Literatur-NobelpreisträgerZum 80. ein goldenes Jahr für Mario Vargas Llosa

Lesezeit 4 Minuten
Mario Vargas Llosa als junger Autor – porträtiert von Kat Menschik in dem neuen Insel-Band „Sonntag“

Mario Vargas Llosa als junger Autor – porträtiert von Kat Menschik in dem neuen Insel-Band „Sonntag“

Köln – Mario Vargas Llosas kann es nicht lassen. Zwar hatte sich der peruanische Literatur-Nobelpreisträger nach seinem Ausflug in die Politik, die mit einer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 1990 endete, nur noch dem widmen wollen, was er am besten kann, nämlich dem Schreiben. Ausdrücklich hat er das in dem Band „Der Fisch im Wasser“ formuliert.

Gleichwohl versteht er sich weiterhin als Autor mit liberal-konservativer Grundierung, der sich in die politischen Debatten einmischt. Ihm ist die ganze lateinamerikanische Linke suspekt, als deren literarisches Sprachrohr er seinen ehemaligen Freund Gabriel García Márquez ansah, solange der noch lebte.

Aufforderung zur Wahl

Und so fordert Vargas Llosa auch in diesen Tagen seine Landsleute auf, bei der Präsidentschaftswahl in Peru am 10. April nicht für Keiko Fujimori zu votieren. Gegen ihren Vater Alberto, der im Gefängnis sitzt, hatte Vargas Llosa einst die Stichwahl um das höchste Amt verloren.

Person und Buch

Mario Vargas Llosa, am 28. März 1936 geboren, besitzt die peruanische und spanische Staatsbürgerschaft. 1996 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2010 den Literatur-Nobelpreis.

Die Erzählung „Sonntag“ erscheint im Insel-Verlag (dt. von Thomas Brovot, mit Illustrationen von Kat Menschik, 64 Seiten, 16 Euro).

Seinen jüngsten Appell formulierte er von Europa aus, wo sich der Weltbürger besonders oft aufhält – in Paris, Barcelona, London, Berlin und in Madrid, der Hauptstadt Spaniens, dessen Staatsbürgerschaft er seit 1993 ebenfalls besitzt. König Juan Carlos erhob ihn 2011 gar in den Adelsstand. Auch deshalb ist das Interesse der Öffentlichkeit an dem Marqués de Vargas Llosa nicht unerheblich. So sorgte im vergangenen Jahr für Aufsehen, dass er sich nach einem halben Jahrhundert von seiner Ehefrau Patricia Llosa getrennt hat. Liiert ist er nun mit Isabel Preysler, die unter anderem schon einmal verheiratet war mit Julio Iglesias und Mutter ist von Enrique Iglesias.

Tante Julia

Vor der Ehe mit Patricia, die seine Cousine ist, war er mit seiner Tante Julia verheiratet gewesen. Daraus entstand später der Roman „Tante Julia und der Kunstschreiber“ – eines von vielen faszinierenden Werken, die sich mal dem politischen und mal dem erotischen Kosmos widmen. Der Durchbruch gelang 1962 mit dem Roman „Die Stadt und die Hunde“, worin er in kühlem Ton den Alltag in einer peruanischen Militärakademie schildert.

Es folgten „Das grüne Haus“ und „Gespräch in der Kathedrale“ – allesamt Werke, die Teil des lateinamerikanischen Literaturbooms wurden. Herausragend dann das Historienepos „Der Krieg am Ende der Welt“ und der Diktatorenroman „Das Fest des Ziegenbocks“. In der amourösen Abteilung fielen zudem „Lob der Stiefmutter“ und „Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto“ auf. In diesem umfangreichen Gesamtwerk findet sich auch schwergängige Prosa wie die Feier des Freiheitskämpfers Roger Casement: „Der Traum des Kelten“.

Neuer Roman erschienen

Doch klar dominieren die anregenden Lesestunden – so zuletzt noch mit dem Roman „Ein diskreter Held“. Soeben ist auf Spanisch sein jüngster Roman erschienen: „Cinco esquinas“ (Fünf Ecken). Darin werde, so sagte es der Autor bei der Buchvorstellung in Madrid, die Zeit der autokratischen Herrschaft von Perus Präsident Alberto Fujimori beschrieben.

Im Oktober auf Deutsch

Und um das Wirken der Presse in jener Zeit gehe es auch. Das Werk, das gewiss nicht zufällig kurz vor der Wahl in Peru erschienen ist, soll im Oktober unter dem Titel „Die Enthüllung“ auch auf Deutsch herauskommen.

Mario Vargas Llosa mit Isabel Preysler bei der Vorstellung seines neuen Romans „Cinquo esquinas“ Anfang März in Madrid

Mario Vargas Llosa mit Isabel Preysler bei der Vorstellung seines neuen Romans „Cinquo esquinas“ Anfang März in Madrid

Wer nicht so lange mit frischer Lektüre aus der Schreibwerkstatt des Mario Vargas Llosa warten möchte, kann sich bereits jetzt auf eine kleine Preziose einlassen. „Sonntag“ ist eine kurze Erzählung, die 1959 in dem Debüt-Band „Los jefes“ erschienen ist, der wiederum bei uns unter dem Titel „Die Anführer“ vorliegt. Besonders attraktiv ist der schmale Band aufgrund der Illustrationen von Kat Menschik: Stille Ernsthaftigkeit in suggestiven Filmbildern.

60 Jahre Schreiben

Die Geschichte, neu übersetzt von Thomas Brovot, handelt von den Jugendlichen Rubén und Miguel, die ein Wett-Trinken und Wettschwimmen, eine Mut- und eine Freundschaftsprobe bestehen. Die beiden, angefeuert von ihren Freunden, den „Rabengeiern“, wollen klären, wer um die schöne Flora werben darf. Sie gilt den Jungs als „die Esther Williams von Miraflores“, kommt also aus dem vornehmen Stadtviertel der peruanischen Hauptstadt Lima. Am Ende gewinnt Miguel. Über ihn heißt es im letzten Satz der Erzählung: „Vor ihm erstrahlte eine goldene Zukunft.“

Auch vor Mario Vargas Llosa, so scheint es, liegt zumindest ein goldenes Jahr. Jetzt nicht wegen der Liebe oder der Politik. Also nicht wegen einer Flora, die bei ihm Isabel zu heißen scheint; und nicht wegen der Wahl in Peru, die er mit seiner Stimme zu beeinflussen trachtet. Vielmehr kann der Autor das Glas erheben auf eine Karriere als Schriftsteller, die vor 60 Jahren begonnen hat.

So wurde am 9. Dezember 1956 erstmals ein Text von ihm veröffentlicht: Die Erzählung „El abuelo“ (Der Großvater) erschien in der Zeitung „El Comercio“. Und er darf sich feiern lassen, da er, der 1936 in Arequipa, im tiefen Süden Perus, geboren wurde, an Ostermontag 80 Jahre alt wird. Seine Vitalität in diesen Tagen legt nahe, dass er ganz der Alte ist.

KStA abonnieren