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Ausstellung in der Bundeskunsthalle BonnDie Lösung zur Zukunft des Bauens? Viele!

4 min
Bundeskunsthalle Bonn

Mit einer Installation aus 200 Gläsern, gefüllt mit Modellen vom Aussterben bedrohter Insekten, setzt sich das mischer'traxler Studio für mehr Biodiversität ein.

Eine neue Schau in der Bonner Bundeskunsthalle widmet sich der Zukunft des Bauens in Zeiten der Klimakrise – ein bunter Rundumschlag in Sachen nachhaltige Architektur.

Der erbarmungslosen Hitze auf dem Museumsvorplatz trotzen tapfer ein paar grüne Kletterpflanzen. An Netzen einer riesigen Holzkonstruktion aus amerikanischer Roteiche aufgespannt, wachsen sie fröhlich der Sonne entgegen. Noch kann man nur erahnen, dass diese zarten Ranken, wenn sie ausgewachsen sind, viermal mehr Schatten spenden sollen als ein 20 Jahre alter Baum – doch lange wird es nicht mehr dauern. In den Pflanzen fühlen sich jetzt schon Insekten wohl, in den Liegenetzen darunter Menschen. Diese Installation namens „Vert“ ist das wohl größte Objekt der Ausstellung zur Zukunft des Bauens, die aktuell drinnen in der Bundeskunsthalle Bonn unter dem Titel „WETransFORM“ zu sehen ist.

Dass sich angesichts der Klimakrise dringend etwas ändern muss, ist bekannt. Aber zu Beginn der Schau werden wir noch einmal daran erinnert, dass das in dieser Debatte oft vernachlässigte Bauwesen eine der größten Treiber des Klimawandels ist: Es verbraucht 30 Prozent der globalen Ressourcen, macht die Hälfte des Abfalls in Deutschland aus, täglich werden hierzulande 500.000 Quadratmeter Erde versiegelt – um nur einige Problemfelder zu nennen. Aber was heißt es nun, etwas zu ändern?

Die Lösung ist: Viele Lösungen

Dass es darauf nicht die eine richtige Antwort gibt, macht die Ausstellung allein schon durch die schiere Menge der rund 80 präsentierten Architekturprojekte aus ganz Europa unmissverständlich klar. Man könne schließlich jetzt noch nicht wissen, was sich in 30 Jahren als am nachhaltigsten herausstellen wird, lesen wir im Ausstellungstext. Die vorgeschlagene Lösung liegt hier also vor allem in der Umsetzung einer Vielzahl von Lösungen. Das Haus Glasner im Ahrtal etwa, das sich an einem traditionellen Hofhaus orientiert, ist nach dem verheerenden Hochwasser 2021 mit einem flutbaren Untergeschoss versehen. Wenn wir die nächste Flut nicht mehr verhindern können, dann soll sie doch wenigstens nur den Fahrradkeller unter Wasser setzen. Oder wir bauen unsere Häuser gleich als schwimmende Objekte, wie es sich das Büro MVDRV für die vom steigenden Meeresspiegel betroffenen Niederlande ausmalt.

Bauen im Bestand geht auch schön

Dass uns vielleicht doch noch etwas mehr bleibt als die architektonische Anpassung an die ohnehin nicht mehr aufzuhaltenden Folgen der Klimakrise, zeigt dann der Rest der Ausstellung: Materialkreisläufe optimieren etwa oder das Bauen im Bestand. Hier werden keine waghalsigen Zukunftsvisionen, sondern zahlreiche pragmatische Lösungen vorgestellt, die dennoch hohen gestalterischen Anspruch beweisen.

51N4E hat beispielsweise das World Trade Center in Brüssel – eines der unliebsamen Betonerben aus den 60ern – wiederbelebt: gemischte Nutzung aus Büros, Wohnungen, Hotel, Restaurants und Sportanlagen mit viel Grün, statt öder Büromonotonie. Der spektakulär unspektakuläre Umbau einer ehemaligen Steinscheune auf Island durch das Studio Bua schmückte bereits die Cover von Architekturzeitschriften, und in Barcelona arbeitet man schon seit Jahren daran, ehemalige Stadtautobahnen in Grünflächen zu verwandeln.

Studio Bua, Hlöðuberg Artist Studio, ISL, 2020–2021 © Marino Thorlacius

Eine verlassene Steinscheune mitten in einem Naturschutzgebiet in Island verwandelte das Studio Bua 2021 behutsam in ein Wohn- und Ateliergebäude.

Die Welt auch mal durch die Augen der Biene sehen

Zwischen die Modelle und Fotografien der vorgestellten Projekte mischen sich in der Schau auch Kunstaktionen, wie die hübsche Installation von mischer'traxler studio: Von der Decke hängen 200 mundgeblasene Glühbirnen, in denen anstelle von Licht Modelle kleiner Insekten tanzen. Viele der Arten sind bereits ausgestorben oder stark bedroht. Eine britische Künstlerin, die passenderweise Alexandra Daisy Ginsberg heißt, lässt uns in einem Video und Wandteppichen aus Sicht der Insekten durch bunte Blumenwiesen fliegen. Mit ihrer algorithmusgesteuerten App können die Besucher ihren eigenen Garten planen – nur halt nicht nach ihrem eigenen Geschmack, sondern nach den Bedürfnissen der kleinen Bestäuber. Auch um die Biodiversität zu fördern, müssen wir um die Ecke denken.

Mit der Ausstellung wolle man die Ideen jetzt in die Breite tragen, so Kurator Sven Sappelt. Das ist vor dem Hintergrund, dass die Bauwende selbstverständlich auch eine Kulturfrage ist, die alle betrifft, sicher eine lobenswerte Idee. Europas ehrgeiziges Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, kann allerdings nur dann gelingen, wenn innovative Ideen nicht im Museum verbleiben, sondern auch schnell und zahlreich in die Tat umgesetzt werden.


„WEtransFORM - Zur Zukunft des Bauens“, Bundeskunsthalle, Helmut-Kohl-Allee 4, 53113 Bonn, bis 25. Januar 2026, Dienstag und Donnerstag bis Sonntag 10 - 18 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr. Eintritt 13 Euro, erm. 6,50 Euro.