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ArchitekturEin Meister der Baukunst aus Köln

3 min

Gottfried Böhms Wallfahrtsdom in Velbert-Neviges.

Köln – Im Mittelalter waren Kirchen immer auch mächtige Riesen, deren Bäuche Schutz und Sicherheit versprachen. Wo weiß man das besser als in Köln, das gleich zwölf romanischen Kirchen sein eigen nennt. Auch die Gotteshäuser, die Gottfried Böhm in seiner Heimatstadt gebaut hat, rufen uns ihr „Unser Glaube ist eine feste Burg“ schon aus der Ferne zu. Wie ein zerklüftetes Gebirge ragt Christi Auferstehung in den Lindenthaler Himmel und schlägt dabei einen so eleganten Bogen zur romanischen Baukunst, wie man ihm dem Beton-Brutalismus der 60er Jahre eigentlich nie zugetraut hätte.

1986 mit Pritzker Preis ausgezeichnet

Vermutlich hätte Böhm in keiner anderen Stadt der Architekt werden können, der er heute ist: fest in Region und Tradition verwachsen und gerade deswegen unter Architekten weltberühmt. Als einziger deutscher Baumeister erhielt er 1986 den Pritzker Preis, die bedeutendste Auszeichnung, die es in der Welt der Baukunst zu erreichen gibt. Allein die Pfade zwischen seinen Kölner Kirchen ergeben eine moderne Via Sacra, wobei die wichtigste Böhm’sche Pilgerstätte mit der Wallfahrtskirche Maria Königin des Friedens in Velbert-Neviges liegt. Am schroffen Antlitz dieses Betonmassivs geht niemand unberührt vorüber, das weitläufige Innere erinnert an das Format eines mittelalterlichen Marktplatzes.

Es ist immer wieder verblüffend, wie gekonnt Böhm eine Linie vom Mittelalter über den Expressionismus der 20er Jahre bis in die Nachkriegsmoderne zieht. Man sieht diese Linie nicht nur den Fassaden seiner Kirchenbauten an, sondern auch seinem berühmtesten Profanbau: dem Rathaus von Bensberg. Hier setzte Böhm ein machtvolle Schutzgebärde auf die erhaltenen Reste eines alten Schlosses und schraubte das Gedrungene des historischen Altstadtkerns geradezu spielerisch in die Höhe. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Bensberger Schloss ist Böhms Rathaus zugleich ein spätes, aber deswegen nicht weniger imposantes Monument des freien Bürgerwillens.

Gottfried Böhm wurde 1920 als Sohn des Baumeisters Dominikus Böhm geboren. Als bislang einziger deutscher Architekt erhielt er 1986 den Pritzker Preis, die wichtigste Auszeichnung auf dem Gebiet der Baukunst. Er lebt und arbeitet in Köln, viele bedeutende Bauwerke sind hier und in der Region entstanden.

„Die Böhms – Architektur einer Familie“ feiert am heutigen Freitag, 23. Januar, um 19.30 Uhr im Kölner Weißhaus-Kino in der Luxemburger Straße Premiere. Er eröffnet gleichzeitig das Festival „Stranger Than Fiction“ mit internationalen und regionalen Dokumentarfilmen. Am kommenden Donnerstag startet „Die Böhms“ regulär im Kino.

Inkognito als Karnevalsjeck

Das Selbstbewusstsein des stolzen Architekten zeichnet beinahe alle Böhm’sche Bauwerke aus. Stets wollte er Gebäude schaffen, die aus der Allerweltsmoderne stechen – gerade das nach dem Krieg schnell wieder aufgebaute Köln könnte ihm in dieser Hinsicht viel Anschauungsmaterial geliefert haben. Der Gefahr, dabei hochmütig zu werden, entging Böhm durch die väterliche Schule – und ein gesundes Misstrauen gegen Architektur-Utopien – wie sie etwa im modernen Siedlungsbau verwirklicht worden. Für die Satellitenstadt Köln-Chorweiler entwarf er kleinteilige Wohnbezirke mit Plätzen und Straßen, die eben nicht am Reißbrett entworfen waren, sondern, so gut es ging, die gewachsene Struktur eines kleinstädtischen Milieus nachahmten.

Bei Gottfried Böhm sind selbst Betonbunker dem Menschen zugewandt – so wie er selbst stets besorgt war, ob seine Bauten auch angenommen wurden. Zur Eröffnung des Bürgerhauses Bergisch Gladbach mischte sich der Architekt mit falscher Glatze und Pappnase unter die Karnevalisten, um den ersten Ansturm auf sein Gebäude hautnah mitzuerleben. Es spricht Bände über Böhm, dass er Praxistests nicht scheute. Noch ein schöner Grund, um stolz auf diesen Meister aus Köln zu sein.