Das bedrohte Kölner Acht-Brücken-Festival bietet 2025 viel Lichtmetaphorik und die synästhetische Musik von Kaija Saariaho.
Acht-Brücken-Festival„Die Natur schafft sich ihre eigene Akustik“

Durch den Bodennebel scheint die aufgehende Sonne hinter einem Baum auf einem Acker
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„Licht!“ ist nicht nur das Rahmenmotto des diesjährigen Kölner Acht Brücken-Festivals, die ausrufezeichen-bewehrte Formel leuchtet auch, Zuversicht spendend, einer Zukunft, die gerade für Acht Brücken derzeit eher düster aussieht. Der von der Politik beschlossene Wegfall von Fördermitteln zwingt das lange schon überregional renommierte Neue-Musik-Fest, sich neu aufzustellen. Das wird auf jeden Fall mit Selbstbescheidung verbunden sein und handfeste Einbußen erzwingen. Louwrens Langevoort, Acht-Brücken-Gründer und scheidender Philharmonie-Intendant, kann sich eigentlich nur glücklich schätzen, nicht mehr planender Zeuge der absehbaren Fastenkur zu sein.
Zentral geht es um die Verbindung von Musik und Licht
All das ist freilich nur eine zufällige „Neben-Anmutung“ des Festivalmottos. Zentral geht es um die Verbindung von Musik und Licht, für die auch die Porträtkünstlerin der diesjährigen, am 9. Mai beginnenden 15. Ausgabe steht. Die finnische Komponistin Kaija Saariaho, die Anfang Juni 2023 70-jährig an ihrem langjährigen Wohnort Paris verstarb, war Synästhetikerin, die die künstlerische Verschmelzung von Sinneseindrücken und -wahrnehmungen unterschiedlichster Herkunft in ihren Werken verband. Darauf verweisen bereits Werktitel wie „Lichtbogen“, „Light and Matter“, bei denen es um Nordlichter als Inspirationsquelle und die glitzernden Blätter im New Yorker Morningside Park geht (beide Stücke werden selbstverständlich im Rahmen des Festivals aufgeführt).
Auf Anhieb haben Licht und Musik nicht viel miteinander zu tun: Das eine ist ein optisches Phänomen, das das Auge wahrnimmt, die andere ein akustisches, welches das Ohr angeht. Unstrittig ist indes die zentrale Rolle, die das Licht quer durch die Weltkulturen auch für die Tonkunst hat. In einer jüdisch-christlich geprägten Kultur und ihrer Musik zum Beispiel – sei sie wortgebunden oder „absolut“ – liegt diese Bedeutung unmittelbar auf der Hand: Gleich zu Beginn des biblischen Buches Genesis wird das Licht erschaffen. Eine besonders nachdrückliche, erhabene musikalische Entsprechung der Lichtgeburt findet sich etwa am Beginn von Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, wo Chor und Orchester an der Stelle „Und es ward Licht“ in strahlendem C-Dur-Fortissimo explodieren. Mit einiger Plausibilität hat man auch die Harmoniewechsel in Bruckners Sinfonik mit der unterschiedlichen Brechung des Lichteinfalls in Kirchenfenstern in Verbindung gebracht.

Kaija Saariaho ist diesjährige Porträtkünstlerin des Acht-Brücken-Festivals
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Später wurde die religiöse Bildlichkeit auch in der Musik säkularisiert, ohne dass sich ihre „lichtgetränkte“ Bedeutsamkeit bis heute verloren hätte. Dabei ist ein grundsätzlicher Einwand nicht von der Hand zu weisen: Zunächst einmal kann Musik Lichtphänomene nur metaphorisch darstellen – indem sie für das Licht als solche wahrnehmbare Tonäquivalente „erfindet“. Eine Verbindung wie „strahlendes Fortissimo“ verweist bereits auf die Metaphernbildung – „strahlen“ kann von Haus aus nur das Licht (bzw. die Lichtquelle), nicht der Klang.
Viele Komponisten gerade der Moderne haben sich freilich nicht mit solchen Analogien bzw. ihrer Herstellung zufrieden gegeben. Sie hatten und haben dabei ein Stück weit die Physik auf ihrer Seite – Licht- und Schallwellen sind miteinander verwandt. Beim Acht-Brücken-Festival macht sich das zum Beispiel der französische Komponist Brendan Champeaux zunutze, der, angeregt durch die Farbenergien auf Bildern von Mark Rothko und Yves Klein, die Qualitäten von Lichtwellen mit ihren Teilspektren auf sein neues, zur Uraufführung anstehendes Werk überträgt.
Verschmelzung als romantische Utopie des Gesamtkunstwerks
Bestrebungen, Klang und Farbe, Musik und Licht nicht durch Metaphorisierung, sondern vielmehr rein „technisch“, als simultane Ereigniskomplexe, zusammenzubringen, sind freilich alt. Der Russe Alexander Skrjabin setzte in seiner Komposition „Prometheus“ ein Farbenklavier mit genauen Ton/Farbe-Zuordnungen ein. Ungefähr zur selben Zeit, in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, emanzipierte die Schönbergschule die Dimension der „Klangfarbe“ – der Begriff ist bezeichnend genug – von einem sekundären Moment zu einer Leitkategorie des musikalischen Schaffens. Hinter solchen Verschmelzungstendenzen stand naheliegend noch die romantische Utopie des Gesamtkunstwerks, also einer produktiven und damit alles Bisherige überbietenden Verschmelzung der Künste.
Um den Faden aufzunehmen: Kaija Saariaho, die in vergangenen Jahrzehnten zum Inbegriff der pulsierend-vitalen Musikszene des nordosteuropäischen Musiklandes wurde, setzt die Linie der „Lichtkomposition“ auf ihre höchst eigenwillige Weise fort. Das zeigen etliche ihrer 15 jetzt in Köln auf dem Programm stehenden Werke, nicht nur die oben genannten. Zu dieser Eigenwilligkeit gehört, dass sie die Synästhesie von Musik und Licht essenziell auf ein Drittes bezieht: auf Natur – genauer: die Natur ihres Heimatlandes. Und es ist dieses Dritte, in dessen Zeichen auch in ihren Selbstäußerungen beide ineinander übergehen – wie in diesem Statement aus dem Jahr 2006: „Wenn ich an Finnland denke, erinnere ich mich an wunderbare Veränderungen des Lichts. Alles ist markant. Der Winter ist unglaublich dunkel, der Sommer ist berauschend. Die Natur schafft sich ihre eigene Akustik. Insbesondere im Frühjahr und Sommer. Alles ist tönende Atmosphäre.“
In der solchermaßen beschriebenen Kunst wird ein Zusammenhang beschworen, der wie vieles andere heute von Zerstörung bedroht ist. Keine Frage: Wenn dies so „herüberkäme“, stellte sich auch die 15. Ausgabe der Acht Brücken als eine Veranstaltung dar, die hart am Puls der Zeit segelt – unabhängig davon, was noch kommt. Oder auch nicht kommt.