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Bundeskunsthalle in BonnKrieg als Bildungsreise

Lesezeit 4 Minuten

Otto Dix’ „Selbstbildnis als Mars“ (1915)

Er stehe „mit pochendem Herz am Anfang der Dinge“, schrieb Franz Marc 1915 aus den Feldlagern des des Ersten Weltkriegs. Beim deutschen Maler der berühmten Tierbilder gab es kein Zagen und Bangen angesichts der Schrecken des Schlachtfeldes. In Sachen Kriegsbegeisterung stand Marc den italienischen Futuristen kaum nach; schon in Friedenszeiten träumte er von einer durch die Kunst eingeleiteten Zeitenwende und sah dafür im Krieg einen Verbündeten. Dafür verlor er einen Künstlerfreund: Als Marc im Oktober 1914 Wassily Kandinsky von der heilsamen und reinigenden Wirkung des massenhaften Sterbens vorschwärmte, erwiderte dieser ebenso kühl wie hellsichtig: „Der Preis dieser Säuberung ist entsetzlich.“

Als hätte es den Futurismus nie gegeben

Auf den Ersten Weltkrieg, diese Urkatastrophe des Jahrhunderts konnten auch künstlerisch eng verwandte Maler auf gänzlich unterschiedliche Weise reagieren. In der Bonner Ausstellung „1914 – Die Avantgarden im Kampf“ stellen Marc und Kandinsky so etwas wie die Pole der Kriegserfahrung dar: Allerdings nur im Verborgenen, denn erstaunlicherweise bleibt die Kriegsbegeisterung und die intellektuelle Mobilmachung eines Teils der Avantgarden in der Bundeskunsthalle weitgehend ausgespart. Als hätte es den Futurismus nie gegeben, setzt die Ausstellung mit vor 1914 entstandenen expressionistischen und kubistischen Gemälden und einigen künstlerischen Vorahnungen des Krieges ein – die im Falle von Alfred Kubin sogar aus dem Jahr 1903 datieren. Bei genauer Betrachtung nehmen Kubins symbolistische Kunstblätter dann auch weniger den Ersten Weltkrieg vorweg; sie stellen den Krieg vielmehr als ewigen, der konkreten Zeit enthobenen Schrecken dar.

Der „Kampf der Avantgarden“ ist das Herzstück in der langen Reihe von Ausstellungen, die in diesem und nächstem Jahr dem Ersten Weltkrieg gewidmet sind. Entsprechend umfangreich ist die von Uwe M. Schneede kuratierte Schau: In 13 Kapiteln werden Motive und Stationen des Krieges dargestellt, teilweise etwas brav und insgesamt ohne großen intellektuellen Schwung. Der Krieg erscheint in der Bundeskunsthalle weniger als weltumstürzendes Ereignis, sondern eher als Studiosus-Bildungsreise in die Geschichte der Klassischen Moderne. Das hat durchaus auch seine Vorteile, denn so verstellt keine steile These den Blick auf die Bilder.

„1914 – Die Avantgarden im Kampf“, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, Bonn. Öffnungszeiten: Di.–Mi. 10–21 Uhr, Do.–So. 10–19 Uhr, bis 23. Februar 2014.

Rund 300 Werke von 60 Künstlerinnen und Künstlern werden in Bonn gezeigt. Kuratiert wurde die Ausstellung von Uwe M. Schneede, der von 1991 bis 2006 Direktor der Kunsthalle Hamburg war. Der Katalog ist bei Snoeck erschienen und kostet 39 Euro.

Man lernt in der Ausstellung, dass alle Künstler nicht nur mit ihren Fronterlebnissen rangen, sondern auch damit, wie sie die Wirklichkeit des Krieges darstellen sollen. Am Einfachsten fiel dies den Propaganda-Abteilungen, die sich vor allem ein hässliches Bild des jeweiligen Feindes machten. Hier waren zeitweilig auch Künstler engagiert, die man sonst aus anderen Stilrichtungen kennt: Gar nicht suprematistisch nimmt sich etwa eine Karikatur aus, auf der Kasemir Malewitsch die länderhungrige deutsche Soldateska recht volkstümlich verewigt hat. Ähnliche Überraschungen hält der „Camouflage“-Saal bereit: An allen Fronten wurden Maler engagiert, um Kriegsgerät im modernistischen Stil zu tarnen, so dass Franz Marc nach Hause schreiben konnte, er bemale Kanonen mit Kandinsky.

Der Krieg intensiviert den Stil

Ansonsten intensivieren sich angesichts des Schreckens beinahe bei allen Künstlern Stil und Wahrnehmung – etwa auf Otto Dix’ Selbstbildnis als Kriegsgott Mars. Die Behauptung der Ausstellung, der Erste Weltkrieg sei ein Katalysator der Moderne gewesen, bleibt allerdings genau das: Behauptung. Anschaulich wird sie lediglich im Falle Dada, dessen Mitglieder sich als Deserteure und Kriegsverweigerer in der Schweiz trafen.

Beinahe keinen Einfluss hatte der Krieg auf das Werk Franz Marcs. In seinem Skizzenbuch aus dem Feld finden sich die alten Motive und sogar ein „Zaubriger Moment“. Auf der letzten bekannten Fotografie von Marc sieht man ihn mit wehendem Leutnantsmantel eine Straße entlang gehen. Drei Tage später, am 4. März 1916, fiel er bei Braquis nahe Verdun.