksam anarchisch-destruktive Impulse frei. Darin ist er durchaus mit Charlie Chaplin zu vergleichen. (MaS)