AntisemitismusvorwürfeWarum Stefan Bachman „Vögel“ jetzt erst recht zeigt

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Stefan Bachmann, Intendant Schauspiel Köln, wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen.  Foto: Max Grönert

Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiels Köln, im Gespräch

Nach Antisemitismusvorwürfen setzt das Münchner Metropoltheater das Stück „Vögel“ ab. Am Schauspiel Köln läuft es bereits seit 2019. Intendant Stefan Bachmann erklärt, warum er seine Inszenierung jetzt kostenlos zeigt.  

Stefan Bachmann, das Münchner Metropoltheater hat seine Produktion von Wajdi Mouawads Stück „Vögel“ nach Antisemitismusvorwürfen abgesetzt. Sie hatten mit dem Erfolgsdrama die Spielzeit 2019/20 eröffnet. Vorwürfe gab es damals keine. Jetzt haben sie die Streamingfassung von „Vögel“ wieder ins Programm genommen. Eine Trotzreaktion?

Stefan Bachmann: Nein, es geht mir nicht um die Attitüde à la: Das zeigen wir jetzt erst recht. Worum es mir allerdings schon geht: Man sollte die Dinge erst einmal sehen, bevor man über sie urteilt. Wie will man denn sonst nachvollziehen können, worüber geredet wird? Ich will auch den Text gegen Vorwürfe verteidigen, die mit einer solchen Verspätung kommen, dass das Stück schon fast überall abgespielt ist.

Das Metropoltheater hatte nach dem Lautwerden der Vorwürfe auch eine Sondervorstellung angesetzt, damit, so hieß es, „sich alle in dieser Sache Eingebundenen ein eigenes Bild machen können“. Die wurde aber wieder abgesagt und ebenso ein Gespräch, weil es in der derzeit erhitzten Atmosphäre nicht möglich sei.

Das ist ja das Problem, dass die Diskussion sofort so unfassbar aufgeladen ist. Sowohl auf der Seite derer, die dem Stück Antisemitismus vorwerfen, als auch auf der Gegenposition, die die Freiheit der Kunst gefährdet sieht. Das ist genau das Problem an unserer Empörungskultur.

Haben Sie denn antisemitische Tendenzen im Text wahrgenommen, als sie das Stück inszenierten?

Nein, die habe ich nicht gesehen. Im Gegenteil. Aber natürlich will ich mir nicht anmaßen, zu beurteilen, was als antisemitisch wahrgenommen werden kann. Darüber habe ich keine Deutungshoheit. Ich werde ja auch People of Colour nicht erklären, ob seine oder ihre Rassismus-Erfahrungen berechtigt sind. Mir geht es nur um den Umstand, dass wenige laute Stimmen ganze Aufführungen verhindern können.

Kommenden Sonntag kann man sich „Vögel“ nun also kostenlos ab 16 Uhr im Stream anschauen. Wird es auch noch Bühnenaufführungen im Depot 1 geben?

Wir haben das Stück zuletzt vor zwei, drei Wochen gespielt. Es ist auch so lange im Programm, weil wir „Nathan der Weise“ im selben Bühnenbild spielen. Und es hat auch noch viele Fans, die von der Inszenierung sehr berührt sind und sich in die Materie vertieft haben. Es ist aus meiner Sicht ja auch ein nachdenkliches, tolerantes Stück, in dem sich der Autor sehr sorgfältig in die unterschiedlichen Perspektiven eingefühlt hat. Und ja, es wird auf jeden Fall noch eine letzte Vorstellung geben.

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