Angelika Kallwass: Was am Ende zähltKallwass' neues Buch handelt vom Tod und einem erfüllten Leben

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Zwischen 2001 und 2013 war Angelika Kallwass auf SAT1 als Fernseh-Psychologin zu sehen.

Zwischen 2001 und 2013 war Angelika Kallwass auf SAT1 als Fernseh-Psychologin zu sehen.

Angelika Kallwass war, zwischen 2001 und 2013, als sie für SAT1 im Nachmittagsprogramm die Pseudo-Realityshow „Zwei bei Kallwass“ machte, Deutschlands bekannteste Therapeutin. Das Schema war einfach: Zwei Menschen mit einem Konflikt und eine Psychologin, die klärt, wie das Problem gelöst werden kann. Meine Mutter, die damals schon über achtzig war, sah diese Sendung begeistert. Sie, deren Bekanntenkreis stark geschrumpft war, übte sich in Empathie.

Ihre Spiegelneuronen wurden durch Angelika Kallwass angefeuert wie ein paar Jahre zuvor ihre kleinen grauen Zellen von den Krimis. Nach einer Weile erlag ich dem Reiz der Sendung: Auch die schlimmsten Probleme sind lösbar. Nicht unbedingt zu jedermanns Freude. Angelika Kallwass, heute vor 67 Jahren in Köln geboren, hat dort eine Praxis als Psychologin und half in der Geschäftsführung von Gesine Moritz’ Unternehmen, bis die Designerin, mit ihrer Arbeit aufhörte, weil sie erblindet war.

In den Trümmern des zerstörten Köln aufgewachsen

Angelika Kallwass’ jüdischer Großvater wurde im Holocaust umgebracht. Die Lebensarbeit seiner Enkelin, Tochter eines polnischen Immigranten, bestand darin, Millionen Deutschen in mehr als 3 000 Sendungen die Augen für einander zu öffnen. Darüber schreibt sie leider nicht.

Jetzt hat Angelika Kallwass ein Buch vorgelegt, in dem sie vom Tod ihres Vaters erzählt, von ihren Auseinandersetzungen mit, von ihrem Hass auf und von ihrer Liebe zu ihm. Wer sich für Mischungsverhältnisse interessiert, dem wird die Klarheit imponieren, mit der Angelika Kallwass auch die Vertracktheiten ihrer eigenen Reaktionen beschreibt und analysiert.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat sie, die in den Trümmern des zerstörten Köln aufwuchs und die verkrüppelten Kriegsversehrten täglich vor Augen hatte, schon als Kind bewegt. Sie schrie damals bei jedem Stolpern gellend auf. Bis im Gespräch mit der Mutter sich herausstellte, dass „fallen“ nicht sterben bedeutet. Das hatte das Mädchen aber angenommen, weil all die Gefallenen, von denen die Rede war, tot waren.

Durch Kontraste über die eigene Psyche klar werden

Es gibt Bücher, die legt man nicht aus der Hand, weil man sich darin erkennt. Manchmal erkennt man sich in einer Figur eines Buches. Noch toller aber ist es, wenn eine Figur so genau das Gegenteil von einem selbst ist, dass man dank dieses Kontrastes sich klarer wird über die eigene Psyche. Kallwass’ Ehemann ist so ein Fall für mich.

Als der Vater von Angelika Kallwass, Gewerkschafter und Alkoholiker, starb, reagierte Kallwass’ Mutter mit Schreien und Klagen, mit Hysterie also. Da sagte Wolfgang Kallwass: „Wir nehmen sie heute Nacht zu uns ins Bett.“ Etwas Klügeres kann ich mir nicht vorstellen und gleichzeitig muss ich sagen, es ist völlig ausgeschlossen, dass ich diesen Satz über die Lippen bekommen hätte. Selten ist mir mein Mangel an Empathie so deutlich geworden wie hier.

Angelika Kallwass: Was am Ende zählt. Mein Umgang mit dem Tod. Für ein erfülltes Leben. Lübbe Verlag, 218 S., 19,99 Euro

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