Alleine gegen HitlerBuch über Widerstandskämpfer

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Georg Elsner (l.) in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

Georg Elsner (l.) in der Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

Der renommierte Zeithistoriker Wolfgang Benz entwirft in seinem Buch „Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser“ ein Porträt des Hitler-Attentäters. 

„Einer aus Deutschland“ – das ist der Untertitel des sehenswerten Spielfilms, den Klaus Maria Brandauer 1989 als Regisseur und Hauptdarsteller dem Hitler-Attentäter Georg Elser widmete. Tatsächlich: Der Mann, der am 8. November 1939, also kurz nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe hochgehen ließ, gehörte nicht wie die Militärs des 20. Juli oder andere Prominente aus den Machtkartellen des Dritten Reiches zu jenen, die, gut vernetzt mit Gleichgesinnten, zu später Stunde den Absprung und den Tyrannenmord wagten.

Vielmehr war er ein Schreiner vom Ostrand der Schwäbischen Alp – (irgend) einer aus Deutschland eben. Elser stammte aus einfachen Verhältnissen, war nicht gebildet, sprach nicht Hochdeutsch - aber er hatte einen unfehlbaren inneren Kompass, der ihm bedeutete, dass der Diktator getötet werden müsse, sollten Anstand, Gesittung, Freiheit, Humanität überhaupt noch eine Chance auf diesem Planeten haben. Wobei ihm das Wort „Humanität“ wohl kaum über die Lippen gekommen wäre.

Der renommierte Zeithistoriker Wolfgang Benz, bis 2011 Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, entwirft in seinem Buch „Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser“ ein Porträt dieses Hitler-Gegners, das freilich nur so prägnant sein kann, wie es die dürftige Quellenlage zulässt. Wenn einem hier „der Mensch“ Elser nicht recht nahekommt, wenn die Stationen des inneren Weges zu seinem radikalen Entschluss nach wie vor undeutlich bleiben, dann wird man das dem Autor wohl nicht anlasten können.

Die Quellenlage ist dürftig

Auch übrigens nicht, dass der Textanteil seines Buches vergleichsweise magere 197 Seiten umfasst. Und das, obwohl er zum Beispiel mit einem nicht unbedingt erforderlichen Kapitel zur Geschichte der Hitler-Attentate angefüttert wird. Den angeblich traditionell rebellischen Habitus der Leute von der Schwäbischen Alp, den Benz unter Hinweis auf eine von Schubart bis zu Stauffenberg und den Geschwistern Scholl reichende Galerie konstruiert, wird man hingegen für eine „stammespoetische“ Mystifikation halten müssen.

Elser war, so viel steht fest, ein Einzelgänger und Einzeltäter, der es freilich schaffte, mit mehr oder weniger zusammengeklauten Zutaten, Zähigkeit und großer praktischer Intelligenz eine professionelle Bombe zu bauen und sie in nächtlicher Kleinarbeit in einer Säule hinter dem Rednerpult zu verstauen.

Dort würde Hitler eine Rede zum Gedenken an seinen Putsch von 1923 halten. Die Bombe explodierte auch und hätte den Diktator unweigerlich getötet, wenn er nicht vorzeitig den Weg von München zurück nach Berlin angetreten hätte. Polizei und Gestapo kamen Elser dann schnell auf die Spur, den Rest seines Lebens verbrachte er als Prominentenhäftling in den KZs Oranienburg und Dachau, wo er kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde.

Im internen Machtapparat war das Entsetzen darüber groß, dass ein unbedeutender Einzelner es fast geschafft hatte, den „Führer“ ins Jenseits zu befördern. Deshalb wurde das Narrativ von der Anschlagsplanung durch den britischen Geheimdienst gestrickt, das – wie Benz dartut –, zu jenen Nebelkerzen gehört, die vor und nach 1945 auf das Elser-Attentat geworfen wurden.

Zu ihnen zählte auch die Legende, Elser sei das Werkzeug einer Inszenierung des Regimes gewesen. Aus solchen Geschichtsfälschungen formierte sich, wie der Autor zeigt, eine bedrückende Rezeptionshistorie, die Elser lange Jahrzehnte auf das Abstellgleis der Forschung zum Widerstand im Dritten Reich führte.

Hinzu kam der weiland beliebte – und tatsächlich zumindest diskutable – Vorwurf, dass es mit Elsers Moral so weit nicht her gewesen sein konnte, weil er immerhin den Tod Unschuldiger in Kauf nahm. Das war allerdings bei anderen Hitler-Attentätern auch so, ohne dass es deren allgemeiner Anerkennung so lange im Weg gestanden hätte. Im Prinzip ist Elsers Rehabilitierung freilich inzwischen erfolgt, für ein solches Projekt käme Benz zu spät. Insofern bietet sein ordentlich, nicht unbedingt brillant geschriebenes Buch einige interessante Detailerkenntnisse und insgesamt bedenkenswerte Perspektiven – grundstürzend Neues liefert es nicht.


Wolfgang Benz: „Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser“, C.H. Beck, 223 Seiten, 27 Euro

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