Premiere im Theater im BauturmSchauspieler rebellieren gegen ihren Regisseur

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Szene aus „Amphitryon“ im Bauturm  

Köln – Wenn ein Meister der Meta-Ebenen im Theater wie der Regisseur Kieran Joel („Don Quijote“, „Moby Dick“) Heinrich von Kleists Doppelgänger-Komödie auf die Bühne des Theater im Bauturm bringt, dann gilt für den Zuschauer Anschnallpflicht. „Amphitryon. Ein metaphysisches Gedankenspiel nach Kleist“ heißt der vollständige Titel des neuen Klassiker-Clous von Kieran Joel.

Der nutzt die Vorlage für eine ebenso kluge wie komische Verwechslungskomödie um den modernen, seiner selbst unsicheren Menschen. Wo nach Kleist „kein Menschsinn ist und kein Verstand“, da lässt sich, alle Leinen losgelassen, trefflich auf den Theaterbrettern davonsegeln.

Bevor es aber in das Antike-Setting nach Theben geht, bringen die beiden Schauspieler Leonie Houber und Felix Witzlau das Publikum schon einmal auf Betriebstemperatur. Auf einer Bühne, deren Bäume und antiken Säulen Assoziationen an einen psychedelischen Park wachrufen, beginnen die beiden ein fulminantes Charaden-Gewitter um die eigene Schauspieler-Identität. Wer ist wer? Wer spielt wen? Und wer hat hier eigentlich die Hauptrolle? Solchermaßen von der Regie von der Rolle gelassen, danken es ihr die beiden Vollblutkomödianten mit ungebremster Lust am Spiel, bei dem auch das Publikum mit einbezogen wird.

Ein Gott in Kriegergestalt

Da kommt nach diesem hochgejazzten Prolog die kurz zusammengefasste Handlung des Kleist-Stückes gerade recht, um den eigenen Geist wieder in ruhige Bahnen zu lenken: Gott Jupiter hat die sterbliche Alkmene in Gestalt ihres Mannes heimgesucht und verführt. Als ihr Gatte Amphitryon tags drauf nach fünf Monaten Krieg wieder nach Hause kommt, kann Alkmene nicht begreifen, dass ihr Mann leugnet, die Nacht mit ihr verbracht zu haben.

Die Behauptung seiner Frau stürzt ihn in eine Sinnkrise. Parallel bekommt es auch Amphitryons Diener Sosias mit einem göttlichen Doppelgänger in Gestalt von Merkur zu tun. Der muss auf Geheiß seines Chefs in Sosias‘ Gestalt dessen Liebesnacht bewachen. Solchermaßen im Crash-Kurs auf den Stand der Dinge gebracht, streut die Inszenierung immer wieder Schlüsselszenen aus „Amphitryon“  in die selbstreferentielle Beschäftigung mit dem Theatertreiben und dem Schauspielerdasein ein.

Feministische Erotikszene

Die erweisen sich dann als wahre Komödienhighlights, bei denen gleichzeitig der Stoff auf seine gesellschaftliche Relevanz abgeklopft wird. Etwa wenn die Frage auftaucht, ob Felix Witzlau hier den mitleidheischenden Hahnrei Amphitryon spielen darf, wo doch seine Frau Alkmene durch seinen göttlichen Doppelgänger zum Missbrauchsopfers wird. Prompt kontert Leonie Houber mit einer urkomischen, feministischen Erotikszene.

Während sie in aller Ausführlichkeit ihrem heimgekehrten Gatten die vermeintlich mit ihm verbrachte „göttliche“ Nacht beschreibt, verwelkt der stolze Heerführer beim Hören dieser erotischen Heldengeschichte zum jämmerlichen Mauerblümchen. 

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Auf die Spitze getrieben wird das Spiel mit verschachtelten Meta-Ebenen wenn die beiden Bühnenakteure gegen ihren Gott, den Regisseur Kieran Joel, rebellieren. Um ihn aus dem Regie-Olymp zu stürzen, wird kurzerhand improvisiert und die Doppelgänger-Szene des Dieners Sosias zum Duell zweier prekärer Lieferdienst-Fahrer umgewandelt. Wie der Sieg der Schauspieler über die Regie letztendlich doch nur weitere Bühnenwirklichkeit offenlegt, sorgt an diesem rundum gelungenen  Premierenabend für den größten von ganz vielen Lachern.

Theater im Bauturm, 21., 30. + 31. 5. (20 Uhr), 22. + 29.5. (18 Uhr)

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